Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

pünktlichem Gebrauch. Mit Hämmern, Schlegeln muß
es dürftig ausgesehen haben; es finden sich mehrere
Unterkiefer von dem gewaltig großen Bären jener Zeit,
dem Höhlenbären, die sichtbar die Stelle jener Schlag¬
geräthe versehen mußten. Man entdeckt Küchenabfälle:
Fischgräten, Körner von Himbeeren, Erdbeeren, aller¬
hand Knochen; hier ein ungeheurer Rückgratwirbel!
Den kennt man: er stammt vom Ur, der wohl seltener
geworden, aber noch nicht ausgestorben ist; noch ge¬
lingt es wenigstens einmal im Jahr, einen dieser
Riesenochsen in der Grube zu fangen und (langsam
und grausam genug mit den doch immer noch höchst
unvollkommenen Waffen) zu tödten. Stangenstücke
vom Schelch, die Zeugen der Ausgrabung bedurften
keiner Uebersetzung des Worts, noch konnte man,
wiewohl nicht oft, die Wälder vom streifenden
Geweihe des Riesenhirsches rauschen hören; hier ein
Ende zu einem Dolche verarbeitet: "Wir machen
das jetzt feiner," sagte der Finder. Aber halt!
was mag das sein: ein ungeheures Stück von glat¬
tem Bein, rund, es kann nur Zahnbein sein; dort
noch ein Stück, beide gehörten sichtbar zusammen und
ergeben, da sie Massikomur an einander fügt, das
Bruchstück eines riesenhaften Zahns, der hauerartig
aus dem Rachen eines Thiers herausgeragt haben
muß, und zwar zuerst abwärts gebogen, dann nach
oben gekrümmt; das muß ein Thier von fabelhafter

pünktlichem Gebrauch. Mit Hämmern, Schlegeln muß
es dürftig ausgeſehen haben; es finden ſich mehrere
Unterkiefer von dem gewaltig großen Bären jener Zeit,
dem Höhlenbären, die ſichtbar die Stelle jener Schlag¬
geräthe verſehen mußten. Man entdeckt Küchenabfälle:
Fiſchgräten, Körner von Himbeeren, Erdbeeren, aller¬
hand Knochen; hier ein ungeheurer Rückgratwirbel!
Den kennt man: er ſtammt vom Ur, der wohl ſeltener
geworden, aber noch nicht ausgeſtorben iſt; noch ge¬
lingt es wenigſtens einmal im Jahr, einen dieſer
Rieſenochſen in der Grube zu fangen und (langſam
und grauſam genug mit den doch immer noch höchſt
unvollkommenen Waffen) zu tödten. Stangenſtücke
vom Schelch, die Zeugen der Ausgrabung bedurften
keiner Ueberſetzung des Worts, noch konnte man,
wiewohl nicht oft, die Wälder vom ſtreifenden
Geweihe des Rieſenhirſches rauſchen hören; hier ein
Ende zu einem Dolche verarbeitet: „Wir machen
das jetzt feiner,“ ſagte der Finder. Aber halt!
