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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.

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zugleich wachsartig, todtenhaft, und die völlige Glättung, die sich bei
diesem Stoffe von selbst ergibt, verschwemmt die Formen in demselben
Schillerglanz, den wir schon oben getadelt. Aus vielen Stücken muß das
Gebilde über einem hölzernen Kerne gefügt werden und ist daher sehr
vergänglich. Spröd und trocken trotz diesem Glanze bedarf es einer He-
bung und Belebung durch ein Material von dem energisch farbigen Glanze
des edlen Metalls. Die Verbindung mit Gold liegt schon aus diesem
Grund nahe. In Wahrheit aber handelt es sich noch um ein Anderes:
nämlich auch hier und gerade hier ganz besonders um den Werth, um die
Kostbarkeit des Materials an sich. Wenn die Griechen aus der Zeit vor
Perikles die Liebe zu chryselephantinen Werken in die Blüthe ihrer Kunst
herübernahmen, so wirkte darin zunächst das nicht rein künstlerische Cultus-
Motiv, die Gottheit durch das Kostbarste zu ehren, was man ihr darbrin-
gen konnte; zugleich galt es, die großen Siege über die Perser zu ver-
herrlichen, den Aufschwung Athens, den Reichthum der Siegesbeute zu
entfalten. In diese religiösen, geschichtlichen Bedingungen legte sich nun
der erhabenste Kunststyl und wuchs mit ihnen in jenen berühmten Werken
des Phidias und Polyklet zu einem Ganzen zusammen, wie ein solches
nicht wiederkehren kann; die Nachahmungen in der makedonischen Zeit
und bei den Römern trifft aller aus dem strengen Prinzip oben abgeleitete
Tadel, dem die großen Meister entweichen, indem sie den bloßen Stoff-
werth durch den höchsten Kunstwerth verklären, wie der Adelige, der
seinen Geburtsadel in Seelenadel aufhebt. Bildwerke ganz aus Gold
oder Silber leiten dagegen den Blick so ungetheilt auf den Stoffwerth,
daß eine solche Plastik sich unmittelbar als nicht reine Kunst, als Dienst
des Luxus erweist, mag er mehr im Naturell liegen, wie im Orient,
oder die Frucht später Ueberbildung sein, wie im römischen Kaiserreich.
Ihr wahres Gebiet hat eine solche Technik in der Zierplastik, auf die sich
auch die Arbeit in Elfenbein zurückziehen mußte. Als das jenen richtigen
Bedingungen entsprechende Material bleibt uns nur Erz und dauerhafter
Stein ohne spezifische Farbe, d. h. Steinarten von bescheidenem,
grauem, graugrünlichem, gelblichem, röthlichem Tone wie Tuffstein
und verschiedene Sandsteine, namentlich aber der rein weiße edle Kalkstein,
der im engern Sinn Marmor heißt. Jene Arten gruppiren sich durch
ihren gedämpften Farbenton mit dem Erze zusammen, dem man
durch verschiedene Mischungen verschiedenes Colorit geben kann, das
aber in den gewöhnlichen Bindungsverhältnissen des Zinns und
Kupfers im Allgemeinen einen braungelblichen Ton hat und aus dem
gelungenen Gusse mit einem matten goldähnlichen Glanze hervorgeht,
dem die Griechen durch eine etwas dunklere Mischung etwas von dem
Sonnegebräunten Farbenton der griechischen Körper gaben. Vergoldung

