Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
das Uebrige, was noch Relief sein soll, in seiner Wirkung als solches zerstört.
das Uebrige, was noch Relief ſein ſoll, in ſeiner Wirkung als ſolches zerſtört. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0068" n="394"/> das Uebrige, was noch Relief ſein ſoll, in ſeiner Wirkung als ſolches zerſtört.<lb/> Das Figuren-Gedränge ſpäterer, römiſcher Reliefs können wir nicht als<lb/> eine berechtigte zweite Form dieſes Zweigs anerkennen, wie neuerdings geſchehen<lb/> iſt. Der Bildner muß zufolge dieſen Bedingungen ſeine Figuren ſo viel als<lb/> möglich mehr nebeneinander, als in die Tiefe hintereinander treten laſſen und<lb/> obwohl ihm dieß immer noch erlaubt, ſie in Kampf oder anderer Hand-<lb/> lung einander nicht nur gegenüberzuſtellen, ſondern bis auf einen gewiſſen<lb/> Grad auch zu verſchlingen und ſo z. B. ein in einzelne Kämpfergruppen<lb/> aufgelöstes Schlachtgewühl aufzurollen, ſo wird doch das Natürlichſte ſein,<lb/> wenn er als Stoff für ſeine Darſtellung ein reihenweiſes Auftreten, wie<lb/> in Prozeſſionen, wählt. Das Relief iſt weſentlich ein Streifen, plaſtiſche<lb/> Entwicklung des bloßen Ornaments, das architektoniſche Flächen umſäumt, und<lb/> wohl möglich, daß, wie alle Verſchlußzierden auf die Kunſt der Weberei<lb/> zurückweiſen (vergl. §. 573 Anm.), ſo auch jene älteſten ägyptiſchen Um-<lb/> riſſe eine Nachbildung von Gewobenem, Gewirktem, Geſticktem ſind,<lb/> worin wir denn überhaupt den Anfang der Malerei zu ſuchen hätten.<lb/> Es iſt alſo namentlich der Fries, dem ſich das Relief verbindet; die Me-<lb/> topen ſind einzelne Felder, die aber in ihrer Wiederholung ebenfalls einen<lb/> Streifen darſtellen, und wie an das Bauwerk legen ſich ſolche Streifen<lb/> an Sarkophage, Throne, Piedeſtale und an Gefäße, Geräthe (z. B.<lb/> Schilde), wo ſie endlich zu der Kleinheit der Figuren heruntergehen, bei<lb/> welcher die monumentale Kunſt der bloßen Zierplaſtik weicht. — Wir<lb/> haben alſo jetzt das Geſetz der Wenigkeit der Figuren zwar ſich erweitern<lb/> ſehen, doch nur in einer Weiſe, welche uns an der gegenwärtigen Stelle unſerer<lb/> Erörterung geringen Zuwachs zeigt, vielmehr, wie dieß am Anfang dieſer<lb/> Anm. von einer andern Art reicher Figuren-Aufreihung geſagt iſt, nach<lb/> einer Seite, die erſt im weitern Verlauf zur Sprache kommen kann, der<lb/> Compoſition nämlich, hinweist und zwar jener cykliſchen, wo es ſich nicht<lb/> um Ein geſchloſſenes Kunſtwerk handelt, ſondern der Zuſchauer ſich fort-<lb/> bewegend von Kunſtwerk zu Kunſtwerk, endlich eine Summe von Kunſt-<lb/> werken zu einem größeren, von Einem fruchtbaren Gedanken beherrſchten<lb/> Ganzen ſich zuſammenſtellen ſieht. So folgen ſich im Streifen des Relief<lb/> mäßige Gruppen oder einzelne Figuren, deren keine mit der andern eng<lb/> verflochten iſt, der ganze Streifen geſellt ſich zu freiem Bildwerk und<lb/> beide vereinigen ſich mit dem ganzen Bau und ſeiner übrigen Ausſtattung<lb/> zu einer geiſtigen Einheit. Das an Figurenzahl ſo eben Gewonnene ent-<lb/> flieht uns unter der Hand in die Längenrichtung und läuft in dieſen weit-<lb/> ſchichtigern Zuſammenhang fort. Das Relief hat allerdings ſeine, wenn<lb/> auch lockere, Compoſitions-Einheit, aber als Ganzes im größeren Zu-<lb/> ſammenhang behält es dieſen fortleitenden, weiter führenden Charakter.</hi> </p> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [394/0068]
das Uebrige, was noch Relief ſein ſoll, in ſeiner Wirkung als ſolches zerſtört.