was mag das ſein: ein ungeheures Stück von glat¬
tem Bein, rund, es kann nur Zahnbein ſein; dort
noch ein Stück, beide gehörten ſichtbar zuſammen und
ergeben, da ſie Maſſikomur an einander fügt, das
Bruchſtück eines rieſenhaften Zahns, der hauerartig
aus dem Rachen eines Thiers herausgeragt haben
muß, und zwar zuerſt abwärts gebogen, dann nach
oben gekrümmt; das muß ein Thier von fabelhafter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="176"/>
pünktlichem Gebrauch. Mit Hämmern, Schlegeln muß<lb/>
es dürftig ausge&#x017F;ehen haben; es finden &#x017F;ich mehrere<lb/>
Unterkiefer von dem gewaltig großen Bären jener Zeit,<lb/>
dem Höhlenbären, die &#x017F;ichtbar die Stelle jener Schlag¬<lb/>
geräthe ver&#x017F;ehen mußten. Man entdeckt Küchenabfälle:<lb/>
Fi&#x017F;chgräten, Körner von Himbeeren, Erdbeeren, aller¬<lb/>
hand Knochen; hier ein ungeheurer Rückgratwirbel!<lb/>
Den kennt man: er &#x017F;tammt vom Ur, der wohl &#x017F;eltener<lb/>
geworden, aber noch nicht ausge&#x017F;torben i&#x017F;t; noch ge¬<lb/>
lingt es wenig&#x017F;tens einmal im Jahr, einen die&#x017F;er<lb/>
Rie&#x017F;enoch&#x017F;en in der Grube zu fangen und (lang&#x017F;am<lb/>
und grau&#x017F;am genug mit den doch immer noch höch&#x017F;t<lb/>
unvollkommenen Waffen) zu tödten. Stangen&#x017F;tücke<lb/>
vom Schelch, die Zeugen der Ausgrabung bedurften<lb/>
keiner Ueber&#x017F;etzung des Worts, noch konnte man,<lb/>
wiewohl nicht oft, die Wälder vom &#x017F;treifenden<lb/>
Geweihe des Rie&#x017F;enhir&#x017F;ches rau&#x017F;chen hören; hier ein<lb/>
Ende zu einem Dolche verarbeitet: &#x201E;Wir machen<lb/>
das jetzt feiner,&#x201C; &#x017F;agte der Finder. Aber halt!<lb/>
was mag das &#x017F;ein: ein ungeheures Stück von glat¬<lb/>
tem Bein, rund, es kann nur Zahnbein &#x017F;ein; dort<lb/>
noch ein Stück, beide gehörten &#x017F;ichtbar zu&#x017F;ammen und<lb/>
ergeben, da &#x017F;ie Ma&#x017F;&#x017F;ikomur an einander fügt, das<lb/>
Bruch&#x017F;tück eines rie&#x017F;enhaften Zahns, der hauerartig<lb/>
aus dem Rachen eines Thiers herausgeragt haben<lb/>
muß, und zwar zuer&#x017F;t abwärts gebogen, dann nach<lb/>
oben gekrümmt; das muß ein Thier von fabelhafter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0189] pünktlichem Gebrauch. Mit Hämmern, Schlegeln muß es dürftig ausgeſehen haben; es finden ſich mehrere Unterkiefer von dem gewaltig großen Bären jener Zeit, dem Höhlenbären, die ſichtbar die Stelle jener Schlag¬ geräthe verſehen mußten. Man entdeckt Küchenabfälle: Fiſchgräten, Körner von Himbeeren, Erdbeeren, aller¬ hand Knochen; hier ein ungeheurer Rückgratwirbel! Den kennt man: er ſtammt vom Ur, der wohl ſeltener geworden, aber noch nicht ausgeſtorben iſt; noch ge¬ lingt es wenigſtens einmal im Jahr, einen dieſer Rieſenochſen in der Grube zu fangen und (langſam und grauſam genug mit den doch immer noch höchſt unvollkommenen Waffen) zu tödten. Stangenſtücke vom Schelch, die Zeugen der Ausgrabung bedurften keiner Ueberſetzung des Worts, noch konnte man, wiewohl nicht oft, die Wälder vom ſtreifenden Geweihe des Rieſenhirſches rauſchen hören; hier ein Ende zu einem Dolche verarbeitet: „Wir machen das jetzt feiner,“ ſagte der Finder. Aber halt! was mag das ſein: ein ungeheures Stück von glat¬ tem Bein, rund, es kann nur Zahnbein ſein; dort noch ein Stück, beide gehörten ſichtbar zuſammen und ergeben, da ſie Maſſikomur an einander fügt, das Bruchſtück eines rieſenhaften Zahns, der hauerartig aus dem Rachen eines Thiers herausgeragt haben muß, und zwar zuerſt abwärts gebogen, dann nach oben gekrümmt; das muß ein Thier von fabelhafter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/189
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/189>, abgerufen am 04.12.2024.