die wenigen Körper, welche theilweise rein schwarz erscheinen müssen; die reine Negation des Lichts ist das Ende einer Kunst, welche überall auf- zeigenden Charakter hat und im Aufzeigen zugleich wie alles Schöne har- monisch wirken soll; die schweren, breiten Schattenklötze, dem grellen Lichte gegenübergeworfen, sind rohe Renommage der Manieristen. Im Schat- ten ist also Einzelnes zu beleuchten, sei es durch Streiflichter, welche mit scharfer Punctualität die Bahn des Lichts im Dunkel festhalten, durch spielende Lichter, die sich zwischen Fenstern und Gezweigen hereinstehlen und die Form ihres Einfallspuncts in den Schatten einzeichnen, Durch- sichten aus dem Dunkel in das Lichte u. s. w., sei es durch bedeutendere Theile, welche in die Beleuchtung hereinragen. Zu den verschiedenen For- men der Brechung des Dunkels gehört namentlich auch das doppelte Licht, worüber in §. 244, 2. das Wesentliche gesagt ist. Alle hier erwähnten Mittel des Uebergangs sind nun, obwohl an sich zum Theil von zarter und feiner Art, noch als die stärkeren anzusehen und können relativ selbst wieder starke Contraste bilden. Sie lassen sich allerdings von der andern Art der Vermittlung nicht abstract getrennt denken, mit welcher erst das Zarteste beginnt und worin erst jene Verarbeitung der noch rohen Naturfrische des Gegenstands durch den künstlerischen Geist sich in ihrer ganzen Feinheit zeigen soll; es ist dieß das ganze Reich der unbestimm- baren Abstufungen des Schattens, von denen die Ausdrücke: Halb- und Mittelschatten nur auf Gerathewohl einen ungefähren Theil zu unbestimmter Bezeichnung herausfangen, der Reflexe, des Durchsichtigen, des Helldunkels. Die Bedeutung dieses ahnungsvoll spielenden Zwi- schenreichs ist in §. 243 und 245 ausgesprochen und dann bei einzelnen bestimmten Erscheinungen des Naturschönen, so namentlich bei dem Was- ser das Durchsichtige und der Reflex, wieder berührt; ohnedieß sind alle diese Erscheinungen bei der Farbe erst in ihrer ganzen Wirkung wieder aufzunehmen. Von diesem Gebiete ist nun aber noch die letzte, zarteste Form der Verschmelzung aller Gegensätze zu unterscheiden, jene bestimmte Art von Abdämpfung nämlich, die man Ton nennt: Einzelnes ist noch zu licht, schreit aus seiner Umgebung hervor, Anderes sticht in zu starkem Dunkel ab, der Ton, der sich darüber legt, stellt erst die einheitliche Stim- mung zunächst in den Theilen des Bildes, dann als Hauptton im ganzen Bilde her. Er ist das Geistigste in dieser Sphäre des künstlerischen Verfahrens, die Stimmung ist die Spitze der Behandlung der allge- meinen Medien, die alles Gestaltete umfassen und umfluthen. Die Licht- und Schattengebung hat auch hier das Ihrige noch ohne die Farbe zu thun: heiße, kühle, kalte, heitere, matte, trübe, finstere Stimmung legt sie mit ihren, die Farbe wie eine noch verhüllte Kraft andeutenden Mitteln über eine Scene oder Landschaft.
die wenigen Körper, welche theilweiſe rein ſchwarz erſcheinen müſſen; die reine Negation des Lichts iſt das Ende einer Kunſt, welche überall auf- zeigenden Charakter hat und im Aufzeigen zugleich wie alles Schöne har- moniſch wirken ſoll; die ſchweren, breiten Schattenklötze, dem grellen Lichte gegenübergeworfen, ſind rohe Renommage der Manieriſten. Im Schat- ten iſt alſo Einzelnes zu beleuchten, ſei es durch Streiflichter, welche mit ſcharfer Punctualität die Bahn des Lichts im Dunkel feſthalten, durch ſpielende Lichter, die ſich zwiſchen Fenſtern und Gezweigen hereinſtehlen und die Form ihres Einfallspuncts in den Schatten einzeichnen, Durch- ſichten aus dem Dunkel in das Lichte u. ſ. w., ſei es durch bedeutendere Theile, welche in die Beleuchtung hereinragen. Zu den verſchiedenen For- men der Brechung des Dunkels gehört namentlich auch das doppelte Licht, worüber in §. 244, 2. das Weſentliche geſagt iſt. Alle hier erwähnten Mittel des Uebergangs ſind nun, obwohl an ſich zum Theil von zarter und feiner Art, noch als die ſtärkeren anzuſehen und können relativ ſelbſt wieder ſtarke Contraſte bilden. Sie laſſen ſich allerdings von der andern Art der Vermittlung nicht abſtract getrennt denken, mit welcher erſt das Zarteſte beginnt und worin erſt jene Verarbeitung der noch rohen Naturfriſche des Gegenſtands durch den künſtleriſchen Geiſt ſich in ihrer ganzen Feinheit zeigen ſoll; es iſt dieß das ganze Reich der unbeſtimm- baren Abſtufungen des Schattens, von denen die Ausdrücke: Halb- und Mittelſchatten nur auf Gerathewohl einen ungefähren Theil zu unbeſtimmter Bezeichnung herausfangen, der Reflexe, des Durchſichtigen, des Helldunkels. Die Bedeutung dieſes ahnungsvoll ſpielenden Zwi- ſchenreichs iſt in §. 