zugleich wachsartig, todtenhaft, und die völlige Glättung, die ſich bei
dieſem Stoffe von ſelbſt ergibt, verſchwemmt die Formen in demſelben
Schillerglanz, den wir ſchon oben getadelt. Aus vielen Stücken muß das
Gebilde über einem hölzernen Kerne gefügt werden und iſt daher ſehr
vergänglich. Spröd und trocken trotz dieſem Glanze bedarf es einer He-
bung und Belebung durch ein Material von dem energiſch farbigen Glanze
des edlen Metalls. Die Verbindung mit Gold liegt ſchon aus dieſem
Grund nahe. In Wahrheit aber handelt es ſich noch um ein Anderes:
nämlich auch hier und gerade hier ganz beſonders um den Werth, um die
Koſtbarkeit des Materials an ſich. Wenn die Griechen aus der Zeit vor
Perikles die Liebe zu chryſelephantinen Werken in die Blüthe ihrer Kunſt
herübernahmen, ſo wirkte darin zunächſt das nicht rein künſtleriſche Cultus-
Motiv, die Gottheit durch das Koſtbarſte zu ehren, was man ihr darbrin-
gen konnte; zugleich galt es, die großen Siege über die Perſer zu ver-
herrlichen, den Aufſchwung Athens, den Reichthum der Siegesbeute zu
entfalten. In dieſe religiöſen, geſchichtlichen Bedingungen legte ſich nun
der erhabenſte Kunſtſtyl und wuchs mit ihnen in jenen berühmten Werken
des Phidias und Polyklet zu einem Ganzen zuſammen, wie ein ſolches
nicht wiederkehren kann; die Nachahmungen in der makedoniſchen Zeit
und bei den Römern trifft aller aus dem ſtrengen Prinzip oben abgeleitete
Tadel, dem die großen Meiſter entweichen, indem ſie den bloßen Stoff-
werth durch den höchſten Kunſtwerth verklären, wie der Adelige, der
ſeinen Geburtsadel in Seelenadel aufhebt. Bildwerke ganz aus Gold
oder Silber leiten dagegen den Blick ſo ungetheilt auf den Stoffwerth,
daß eine ſolche Plaſtik ſich unmittelbar als nicht reine Kunſt, als Dienſt
des Luxus erweist, mag er mehr im Naturell liegen, wie im Orient,
oder die Frucht ſpäter Ueberbildung ſein, wie im römiſchen Kaiſerreich.
Ihr wahres Gebiet hat eine ſolche Technik in der Zierplaſtik, auf die ſich
auch die Arbeit in Elfenbein zurückziehen mußte. Als das jenen richtigen
Bedingungen entſprechende Material bleibt uns nur Erz und dauerhafter
Stein ohne ſpezifiſche Farbe, d. h. Steinarten von beſcheidenem,
grauem, graugrünlichem, gelblichem, röthlichem Tone wie Tuffſtein
und verſchiedene Sandſteine, namentlich aber der rein weiße edle Kalkſtein,
der im engern Sinn Marmor heißt. Jene Arten gruppiren ſich durch
ihren gedämpften Farbenton mit dem Erze zuſammen, dem man
durch verſchiedene Miſchungen verſchiedenes Colorit geben kann, das
aber in den gewöhnlichen Bindungsverhältniſſen des Zinns und
Kupfers im Allgemeinen einen braungelblichen Ton hat und aus dem
gelungenen Guſſe mit einem matten goldähnlichen Glanze hervorgeht,
dem die Griechen durch eine etwas dunklere Miſchung etwas von dem
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[374/0048] zugleich wachsartig, todtenhaft, und die völlige Glättung, die ſich bei dieſem Stoffe von ſelbſt ergibt, verſchwemmt die Formen in demſelben Schillerglanz, den wir ſchon oben getadelt. Aus vielen Stücken muß das Gebilde über einem hölzernen Kerne gefügt werden und iſt daher ſehr vergänglich. Spröd und trocken trotz dieſem Glanze bedarf es einer He- bung und Belebung durch ein Material von dem energiſch farbigen Glanze des edlen Metalls. Die Verbindung mit Gold liegt ſchon aus dieſem Grund nahe. In Wahrheit aber handelt es ſich noch um ein Anderes: nämlich auch hier und gerade hier ganz beſonders um den Werth, um die Koſtbarkeit des Materials an ſich. Wenn die Griechen aus der Zeit vor Perikles die Liebe zu chryſelephantinen Werken in die Blüthe ihrer Kunſt herübernahmen, ſo wirkte darin zunächſt das nicht rein künſtleriſche Cultus- Motiv, die Gottheit durch das Koſtbarſte zu ehren, was man ihr darbrin- gen konnte; zugleich galt es, die großen Siege über die Perſer zu ver- herrlichen, den Aufſchwung Athens, den Reichthum der Siegesbeute zu entfalten. In dieſe religiöſen, geſchichtlichen Bedingungen legte ſich nun der erhabenſte Kunſtſtyl und wuchs mit ihnen in jenen berühmten Werken des Phidias und Polyklet zu einem Ganzen zuſammen, wie ein ſolches nicht wiederkehren kann; die Nachahmungen in der makedoniſchen Zeit und bei den Römern trifft aller aus dem ſtrengen Prinzip oben abgeleitete Tadel, dem die großen Meiſter entweichen, indem ſie den bloßen Stoff- werth durch den höchſten Kunſtwerth verklären, wie der Adelige, der ſeinen Geburtsadel in Seelenadel aufhebt. Bildwerke ganz aus Gold oder Silber leiten dagegen den Blick ſo ungetheilt auf den Stoffwerth, daß eine ſolche Plaſtik ſich unmittelbar als nicht reine Kunſt, als Dienſt des Luxus erweist, mag er mehr im Naturell liegen, wie im Orient, oder die Frucht ſpäter Ueberbildung ſein, wie im römiſchen Kaiſerreich. Ihr wahres Gebiet hat eine ſolche Technik in der Zierplaſtik, auf die ſich auch die Arbeit in Elfenbein zurückziehen mußte. Als das jenen richtigen Bedingungen entſprechende Material bleibt uns nur Erz und dauerhafter Stein ohne ſpezifiſche Farbe, d. h. Steinarten von beſcheidenem, grauem, graugrünlichem, gelblichem, röthlichem Tone wie Tuffſtein und verſchiedene Sandſteine, namentlich aber der rein weiße edle Kalkſtein, der im engern Sinn Marmor heißt. Jene Arten gruppiren ſich durch ihren gedämpften Farbenton mit dem Erze zuſammen, dem man durch verſchiedene Miſchungen verſchiedenes Colorit geben kann, das aber in den gewöhnlichen Bindungsverhältniſſen des Zinns und Kupfers im Allgemeinen einen braungelblichen Ton hat und aus dem gelungenen Guſſe mit einem matten goldähnlichen Glanze hervorgeht, dem die Griechen durch eine etwas dunklere Miſchung etwas von dem Sonnegebräunten Farbenton der griechiſchen Körper gaben. Vergoldung

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030202_1853/48>, abgerufen am 21.11.2024.