Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

aber auch mit Nächstem zu geben bereit sind. Darauf
legten besonderes Gewicht ein paar Alte, an deren
Athmungswerkzeugen diese Art von organischer Er¬
schütterung allerdings in regelmäßiger Wiederholung
von Pause zu Pause zu bemerken war: sie liefen zum
Druiden und gaben ihm Alles an, was unheimliche
Bedenken über den Ankömmling erregte, und mit wichtig
aufgezogenen Augenbrauen betonten sie vor Allem
das letztere bedeutungsschwere Phänomen oder viel¬
mehr Nichtphänomen. Der Druide hatte heut keinen
guten Tag, er war schlecht bei Laune zum Voraus:
nicht bloß, weil er sich am frühen Morgen schon bei
seinem Kaffee hatte ärgern müssen -- eine Erfahrung,
die uns bekanntlich den ganzen Tag zu vergällen ge¬
eignet ist --; nein, es war da noch ein besonderer
Umstand, der ihm die Laune verderbte: die alten
Denunzianten brachten ihm zugleich die Nachricht, daß
auf morgen die zwei Barden angesagt seien, die man
von Turik hergebeten habe, und sie trugen das vor
mit Kopfschütteln und mit Vorwurf in Blick und
Ton. Wir müssen in der Zeit etwas zurückgehen,
dem Leser Licht zu geben.

Die ungewöhnliche Hitze dieses Sommers hatte
einen Theil des Sees trocken gelegt. Ein Pfahlbürger
mit Namen Massikomur, der wie Andere öfters den
Weg zu seinen Aeckern der Abkürzung wegen über
diesen Seegrund nahm, meinte einmal, als er in die

aber auch mit Nächſtem zu geben bereit ſind. Darauf
legten beſonderes Gewicht ein paar Alte, an deren
Athmungswerkzeugen dieſe Art von organiſcher Er¬
ſchütterung allerdings in regelmäßiger Wiederholung
von Pauſe zu Pauſe zu bemerken war: ſie liefen zum
Druiden und gaben ihm Alles an, was unheimliche
Bedenken über den Ankömmling erregte, und mit wichtig
aufgezogenen Augenbrauen betonten ſie vor Allem
das letztere bedeutungsſchwere Phänomen oder viel¬
mehr Nichtphänomen. Der Druide hatte heut keinen
guten Tag, er war ſchlecht bei Laune zum Voraus:
nicht bloß, weil er ſich am frühen Morgen ſchon bei
ſeinem Kaffee hatte ärgern müſſen — eine Erfahrung,
die uns bekanntlich den ganzen Tag zu vergällen ge¬
eignet iſt —; nein, es war da noch ein beſonderer
Umſtand, der ihm die Laune verderbte: die alten
Denunzianten brachten ihm zugleich die Nachricht, daß
auf morgen die zwei Barden angeſagt ſeien, die man
von Turik hergebeten habe, und ſie trugen das vor
mit Kopfſchütteln und mit Vorwurf in Blick und
Ton. Wir müſſen in der Zeit etwas zurückgehen,
dem Leſer Licht zu geben.

Die ungewöhnliche Hitze dieſes Sommers hatte
einen Theil des Sees trocken gelegt. Ein Pfahlbürger
mit Namen Maſſikomur, der wie Andere öfters den
Weg zu ſeinen Aeckern der Abkürzung wegen über
dieſen Seegrund nahm, meinte einmal, als er in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="174"/>
aber auch mit Näch&#x017F;tem zu geben bereit &#x017F;ind. Darauf<lb/>
legten be&#x017F;onderes Gewicht ein paar Alte, an deren<lb/>
Athmungswerkzeugen die&#x017F;e Art von organi&#x017F;cher Er¬<lb/>
&#x017F;chütterung allerdings in regelmäßiger Wiederholung<lb/>
von Pau&#x017F;e zu Pau&#x017F;e zu bemerken war: &#x017F;ie liefen zum<lb/>
Druiden und gaben ihm Alles an, was unheimliche<lb/>
Bedenken über den Ankömmling erregte, und mit wichtig<lb/>
aufgezogenen Augenbrauen betonten &#x017F;ie vor Allem<lb/>
das letztere bedeutungs&#x017F;chwere Phänomen oder viel¬<lb/>
mehr Nichtphänomen. Der Druide hatte heut keinen<lb/>
guten Tag, er war &#x017F;chlecht bei Laune zum Voraus:<lb/>
nicht bloß, weil er &#x017F;ich am frühen Morgen &#x017F;chon bei<lb/>
&#x017F;einem Kaffee hatte ärgern mü&#x017F;&#x017F;en &#x2014; eine Erfahrung,<lb/>
die uns bekanntlich den ganzen Tag zu vergällen ge¬<lb/>
eignet i&#x017F;t &#x2014;; nein, es war da noch ein be&#x017F;onderer<lb/>
Um&#x017F;tand, der ihm die Laune verderbte: die alten<lb/>
Denunzianten brachten ihm zugleich die Nachricht, daß<lb/>
auf morgen die zwei Barden ange&#x017F;agt &#x017F;eien, die man<lb/>
von Turik hergebeten habe, und &#x017F;ie trugen das vor<lb/>
mit Kopf&#x017F;chütteln und mit Vorwurf in Blick und<lb/>
Ton. Wir mü&#x017F;&#x017F;en in der Zeit etwas zurückgehen,<lb/>
dem Le&#x017F;er Licht zu geben.</p><lb/>
        <p>Die ungewöhnliche Hitze die&#x017F;es Sommers hatte<lb/>
einen Theil des Sees trocken gelegt. Ein Pfahlbürger<lb/>
mit Namen Ma&#x017F;&#x017F;ikomur, der wie Andere öfters den<lb/>
Weg zu &#x017F;einen Aeckern der Abkürzung wegen über<lb/>
die&#x017F;en Seegrund nahm, meinte einmal, als er in die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0187] aber auch mit Nächſtem zu geben bereit ſind. Darauf legten beſonderes Gewicht ein paar Alte, an deren Athmungswerkzeugen dieſe Art von organiſcher Er¬ ſchütterung allerdings in regelmäßiger Wiederholung von Pauſe zu Pauſe zu bemerken war: ſie liefen zum Druiden und gaben ihm Alles an, was unheimliche Bedenken über den Ankömmling erregte, und mit wichtig aufgezogenen Augenbrauen betonten ſie vor Allem das letztere bedeutungsſchwere Phänomen oder viel¬ mehr Nichtphänomen. Der Druide hatte heut keinen guten Tag, er war ſchlecht bei Laune zum Voraus: nicht bloß, weil er ſich am frühen Morgen ſchon bei ſeinem Kaffee hatte ärgern müſſen — eine Erfahrung, die uns bekanntlich den ganzen Tag zu vergällen ge¬ eignet iſt —; nein, es war da noch ein beſonderer Umſtand, der ihm die Laune verderbte: die alten Denunzianten brachten ihm zugleich die Nachricht, daß auf morgen die zwei Barden angeſagt ſeien, die man von Turik hergebeten habe, und ſie trugen das vor mit Kopfſchütteln und mit Vorwurf in Blick und Ton. Wir müſſen in der Zeit etwas zurückgehen, dem Leſer Licht zu geben. Die ungewöhnliche Hitze dieſes Sommers hatte einen Theil des Sees trocken gelegt. Ein Pfahlbürger mit Namen Maſſikomur, der wie Andere öfters den Weg zu ſeinen Aeckern der Abkürzung wegen über dieſen Seegrund nahm, meinte einmal, als er in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/187
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/187>, abgerufen am 19.05.2024.