Composition in verschiedene Verhältnisse zu einander treten können, daß jene in verschiedenen Graden, irgendwie immer, wiewohl niemals bis zur ab- soluten Unterdrückung die Selbständigkeit ihrer Geltung an diese verliert. Daher vertheilt sich denn in der Lehre von der Malerei, was über die Composition zu sagen ist, an zwei Stellen: ein Haupttheil davon ist schon in dem Abschnitt über Schattengebung und Farbe enthalten, indem dort gezeigt werden mußte, durch welche Mittel die Harmonie in dieser Be- ziehung zu bewerkstelligen ist; der andere Theil aber, der hier folgt, ist mehr negativ, als positiv, und hat vor Allem darzuthun, daß und warum über die lineare Seite der Composition nur Weniges festzustellen übrig bleibt. Gewisse ungefähre Bestimmungen müssen jedoch möglich sein und wir werden dieselben aufsuchen, nachdem erst ein Punct beleuchtet ist, aus welchem sich noch weitere Einschränkungen ergeben.
Zum Schluß ist hier noch ein Wort über Schleiermachers Behaup- tung zu sagen, daß es überall auf den Gegenstand nicht ankomme. Er hat den Werth des Stoffs im Verhältniß zum Werthe der Form überhaupt im Auge; diese Frage ist eigentlich eine andere, als die, wovon es sich hier handelt: man mag von jenem Verhältniß im Allgemeinen denken wie man will, so kann man doch anerkennen, daß im Gemälde die Ge- genstände mehr Bedeutung haben, als Schleiermacher ihnen zuschreibt, denn dabei handelt es sich, wie schon gesagt, von gar keinem stoffartigen Interesse, das diesen Gegenständen beigelegt würde, als ob der Anschauende nun mit Liebe oder Haß dem Inhalte des Dargestellten sich zuwenden und darüber die Kunstform vergessen sollte, sondern es handelt sich von mehr oder weniger Geltung der Gegenstände als gestalteter Körper ganz innerhalb der Kunstform und des reinen Kunst-Interesses gegenüber der Geltung der allgemeinen Medien. Man könnte ja Schleiermacher vor- werfen, er wende nun dieser Seite, da er alles Gewicht auf sie allein legt, ein pathologisches Interesse zu, allein dieß wäre eine Erschleichung, denn er hat sich nur darin geirrt, daß er durch Verschleppung einer all- gemeinen Frage gegen die eine der zwei Seiten eines rein ästhetischen Verhältnisses ungerecht geworden ist. Weil aber allerdings in der Farbe ein Anreiz zu pathologischer Wirkung überhaupt nahe liegt, so mag über diese allgemeine Frage, obwohl wir sie längst hinter uns haben, hier noch einmal ausdrücklich auf §. 15, Anm. 1, §. 19 Schluß d. Anm., §. 55, Anm. 2, auf die zweimal aufgenommene Darstellung des Verhältnisses des Schönen zum Guten und Wahren, ferner auf §. 236, Anm. 3, §. 381, Anm. 2, §. 393, Anm. 1 verwiesen werden, um in Erinnerung zu bringen, in welchem Sinne das Object, d. h. der Gehaltwerth des Stoffs im Schönen nie- mals gleichgültig sein kann. Dieser Gehaltwerth geht in die reine Form auf, es ist aber nicht gleichgültig, was aufgegangen ist. Der Maler kann
Compoſition in verſchiedene Verhältniſſe zu einander treten können, daß jene in verſchiedenen Graden, irgendwie immer, wiewohl niemals bis zur ab- ſoluten Unterdrückung die Selbſtändigkeit ihrer Geltung an dieſe verliert. Daher vertheilt ſich denn in der Lehre von der Malerei, was über die Compoſition zu ſagen iſt, an zwei Stellen: ein Haupttheil davon iſt ſchon in dem Abſchnitt über Schattengebung und Farbe enthalten, indem dort gezeigt werden mußte, durch welche Mittel die Harmonie in dieſer Be- ziehung zu bewerkſtelligen iſt; der andere Theil aber, der hier folgt, iſt mehr negativ, als poſitiv, und hat vor Allem darzuthun, daß und warum über die lineare Seite der Compoſition nur Weniges feſtzuſtellen übrig bleibt. Gewiſſe ungefähre Beſtimmungen müſſen jedoch möglich ſein und wir werden dieſelben aufſuchen, nachdem erſt ein Punct beleuchtet iſt, aus welchem ſich noch weitere Einſchränkungen ergeben.