Das Figuren-Gedränge ſpäterer, römiſcher Reliefs können wir nicht als
eine berechtigte zweite Form dieſes Zweigs anerkennen, wie neuerdings geſchehen
iſt. Der Bildner muß zufolge dieſen Bedingungen ſeine Figuren ſo viel als
möglich mehr nebeneinander, als in die Tiefe hintereinander treten laſſen und
obwohl ihm dieß immer noch erlaubt, ſie in Kampf oder anderer Hand-
lung einander nicht nur gegenüberzuſtellen, ſondern bis auf einen gewiſſen
Grad auch zu verſchlingen und ſo z. B. ein in einzelne Kämpfergruppen
aufgelöstes Schlachtgewühl aufzurollen, ſo wird doch das Natürlichſte ſein,
wenn er als Stoff für ſeine Darſtellung ein reihenweiſes Auftreten, wie
in Prozeſſionen, wählt. Das Relief iſt weſentlich ein Streifen, plaſtiſche
Entwicklung des bloßen Ornaments, das architektoniſche Flächen umſäumt, und
wohl möglich, daß, wie alle Verſchlußzierden auf die Kunſt der Weberei
zurückweiſen (vergl. §. 573 Anm.), ſo auch jene älteſten ägyptiſchen Um-
riſſe eine Nachbildung von Gewobenem, Gewirktem, Geſticktem ſind,
worin wir denn überhaupt den Anfang der Malerei zu ſuchen hätten.
Es iſt alſo namentlich der Fries, dem ſich das Relief verbindet; die Me-
topen ſind einzelne Felder, die aber in ihrer Wiederholung ebenfalls einen
Streifen darſtellen, und wie an das Bauwerk legen ſich ſolche Streifen
an Sarkophage, Throne, Piedeſtale und an Gefäße, Geräthe (z. B.
Schilde), wo ſie endlich zu der Kleinheit der Figuren heruntergehen, bei
welcher die monumentale Kunſt der bloßen Zierplaſtik weicht. — Wir
haben alſo jetzt das Geſetz der Wenigkeit der Figuren zwar ſich erweitern
ſehen, doch nur in einer Weiſe, welche uns an der gegenwärtigen Stelle unſerer
Erörterung geringen Zuwachs zeigt, vielmehr, wie dieß am Anfang dieſer
Anm. von einer andern Art reicher Figuren-Aufreihung geſagt iſt, nach
einer Seite, die erſt im weitern Verlauf zur Sprache kommen kann, der
Compoſition nämlich, hinweist und zwar jener cykliſchen, wo es ſich nicht
um Ein geſchloſſenes Kunſtwerk handelt, ſondern der Zuſchauer ſich fort-
bewegend von Kunſtwerk zu Kunſtwerk, endlich eine Summe von Kunſt-
werken zu einem größeren, von Einem fruchtbaren Gedanken beherrſchten
Ganzen ſich zuſammenſtellen ſieht. So folgen ſich im Streifen des Relief
mäßige Gruppen oder einzelne Figuren, deren keine mit der andern eng
verflochten iſt, der ganze Streifen geſellt ſich zu freiem Bildwerk und
beide vereinigen ſich mit dem ganzen Bau und ſeiner übrigen Ausſtattung
zu einer geiſtigen Einheit. Das an Figurenzahl ſo eben Gewonnene ent-
flieht uns unter der Hand in die Längenrichtung und läuft in dieſen weit-
ſchichtigern Zuſammenhang fort. Das Relief hat allerdings ſeine, wenn
auch lockere, Compoſitions-Einheit, aber als Ganzes im größeren Zu-
ſammenhang behält es dieſen fortleitenden, weiter führenden Charakter.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |