Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern Geschäfte geworden wie überall, wo ein Volk
zum Ackerbau vorgeschritten ist. Und da wollte es
einen Mann auf dem Platze; das haben wir aus Al¬
pin's Bärenkampf ersehen, und außer den Bären gab
es nicht nur Wölfe, sondern noch andere, nicht die
Heerde, aber den Hirten bedrohende schreckliche Feinde,
deren einer uns im Verlauf dieser Geschichte begegnen
wird. Schon darum konnte der Hirtenstand nicht
verachtet sein, aber er war es ohnedieß nicht, sondern
etwas Ehrwürdiges. Und Alpin war ein kleiner König.
Er selbst hatte sich das ernsthafte, geruhige, genährige,
stille Rind vorbehalten, unter ihm stand ein Roßhirt,
ein Schafhirt, ein Ziegenhirt und ein Schweinshirt,
den zwar kein Homer den göttlichen Sauhirt Eumaios
nannte, den aber die Welt doch nicht minder in Ehren
hielt, als seine Kollegen, und diese untergeordneten
Herrscher hatten sich wie der Regent selbst noch Hülfs¬
kräfte in Form von anstelligen Buben herbeigezogen.
Die erwähnte Gefahr brachte es mit sich, daß der
Hirte oft in den Jäger übergieng, aber darum war
er nicht Jäger von Handwerk. Auch die Jagd, ob¬
wohl Jedermann nebenher auch jagte, forderte schon
einen besondern Stand. Der gelegentliche Kampf
gegen die vielen starken und wilden Feinde im Thier¬
reich konnte nicht ausreichen, sie mußten verfolgt wer¬
den und da bedurfte es ausdrücklich zu diesem Zwecke
geübter List und Kraft; auch liebte man sehr das

Vischer, Auch Einer. I. 10

ſondern Geſchäfte geworden wie überall, wo ein Volk
zum Ackerbau vorgeſchritten iſt. Und da wollte es
einen Mann auf dem Platze; das haben wir aus Al¬
pin's Bärenkampf erſehen, und außer den Bären gab
es nicht nur Wölfe, ſondern noch andere, nicht die
Heerde, aber den Hirten bedrohende ſchreckliche Feinde,
deren einer uns im Verlauf dieſer Geſchichte begegnen
wird. Schon darum konnte der Hirtenſtand nicht
verachtet ſein, aber er war es ohnedieß nicht, ſondern
etwas Ehrwürdiges. Und Alpin war ein kleiner König.
Er ſelbſt hatte ſich das ernſthafte, geruhige, genährige,
ſtille Rind vorbehalten, unter ihm ſtand ein Roßhirt,
ein Schafhirt, ein Ziegenhirt und ein Schweinshirt,
den zwar kein Homer den göttlichen Sauhirt Eumaios
nannte, den aber die Welt doch nicht minder in Ehren
hielt, als ſeine Kollegen, und dieſe untergeordneten
Herrſcher hatten ſich wie der Regent ſelbſt noch Hülfs¬
kräfte in Form von anſtelligen Buben herbeigezogen.
Die erwähnte Gefahr brachte es mit ſich, daß der
Hirte oft in den Jäger übergieng, aber darum war
er nicht Jäger von Handwerk. Auch die Jagd, ob¬
wohl Jedermann nebenher auch jagte, forderte ſchon
einen beſondern Stand. Der gelegentliche Kampf
gegen die vielen ſtarken und wilden Feinde im Thier¬
reich konnte nicht ausreichen, ſie mußten verfolgt wer¬
den und da bedurfte es ausdrücklich zu dieſem Zwecke
geübter Liſt und Kraft; auch liebte man ſehr das