Zum Schluß iſt hier noch ein Wort über Schleiermachers Behaup- tung zu ſagen, daß es überall auf den Gegenſtand nicht ankomme. Er hat den Werth des Stoffs im Verhältniß zum Werthe der Form überhaupt im Auge; dieſe Frage iſt eigentlich eine andere, als die, wovon es ſich hier handelt: man mag von jenem Verhältniß im Allgemeinen denken wie man will, ſo kann man doch anerkennen, daß im Gemälde die Ge- genſtände mehr Bedeutung haben, als Schleiermacher ihnen zuſchreibt, denn dabei handelt es ſich, wie ſchon geſagt, von gar keinem ſtoffartigen Intereſſe, das dieſen Gegenſtänden beigelegt würde, als ob der Anſchauende nun mit Liebe oder Haß dem Inhalte des Dargeſtellten ſich zuwenden und darüber die Kunſtform vergeſſen ſollte, ſondern es handelt ſich von mehr oder weniger Geltung der Gegenſtände als geſtalteter Körper ganz innerhalb der Kunſtform und des reinen Kunſt-Intereſſes gegenüber der Geltung der allgemeinen Medien. Man könnte ja Schleiermacher vor- werfen, er wende nun dieſer Seite, da er alles Gewicht auf ſie allein legt, ein pathologiſches Intereſſe zu, allein dieß wäre eine Erſchleichung, denn er hat ſich nur darin geirrt, daß er durch Verſchleppung einer all- gemeinen Frage gegen die eine der zwei Seiten eines rein äſthetiſchen Verhältniſſes ungerecht geworden iſt. Weil aber allerdings in der Farbe ein Anreiz zu pathologiſcher Wirkung überhaupt nahe liegt, ſo mag über dieſe allgemeine Frage, obwohl wir ſie längſt hinter uns haben, hier noch einmal ausdrücklich auf §. 15, Anm. 1, §. 19 Schluß d. Anm., §. 55, Anm. 2, auf die zweimal aufgenommene Darſtellung des Verhältniſſes des Schönen zum Guten und Wahren, ferner auf §. 236, Anm. 3, §. 381, Anm. 2, §. 393, Anm. 1 verwieſen werden, um in Erinnerung zu bringen, in welchem Sinne das Object, d. h. der Gehaltwerth des Stoffs im Schönen nie- mals gleichgültig ſein kann. Dieſer Gehaltwerth geht in die reine Form auf, es iſt aber nicht gleichgültig, was aufgegangen iſt. Der Maler kann
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Compoſition in verſchiedene Verhältniſſe zu einander treten können, daß jene
in verſchiedenen Graden, irgendwie immer, wiewohl niemals bis zur ab-
ſoluten Unterdrückung die Selbſtändigkeit ihrer Geltung an dieſe verliert.
Daher vertheilt ſich denn in der Lehre von der Malerei, was über die
Compoſition zu ſagen iſt, an zwei Stellen: ein Haupttheil davon iſt ſchon
in dem Abſchnitt über Schattengebung und Farbe enthalten, indem dort
gezeigt werden mußte, durch welche Mittel die Harmonie in dieſer Be-
ziehung zu bewerkſtelligen iſt; der andere Theil aber, der hier folgt, iſt
mehr negativ, als poſitiv, und hat vor Allem darzuthun, daß und warum
über die lineare Seite der Compoſition nur Weniges feſtzuſtellen übrig
bleibt. Gewiſſe ungefähre Beſtimmungen müſſen jedoch möglich ſein und
wir werden dieſelben aufſuchen, nachdem erſt ein Punct beleuchtet iſt, aus
welchem ſich noch weitere Einſchränkungen ergeben.
Zum Schluß iſt hier noch ein Wort über Schleiermachers Behaup-
tung zu ſagen, daß es überall auf den Gegenſtand nicht ankomme. Er
hat den Werth des Stoffs im Verhältniß zum Werthe der Form überhaupt
im Auge; dieſe Frage iſt eigentlich eine andere, als die, wovon es ſich
hier handelt: man mag von jenem Verhältniß im Allgemeinen denken
wie man will, ſo kann man doch anerkennen, daß im Gemälde die Ge-
genſtände mehr Bedeutung haben, als Schleiermacher ihnen zuſchreibt,
denn dabei handelt es ſich, wie ſchon geſagt, von gar keinem ſtoffartigen
Intereſſe, das dieſen Gegenſtänden beigelegt würde, als ob der Anſchauende
nun mit Liebe oder Haß dem Inhalte des Dargeſtellten ſich zuwenden
und darüber die Kunſtform vergeſſen ſollte, ſondern es handelt ſich von
mehr oder weniger Geltung der Gegenſtände als geſtalteter Körper ganz
innerhalb der Kunſtform und des reinen Kunſt-Intereſſes gegenüber der
Geltung der allgemeinen Medien. Man könnte ja Schleiermacher vor-
werfen, er wende nun dieſer Seite, da er alles Gewicht auf ſie allein
legt, ein pathologiſches Intereſſe zu, allein dieß wäre eine Erſchleichung,
denn er hat ſich nur darin geirrt, daß er durch Verſchleppung einer all-
gemeinen Frage gegen die eine der zwei Seiten eines rein äſthetiſchen
Verhältniſſes ungerecht geworden iſt. Weil aber allerdings in der Farbe
ein Anreiz zu pathologiſcher Wirkung überhaupt nahe liegt, ſo mag über
dieſe allgemeine Frage, obwohl wir ſie längſt hinter uns haben, hier noch
einmal ausdrücklich auf §. 15, Anm. 1, §. 19 Schluß d. Anm., §. 55, Anm. 2,
auf die zweimal aufgenommene Darſtellung des Verhältniſſes des Schönen
zum Guten und Wahren, ferner auf §. 236, Anm. 3, §. 381, Anm. 2, §. 393,
Anm. 1 verwieſen werden, um in Erinnerung zu bringen, in welchem
Sinne das Object, d. h. der Gehaltwerth des Stoffs im Schönen nie-
mals gleichgültig ſein kann. Dieſer Gehaltwerth geht in die reine Form
auf, es iſt aber nicht gleichgültig, was aufgegangen iſt. Der Maler kann
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/121>, abgerufen am 27.07.2024.
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