mit Roth bemalt, waren darauf zu sehen. Es war Urhixidur. Dyfuwal überließ ihr ohne Widerrede, was eigentlich sein Geschäft war. Sie reichte den Stab dem Druiden, zog eine der Fackeln aus der Klamme, die sie am Pfahle festhielt, und beleuchtete den Stab in Angus' Hand. Man konnte jetzt sehen, daß das Roth der Zeichen aus Blut bestand.
"Hier ist das Urtheil!" rief der Druide, den Stab hoch emporstreckend. "Wer sind die Richter?" riefen gleichzeitig die zwei Barden, "nur ein Beschluß der Volksgemeinde kann Todesurtheil fällen." -- "Das ist nicht Gesetz, nur Brauch", rief Angus. "Ererbt, verjährt, durch die Jahre geheiligter Brauch!" ent¬ gegnete Kullur. Jetzt trat schnell Sigunens Vater, Odgal, vor und sprach: "Er war mein Gast, ver¬ klage ihn, wenn du willst, förmlich vor der Gemeinde, er soll nicht ungehört, nicht unvertheidigt gerichtet werden!"
"Das gemeinschaftliche Amt," erwidert der Druide, "ist befugter Vertreter der Gemeinde, ich habe zu den zwei Aeltesten, die mir in Sachen des Gottesdienstes zur Seite stehen, vier weitere beigezogen, die vom Volke gewählten, dem obersten Haupt und Richter, dem Druiden, an die Hand gegebenen Berather und Verwalter der weltlichen Dinge -- lies, Urhixidur! lies das Urtheil, das nun dem Verbrecher soll ver¬ kündigt werden!"
mit Roth bemalt, waren darauf zu ſehen. Es war Urhixidur. Dyfuwal überließ ihr ohne Widerrede, was eigentlich ſein Geſchäft war. Sie reichte den Stab dem Druiden, zog eine der Fackeln aus der Klamme, die ſie am Pfahle feſthielt, und beleuchtete den Stab in Angus' Hand. Man konnte jetzt ſehen, daß das Roth der Zeichen aus Blut beſtand.
„Hier iſt das Urtheil!“ rief der Druide, den Stab hoch emporſtreckend. „Wer ſind die Richter?“ riefen gleichzeitig die zwei Barden, „nur ein Beſchluß der Volksgemeinde kann Todesurtheil fällen.“ — „Das iſt nicht Geſetz, nur Brauch“, rief Angus. „Ererbt, verjährt, durch die Jahre geheiligter Brauch!“ ent¬ gegnete Kullur. Jetzt trat ſchnell Sigunens Vater, Odgal, vor und ſprach: „Er war mein Gaſt, ver¬ klage ihn, wenn du willſt, förmlich vor der Gemeinde, er ſoll nicht ungehört, nicht unvertheidigt gerichtet werden!“
„Das gemeinſchaftliche Amt,“ erwidert der Druide, „iſt befugter Vertreter der Gemeinde, ich habe zu den zwei Aelteſten, die mir in Sachen des Gottesdienſtes zur Seite ſtehen, vier weitere beigezogen, die vom Volke gewählten, dem oberſten Haupt und Richter, dem Druiden, an die Hand gegebenen Berather und Verwalter der weltlichen Dinge — lies, Urhixidur! lies das Urtheil, das nun dem Verbrecher ſoll ver¬ kündigt werden!“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0402"n="387"/>
mit Roth bemalt, waren darauf zu ſehen. Es war<lb/>
Urhixidur. Dyfuwal überließ ihr ohne Widerrede,<lb/>
was eigentlich ſein Geſchäft war. Sie reichte den<lb/>
Stab dem Druiden, zog eine der Fackeln aus der<lb/>
Klamme, die ſie am Pfahle feſthielt, und beleuchtete<lb/>
den Stab in Angus' Hand. Man konnte jetzt ſehen,<lb/>
daß das Roth der Zeichen aus Blut beſtand.</p><lb/><p>„Hier iſt das Urtheil!“ rief der Druide, den Stab<lb/>
hoch emporſtreckend. „Wer ſind die Richter?“ riefen<lb/>
gleichzeitig die zwei Barden, „nur ein Beſchluß der<lb/>
Volksgemeinde kann Todesurtheil fällen.“—„Das<lb/>
iſt nicht Geſetz, nur Brauch“, rief Angus. „Ererbt,<lb/>
verjährt, durch die Jahre geheiligter Brauch!“ ent¬<lb/>
gegnete Kullur. Jetzt trat ſchnell Sigunens Vater,<lb/>
Odgal, vor und ſprach: „Er war mein Gaſt, ver¬<lb/>
klage ihn, wenn du willſt, förmlich vor der Gemeinde,<lb/>
er ſoll nicht ungehört, nicht unvertheidigt gerichtet<lb/>
werden!“</p><lb/><p>„Das gemeinſchaftliche Amt,“ erwidert der Druide,<lb/>„iſt befugter Vertreter der Gemeinde, ich habe zu den<lb/>
zwei Aelteſten, die mir in Sachen des Gottesdienſtes<lb/>
zur Seite ſtehen, vier weitere beigezogen, die vom<lb/>
Volke gewählten, dem oberſten Haupt und Richter,<lb/>
dem Druiden, an die Hand gegebenen Berather und<lb/>
Verwalter der weltlichen Dinge — lies, Urhixidur!<lb/>
lies das Urtheil, das nun dem Verbrecher ſoll ver¬<lb/>
kündigt werden!“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[387/0402]
mit Roth bemalt, waren darauf zu ſehen. Es war
Urhixidur. Dyfuwal überließ ihr ohne Widerrede,
was eigentlich ſein Geſchäft war. Sie reichte den
Stab dem Druiden, zog eine der Fackeln aus der
Klamme, die ſie am Pfahle feſthielt, und beleuchtete
den Stab in Angus' Hand. Man konnte jetzt ſehen,
daß das Roth der Zeichen aus Blut beſtand.
„Hier iſt das Urtheil!“ rief der Druide, den Stab
hoch emporſtreckend. „Wer ſind die Richter?“ riefen
gleichzeitig die zwei Barden, „nur ein Beſchluß der
Volksgemeinde kann Todesurtheil fällen.“ — „Das
iſt nicht Geſetz, nur Brauch“, rief Angus. „Ererbt,
verjährt, durch die Jahre geheiligter Brauch!“ ent¬
gegnete Kullur. Jetzt trat ſchnell Sigunens Vater,
Odgal, vor und ſprach: „Er war mein Gaſt, ver¬
klage ihn, wenn du willſt, förmlich vor der Gemeinde,
er ſoll nicht ungehört, nicht unvertheidigt gerichtet
werden!“
„Das gemeinſchaftliche Amt,“ erwidert der Druide,
„iſt befugter Vertreter der Gemeinde, ich habe zu den
zwei Aelteſten, die mir in Sachen des Gottesdienſtes
zur Seite ſtehen, vier weitere beigezogen, die vom
Volke gewählten, dem oberſten Haupt und Richter,
dem Druiden, an die Hand gegebenen Berather und
Verwalter der weltlichen Dinge — lies, Urhixidur!
lies das Urtheil, das nun dem Verbrecher ſoll ver¬
kündigt werden!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/402>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.