hatte ja sein Amt als Heilkünstler mit so voller Ueber¬ zeugung an Urhixidur abgegeben, ihr den Verwundeten mit so vollem Vertrauen überantwortet, daß er sich, als sie mit ihm abfuhr, mit ganzer Seelenruhe zum Schlummer niederlegen konnte, und der pflegte bei ihm tief und gesund zu sein. -- "Es gibt ein kaltes Bad, aber auch ein heißes," murmelte die Alte, als sie ausstieg. "Ein gefährlicher Ketzer," sagte Alpin, "er hat auch über unsere Religion gespottet," mit diesen Worten löste er den Wiedring, an dem er seinen eigenen Kahn nachgezogen hatte, und fuhr heim.
Er mußte wissen, was er that, als er in so ge¬ häuften Brennstoff die Brandfackel dieser Angeberworte warf, es war ihm gar wohl bekannt, was die Base bei dem Druiden galt, und er war nicht so blind, das verborgene sehr Gefährliche in diesem Manne nicht wenigstens dunkel zu ahnen. Aber er kam sich ganz zufrieden mit sich vor, sein Gemüth schien ihm ruhig wie der See, dessen Spiegel kein Lüftchen bewegte. Es war nur in dem Einbaum so eine sonderbare Un¬ ruhe, er wollte in keine regelmäßige Gangart kommen, er schwankte, und das Vordertheil fuhr manchmal so eigenthümlich wie ein Ausruf in die Höhe. Das Wasser gluxte am Holze wie sonst eben auch, aber es klang heute so seltsam; einmal meinte der Ruderer gar flüstern zu hören: "Alpin, das war nicht recht!" Dann kamen dumpfe Töne, die murmelten etwas wie:
hatte ja ſein Amt als Heilkünſtler mit ſo voller Ueber¬ zeugung an Urhixidur abgegeben, ihr den Verwundeten mit ſo vollem Vertrauen überantwortet, daß er ſich, als ſie mit ihm abfuhr, mit ganzer Seelenruhe zum Schlummer niederlegen konnte, und der pflegte bei ihm tief und geſund zu ſein. — „Es gibt ein kaltes Bad, aber auch ein heißes,“ murmelte die Alte, als ſie ausſtieg. „Ein gefährlicher Ketzer,“ ſagte Alpin, „er hat auch über unſere Religion geſpottet,“ mit dieſen Worten löste er den Wiedring, an dem er ſeinen eigenen Kahn nachgezogen hatte, und fuhr heim.
Er mußte wiſſen, was er that, als er in ſo ge¬ häuften Brennſtoff die Brandfackel dieſer Angeberworte warf, es war ihm gar wohl bekannt, was die Baſe bei dem Druiden galt, und er war nicht ſo blind, das verborgene ſehr Gefährliche in dieſem Manne nicht wenigſtens dunkel zu ahnen. Aber er kam ſich ganz zufrieden mit ſich vor, ſein Gemüth ſchien ihm ruhig wie der See, deſſen Spiegel kein Lüftchen bewegte. Es war nur in dem Einbaum ſo eine ſonderbare Un¬ ruhe, er wollte in keine regelmäßige Gangart kommen, er ſchwankte, und das Vordertheil fuhr manchmal ſo eigenthümlich wie ein Ausruf in die Höhe. Das Waſſer gluxte am Holze wie ſonſt eben auch, aber es klang heute ſo ſeltſam; einmal meinte der Ruderer gar flüſtern zu hören: „Alpin, das war nicht recht!“ Dann kamen dumpfe Töne, die murmelten etwas wie:
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hatte ja ſein Amt als Heilkünſtler mit ſo voller Ueber¬
zeugung an Urhixidur abgegeben, ihr den Verwundeten
mit ſo vollem Vertrauen überantwortet, daß er ſich,
als ſie mit ihm abfuhr, mit ganzer Seelenruhe zum
Schlummer niederlegen konnte, und der pflegte bei ihm
tief und geſund zu ſein. — „Es gibt ein kaltes Bad,
aber auch ein heißes,“ murmelte die Alte, als ſie
ausſtieg. „Ein gefährlicher Ketzer,“ ſagte Alpin, „er
hat auch über unſere Religion geſpottet,“ mit dieſen
Worten löste er den Wiedring, an dem er ſeinen
eigenen Kahn nachgezogen hatte, und fuhr heim.
Er mußte wiſſen, was er that, als er in ſo ge¬
häuften Brennſtoff die Brandfackel dieſer Angeberworte
warf, es war ihm gar wohl bekannt, was die Baſe
bei dem Druiden galt, und er war nicht ſo blind,
das verborgene ſehr Gefährliche in dieſem Manne nicht
wenigſtens dunkel zu ahnen. Aber er kam ſich ganz
zufrieden mit ſich vor, ſein Gemüth ſchien ihm ruhig
wie der See, deſſen Spiegel kein Lüftchen bewegte.
Es war nur in dem Einbaum ſo eine ſonderbare Un¬
ruhe, er wollte in keine regelmäßige Gangart kommen,
er ſchwankte, und das Vordertheil fuhr manchmal ſo
eigenthümlich wie ein Ausruf in die Höhe. Das
Waſſer gluxte am Holze wie ſonſt eben auch, aber es
klang heute ſo ſeltſam; einmal meinte der Ruderer
gar flüſtern zu hören: „Alpin, das war nicht recht!“
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/235>, abgerufen am 04.12.2024.
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