geschlossene, aus ihm (in der Regel) frei herausschwingende Luftsäule in Bewegung, und sie haben daher wie jenes den runden, vollen, hellen, weichern Ton, wie er sowohl der Construction des Instruments als der Natur des Elements (der Luftsäule) entspricht; sie schallen und hallen einer- seits nicht dermaaßen frei wie Schlag- und Reißinstrumente, sie "tönen" andrerseits nicht so gebunden und gedämpft wie die Streichorgane, sondern sie "klingen" geschlossen und hell zugleich. Dieß Alles jedoch wiederum mit mannigfaltigsten Unterschieden, indem namentlich die Rohrblasorgane von den Blechinstrumenten sich sehr wesentlich unterscheiden. Haucht die Menschen- stimme in der Regel einfach ihre Töne aus, so thun am ähnlichsten Dasselbe die Pfeife und die Flöte. Ein Luftstrom wird in den geradlinig geformten, fest mit Holz oder Metall umschlossenen, meist runden, weitern oder engern, aber nie so sehr, daß ein eigentlich acuter Ton entstände, schmalen Raum einfach hineingehaucht und strömt aus ihm frei wieder aus; so entsteht ein immer geschlossener und gerundeter, in der Tiefe allerdings dumpferer, in der Höhe allerdings schärferer, aber wesentlich doch einfach heller, mühelos weicher, spannungsfreier, milder Ton, nicht eben sehr scharf, intensiv, charakter- und bedeutungsvoll, sondern im Verhältniß zu andern weniger besagend (daher das Cherubini zugeschriebene Wort, daß etwas noch ennuyiren- der sei als Eine Flöte, nämlich zwei), aber lieblich, zart, rührend, elegisch, ideal durch ihre gleichsam unkörperliche Weichheit; "unser Geist", läßt der Dichter sie sagen, "ist himmelblau, führt Dich in die blaue Ferne, zarte Klänge locken Dich im Gemisch von andern Tönen, lieblich sprechen wir hinein, wenn die andern munter singen, deuten blaue Berge, Wolken, lieben Himmel sanft Dir an, wie der letzte leise Grund hinter grünen frischen Bäumen"; weniger direct gilt dieß Alles von der unfeinern Pfeife, von dem lustig schrillenden Piccolo, aber es findet auch auf sie seine An- wendung, auch sie haben das Helle und auch das Weiche der ungehemmt singenden Menschenstimme. -- Die Einseitigkeit der Flöte, die an's Charak- terlose streifende Rundung und Weichheit, verlangt einen Gegensatz; neben dem Idealen und einfach Gefälligen muß auch das Subjective, das Charak- teristische, Ausdrucksreiche, Scharfe, Naturalistische vertreten sein; dieß bietet sich dar in der Oboe. In ihr ist die Erzeugung und Qualität des Tones eine ganz andere; der Luftstrom muß durch ein zusammengepreßt vibriren- des Mundstück hindurch; damit wird ihm das Runde, Flüssige, Ruhige des Flötenklanges genommen, er wird gepreßt und zitternd und erhält zugleich den Charakter eines theils materiell getrübtern, theils dünnern und spitzern Tones, vergleichbar einem durch die einander genäherten Lippen mehr her- vorgeblasenen, herausgedrückten als frei herausgehauchten und durch diese Beengung des Luftstromes der idealen Klanghelligkeit schon ziemlich beraubten, näselnd gewordenen Tones. Die Oboe "klingt" auch noch, aber nicht mehr
geſchloſſene, aus ihm (in der Regel) frei herausſchwingende Luftſäule in Bewegung, und ſie haben daher wie jenes den runden, vollen, hellen, weichern Ton, wie er ſowohl der Conſtruction des Inſtruments als der Natur des Elements (der Luftſäule) entſpricht; ſie ſchallen und hallen einer- ſeits nicht dermaaßen frei wie Schlag- und Reißinſtrumente, ſie „tönen“ andrerſeits nicht ſo gebunden und gedämpft wie die Streichorgane, ſondern ſie „klingen“ geſchloſſen und hell zugleich. Dieß Alles jedoch wiederum mit mannigfaltigſten Unterſchieden, indem namentlich die Rohrblasorgane von den Blechinſtrumenten ſich ſehr weſentlich unterſcheiden. Haucht die Menſchen- ſtimme in der Regel einfach ihre Töne aus, ſo thun am ähnlichſten Daſſelbe die Pfeife und die Flöte. Ein Luftſtrom wird in den geradlinig geformten, feſt mit Holz oder Metall umſchloſſenen, meiſt runden, weitern oder engern, aber nie ſo ſehr, daß ein eigentlich acuter Ton entſtände, ſchmalen Raum einfach hineingehaucht und ſtrömt aus ihm frei wieder aus; ſo entſteht ein immer geſchloſſener und gerundeter, in der Tiefe allerdings dumpferer, in der Höhe allerdings ſchärferer, aber weſentlich doch einfach heller, mühelos weicher, ſpannungsfreier, milder Ton, nicht eben ſehr ſcharf, intenſiv, charakter- und bedeutungsvoll, ſondern im Verhältniß zu andern weniger beſagend (daher das Cherubini zugeſchriebene Wort, daß etwas noch ennuyiren- der ſei als Eine Flöte, nämlich zwei), aber lieblich, zart, rührend, elegiſch, ideal durch ihre gleichſam unkörperliche Weichheit; „unſer Geiſt“, läßt der