den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um, daß sie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tausenden stehen. Einige meinten, sie seien zum Andenken tapferer und verdienter Männer einst hergewälzt und gesetzt, Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬ gionsgeheimnisse, die Meisten dachten gar nichts, Alle aber betrachteten sie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht.
Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der unförmlichen Molchgestalt; der Druide betrachtet dieß Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine Geberde, die ein Abweisen, eine Scheue ausdrückt, be¬ schreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie auf der Brust, verbeugt sich dann tief und auch diese Bewegungen werden von sämmtlichen Theilnehmern des Zuges nachgeahmt. Hierauf schwenkt derselbe links¬ um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn stellt Urhixidur feierlich ihren großen Topf, sein Inhalt muß hochbedeutend sein, wenn er an diesem Orte ruhen darf; ihr gegenüber setzt der Greis, der im Zuge neben ihr gieng, seinen Napf auf das andere Ende des Steintischs, zieht das Holzhalfter aus dem Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, spitze weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt. Beide bleiben neben dem Altare stehen, die Kinder stellen sich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und inmitten des freien Raums ernst und feierlich der
den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um, daß ſie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tauſenden ſtehen. Einige meinten, ſie ſeien zum Andenken tapferer und verdienter Männer einſt hergewälzt und geſetzt, Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬ gionsgeheimniſſe, die Meiſten dachten gar nichts, Alle aber betrachteten ſie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht.
Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der unförmlichen Molchgeſtalt; der Druide betrachtet dieß Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine Geberde, die ein Abweiſen, eine Scheue ausdrückt, be¬ ſchreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie auf der Bruſt, verbeugt ſich dann tief und auch dieſe Bewegungen werden von ſämmtlichen Theilnehmern des Zuges nachgeahmt. Hierauf ſchwenkt derſelbe links¬ um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn ſtellt Urhixidur feierlich ihren großen Topf, ſein Inhalt muß hochbedeutend ſein, wenn er an dieſem Orte ruhen darf; ihr gegenüber ſetzt der Greis, der im Zuge neben ihr gieng, ſeinen Napf auf das andere Ende des Steintiſchs, zieht das Holzhalfter aus dem Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, ſpitze weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt. Beide bleiben neben dem Altare ſtehen, die Kinder ſtellen ſich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und inmitten des freien Raums ernſt und feierlich der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0213"n="200"/>
den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um,<lb/>
daß ſie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen<lb/>
langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tauſenden<lb/>ſtehen. Einige meinten, ſie ſeien zum Andenken tapferer<lb/>
und verdienter Männer einſt hergewälzt und geſetzt,<lb/>
Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬<lb/>
gionsgeheimniſſe, die Meiſten dachten gar nichts, Alle<lb/>
aber betrachteten ſie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht.</p><lb/><p>Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der<lb/>
unförmlichen Molchgeſtalt; der Druide betrachtet dieß<lb/>
Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine<lb/>
Geberde, die ein Abweiſen, eine Scheue ausdrückt, be¬<lb/>ſchreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie<lb/>
auf der Bruſt, verbeugt ſich dann tief und auch dieſe<lb/>
Bewegungen werden von ſämmtlichen Theilnehmern<lb/>
des Zuges nachgeahmt. Hierauf ſchwenkt derſelbe links¬<lb/>
um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn ſtellt<lb/>
Urhixidur feierlich ihren großen Topf, ſein Inhalt<lb/>
muß hochbedeutend ſein, wenn er an dieſem Orte<lb/>
ruhen darf; ihr gegenüber ſetzt der Greis, der im<lb/>
Zuge neben ihr gieng, ſeinen Napf auf das andere<lb/>
Ende des Steintiſchs, zieht das Holzhalfter aus dem<lb/>
Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, ſpitze<lb/>
weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt.<lb/>
Beide bleiben neben dem Altare ſtehen, die Kinder<lb/>ſtellen ſich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und<lb/>
inmitten des freien Raums ernſt und feierlich der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[200/0213]
den Dolmen bildend, dunkle Gerüchte giengen um,
daß ſie bei verwandten Völkern gegen Abend in ganzen
langen Doppelreihen, bis zu hunderten, ja zu tauſenden
ſtehen. Einige meinten, ſie ſeien zum Andenken tapferer
und verdienter Männer einſt hergewälzt und geſetzt,
Andere bezweifelten das und riethen auf dunkle Reli¬
gionsgeheimniſſe, die Meiſten dachten gar nichts, Alle
aber betrachteten ſie mit dunkler Scheu und Ehrfurcht.
Der Zug verweilt jetzt vor dem Pfeiler mit der
unförmlichen Molchgeſtalt; der Druide betrachtet dieß
Gebilde mit Schauder, macht mit beiden Händen eine
Geberde, die ein Abweiſen, eine Scheue ausdrückt, be¬
ſchreibt hierauf mit dem Daumen eine Schlangenlinie
auf der Bruſt, verbeugt ſich dann tief und auch dieſe
Bewegungen werden von ſämmtlichen Theilnehmern
des Zuges nachgeahmt. Hierauf ſchwenkt derſelbe links¬
um in der Richtung des Dolmen ab, auf ihn ſtellt
Urhixidur feierlich ihren großen Topf, ſein Inhalt
muß hochbedeutend ſein, wenn er an dieſem Orte
ruhen darf; ihr gegenüber ſetzt der Greis, der im
Zuge neben ihr gieng, ſeinen Napf auf das andere
Ende des Steintiſchs, zieht das Holzhalfter aus dem
Gürtel und nimmt daraus einige dünne, kurze, ſpitze
weiße Beinchen, die er pünktlich nebeneinander auflegt.
Beide bleiben neben dem Altare ſtehen, die Kinder
ſtellen ſich ihm gegenüber in einem Halbkreis auf und
inmitten des freien Raums ernſt und feierlich der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/213>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.