Viſcher, Auch Einer. I. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0158" n="145"/>
&#x017F;ondern Ge&#x017F;chäfte geworden wie überall, wo ein Volk<lb/>
zum Ackerbau vorge&#x017F;chritten i&#x017F;t. Und da wollte es<lb/>
einen Mann auf dem Platze; das haben wir aus Al¬<lb/>
pin's Bärenkampf er&#x017F;ehen, und außer den Bären gab<lb/>
es nicht nur Wölfe, &#x017F;ondern noch andere, nicht die<lb/>
Heerde, aber den Hirten bedrohende &#x017F;chreckliche Feinde,<lb/>
deren einer uns im Verlauf die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte begegnen<lb/>
wird. Schon darum konnte der Hirten&#x017F;tand nicht<lb/>
verachtet &#x017F;ein, aber er war es ohnedieß nicht, &#x017F;ondern<lb/>
etwas Ehrwürdiges. Und Alpin war ein kleiner König.<lb/>
Er &#x017F;elb&#x017F;t hatte &#x017F;ich das ern&#x017F;thafte, geruhige, genährige,<lb/>
&#x017F;tille Rind vorbehalten, unter ihm &#x017F;tand ein Roßhirt,<lb/>
ein Schafhirt, ein Ziegenhirt und ein Schweinshirt,<lb/>
den zwar kein Homer den göttlichen Sauhirt Eumaios<lb/>
nannte, den aber die Welt doch nicht minder in Ehren<lb/>
hielt, als &#x017F;eine Kollegen, und die&#x017F;e untergeordneten<lb/>
Herr&#x017F;cher hatten &#x017F;ich wie der Regent &#x017F;elb&#x017F;t noch Hülfs¬<lb/>
kräfte in Form von an&#x017F;telligen Buben herbeigezogen.<lb/>
Die erwähnte Gefahr brachte es mit &#x017F;ich, daß der<lb/>
Hirte oft in den Jäger übergieng, aber darum war<lb/>
er nicht Jäger von Handwerk. Auch die Jagd, ob¬<lb/>
wohl Jedermann nebenher auch jagte, forderte &#x017F;chon<lb/>
einen be&#x017F;ondern Stand. Der gelegentliche Kampf<lb/>
gegen die vielen &#x017F;tarken und wilden Feinde im Thier¬<lb/>
reich konnte nicht ausreichen, &#x017F;ie mußten verfolgt wer¬<lb/>
den und da bedurfte es ausdrücklich zu die&#x017F;em Zwecke<lb/>
geübter Li&#x017F;t und Kraft; auch liebte man &#x017F;ehr das<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Vi&#x017F;cher</hi>, Auch Einer. <hi rendition="#aq">I</hi>. 10<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0158] ſondern Geſchäfte geworden wie überall, wo ein Volk zum Ackerbau vorgeſchritten iſt. Und da wollte es einen Mann auf dem Platze; das haben wir aus Al¬ pin's Bärenkampf erſehen, und außer den Bären gab es nicht nur Wölfe, ſondern noch andere, nicht die Heerde, aber den Hirten bedrohende ſchreckliche Feinde, deren einer uns im Verlauf dieſer Geſchichte begegnen wird. Schon darum konnte der Hirtenſtand nicht verachtet ſein, aber er war es ohnedieß nicht, ſondern etwas Ehrwürdiges. Und Alpin war ein kleiner König. Er ſelbſt hatte ſich das ernſthafte, geruhige, genährige, ſtille Rind vorbehalten, unter ihm ſtand ein Roßhirt, ein Schafhirt, ein Ziegenhirt und ein Schweinshirt, den zwar kein Homer den göttlichen Sauhirt Eumaios nannte, den aber die Welt doch nicht minder in Ehren hielt, als ſeine Kollegen, und dieſe untergeordneten Herrſcher hatten ſich wie der Regent ſelbſt noch Hülfs¬ kräfte in Form von anſtelligen Buben herbeigezogen. Die erwähnte Gefahr brachte es mit ſich, daß der Hirte oft in den Jäger übergieng, aber darum war er nicht Jäger von Handwerk. Auch die Jagd, ob¬ wohl Jedermann nebenher auch jagte, forderte ſchon einen beſondern Stand. Der gelegentliche Kampf gegen die vielen ſtarken und wilden Feinde im Thier¬ reich konnte nicht ausreichen, ſie mußten verfolgt wer¬ den und da bedurfte es ausdrücklich zu dieſem Zwecke geübter Liſt und Kraft; auch liebte man ſehr das Viſcher, Auch Einer. I. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/158
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/158>, abgerufen am 04.12.2024.