Dichter ſie ſagen, „iſt himmelblau, führt Dich in die blaue Ferne, zarte Klänge locken Dich im Gemiſch von andern Tönen, lieblich ſprechen wir hinein, wenn die andern munter ſingen, deuten blaue Berge, Wolken, lieben Himmel ſanft Dir an, wie der letzte leiſe Grund hinter grünen friſchen Bäumen“; weniger direct gilt dieß Alles von der unfeinern Pfeife, von dem luſtig ſchrillenden Piccolo, aber es findet auch auf ſie ſeine An- wendung, auch ſie haben das Helle und auch das Weiche der ungehemmt ſingenden Menſchenſtimme. — Die Einſeitigkeit der Flöte, die an’s Charak- terloſe ſtreifende Rundung und Weichheit, verlangt einen Gegenſatz; neben dem Idealen und einfach Gefälligen muß auch das Subjective, das Charak- teriſtiſche, Ausdrucksreiche, Scharfe, Naturaliſtiſche vertreten ſein; dieß bietet ſich dar in der Oboe. In ihr iſt die Erzeugung und Qualität des Tones eine ganz andere; der Luftſtrom muß durch ein zuſammengepreßt vibriren- des Mundſtück hindurch; damit wird ihm das Runde, Flüſſige, Ruhige des Flötenklanges genommen, er wird gepreßt und zitternd und erhält zugleich den Charakter eines theils materiell getrübtern, theils dünnern und ſpitzern Tones, vergleichbar einem durch die einander genäherten Lippen mehr her- vorgeblaſenen, herausgedrückten als frei herausgehauchten und durch dieſe Beengung des Luftſtromes der idealen Klanghelligkeit ſchon ziemlich beraubten, näſelnd gewordenen Tones. Die Oboe „klingt“ auch noch, aber nicht mehr
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weichern Ton, wie er ſowohl der Conſtruction des Inſtruments als der
Natur des Elements (der Luftſäule) entſpricht; ſie ſchallen und hallen einer-
ſeits nicht dermaaßen frei wie Schlag- und Reißinſtrumente, ſie „tönen“
andrerſeits nicht ſo gebunden und gedämpft wie die Streichorgane, ſondern
ſie „klingen“ geſchloſſen und hell zugleich. Dieß Alles jedoch wiederum mit
mannigfaltigſten Unterſchieden, indem namentlich die Rohrblasorgane von
den Blechinſtrumenten ſich ſehr weſentlich unterſcheiden. Haucht die Menſchen-
ſtimme in der Regel einfach ihre Töne aus, ſo thun am ähnlichſten Daſſelbe
die Pfeife und die Flöte. Ein Luftſtrom wird in den geradlinig geformten,
feſt mit Holz oder Metall umſchloſſenen, meiſt runden, weitern oder engern,
aber nie ſo ſehr, daß ein eigentlich acuter Ton entſtände, ſchmalen Raum
einfach hineingehaucht und ſtrömt aus ihm frei wieder aus; ſo entſteht ein
immer geſchloſſener und gerundeter, in der Tiefe allerdings dumpferer, in
der Höhe allerdings ſchärferer, aber weſentlich doch einfach heller, mühelos
weicher, ſpannungsfreier, milder Ton, nicht eben ſehr ſcharf, intenſiv,
charakter- und bedeutungsvoll, ſondern im Verhältniß zu andern weniger
beſagend (daher das Cherubini zugeſchriebene Wort, daß etwas noch ennuyiren-
der ſei als Eine Flöte, nämlich zwei), aber lieblich, zart, rührend, elegiſch,
ideal durch ihre gleichſam unkörperliche Weichheit; „unſer Geiſt“, läßt der
Dichter ſie ſagen, „iſt himmelblau, führt Dich in die blaue Ferne, zarte
Klänge locken Dich im Gemiſch von andern Tönen, lieblich ſprechen wir
hinein, wenn die andern munter ſingen, deuten blaue Berge, Wolken,
lieben Himmel ſanft Dir an, wie der letzte leiſe Grund hinter grünen
friſchen Bäumen“; weniger direct gilt dieß Alles von der unfeinern Pfeife,
von dem luſtig ſchrillenden Piccolo, aber es findet auch auf ſie ſeine An-
wendung, auch ſie haben das Helle und auch das Weiche der ungehemmt
ſingenden Menſchenſtimme. — Die Einſeitigkeit der Flöte, die an’s Charak-
terloſe ſtreifende Rundung und Weichheit, verlangt einen Gegenſatz; neben
dem Idealen und einfach Gefälligen muß auch das Subjective, das Charak-
teriſtiſche, Ausdrucksreiche, Scharfe, Naturaliſtiſche vertreten ſein; dieß bietet
ſich dar in der Oboe. In ihr iſt die Erzeugung und Qualität des Tones
eine ganz andere; der Luftſtrom muß durch ein zuſammengepreßt vibriren-
des Mundſtück hindurch; damit wird ihm das Runde, Flüſſige, Ruhige des
Flötenklanges genommen, er wird gepreßt und zitternd und erhält zugleich
den Charakter eines theils materiell getrübtern, theils dünnern und ſpitzern
Tones, vergleichbar einem durch die einander genäherten Lippen mehr her-
vorgeblaſenen, herausgedrückten als frei herausgehauchten und durch dieſe
Beengung des Luftſtromes der idealen Klanghelligkeit ſchon ziemlich beraubten,
näſelnd gewordenen Tones. Die Oboe „klingt“ auch noch, aber nicht mehr
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 1025. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/263>, abgerufen am 25.11.2024.
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