243 und 245 ausgeſprochen und dann bei einzelnen beſtimmten Erſcheinungen des Naturſchönen, ſo namentlich bei dem Waſ- ſer das Durchſichtige und der Reflex, wieder berührt; ohnedieß ſind alle dieſe Erſcheinungen bei der Farbe erſt in ihrer ganzen Wirkung wieder aufzunehmen. Von dieſem Gebiete iſt nun aber noch die letzte, zarteſte Form der Verſchmelzung aller Gegenſätze zu unterſcheiden, jene beſtimmte Art von Abdämpfung nämlich, die man Ton nennt: Einzelnes iſt noch zu licht, ſchreit aus ſeiner Umgebung hervor, Anderes ſticht in zu ſtarkem Dunkel ab, der Ton, der ſich darüber legt, ſtellt erſt die einheitliche Stim- mung zunächſt in den Theilen des Bildes, dann als Hauptton im ganzen Bilde her. Er iſt das Geiſtigſte in dieſer Sphäre des künſtleriſchen Verfahrens, die Stimmung iſt die Spitze der Behandlung der allge- meinen Medien, die alles Geſtaltete umfaſſen und umfluthen. Die Licht- und Schattengebung hat auch hier das Ihrige noch ohne die Farbe zu thun: heiße, kühle, kalte, heitere, matte, trübe, finſtere Stimmung legt ſie mit ihren, die Farbe wie eine noch verhüllte Kraft andeutenden Mitteln über eine Scene oder Landſchaft.
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die wenigen Körper, welche theilweiſe rein ſchwarz erſcheinen müſſen; die
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zeigenden Charakter hat und im Aufzeigen zugleich wie alles Schöne har-
moniſch wirken ſoll; die ſchweren, breiten Schattenklötze, dem grellen Lichte
gegenübergeworfen, ſind rohe Renommage der Manieriſten. Im Schat-
ten iſt alſo Einzelnes zu beleuchten, ſei es durch Streiflichter, welche mit
ſcharfer Punctualität die Bahn des Lichts im Dunkel feſthalten, durch
ſpielende Lichter, die ſich zwiſchen Fenſtern und Gezweigen hereinſtehlen
und die Form ihres Einfallspuncts in den Schatten einzeichnen, Durch-
ſichten aus dem Dunkel in das Lichte u. ſ. w., ſei es durch bedeutendere
Theile, welche in die Beleuchtung hereinragen. Zu den verſchiedenen For-
men der Brechung des Dunkels gehört namentlich auch das doppelte Licht,
worüber in §. 244, 2. das Weſentliche geſagt iſt. Alle hier erwähnten
Mittel des Uebergangs ſind nun, obwohl an ſich zum Theil von zarter
und feiner Art, noch als die ſtärkeren anzuſehen und können relativ ſelbſt
wieder ſtarke Contraſte bilden. Sie laſſen ſich allerdings von der andern
Art der Vermittlung nicht abſtract getrennt denken, mit welcher erſt das
Zarteſte beginnt und worin erſt jene Verarbeitung der noch rohen
Naturfriſche des Gegenſtands durch den künſtleriſchen Geiſt ſich in ihrer
ganzen Feinheit zeigen ſoll; es iſt dieß das ganze Reich der unbeſtimm-
baren Abſtufungen des Schattens, von denen die Ausdrücke: Halb-
und Mittelſchatten nur auf Gerathewohl einen ungefähren Theil zu
unbeſtimmter Bezeichnung herausfangen, der Reflexe, des Durchſichtigen,
des Helldunkels. Die Bedeutung dieſes ahnungsvoll ſpielenden Zwi-
ſchenreichs iſt in §. 243 und 245 ausgeſprochen und dann bei einzelnen
beſtimmten Erſcheinungen des Naturſchönen, ſo namentlich bei dem Waſ-
ſer das Durchſichtige und der Reflex, wieder berührt; ohnedieß ſind alle
dieſe Erſcheinungen bei der Farbe erſt in ihrer ganzen Wirkung wieder
aufzunehmen. Von dieſem Gebiete iſt nun aber noch die letzte, zarteſte
Form der Verſchmelzung aller Gegenſätze zu unterſcheiden, jene beſtimmte
Art von Abdämpfung nämlich, die man Ton nennt: Einzelnes iſt noch
zu licht, ſchreit aus ſeiner Umgebung hervor, Anderes ſticht in zu ſtarkem
Dunkel ab, der Ton, der ſich darüber legt, ſtellt erſt die einheitliche Stim-
mung zunächſt in den Theilen des Bildes, dann als Hauptton im ganzen
Bilde her. Er iſt das Geiſtigſte in dieſer Sphäre des künſtleriſchen
Verfahrens, die Stimmung iſt die Spitze der Behandlung der allge-
meinen Medien, die alles Geſtaltete umfaſſen und umfluthen. Die Licht-
und Schattengebung hat auch hier das Ihrige noch ohne die Farbe zu
thun: heiße, kühle, kalte, heitere, matte, trübe, finſtere Stimmung legt ſie
mit ihren, die Farbe wie eine noch verhüllte Kraft andeutenden Mitteln
über eine Scene oder Landſchaft.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/66>, abgerufen am 05.07.2024.
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