Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
Kunstwerke dienlich. Die entsprechenden Stoffe sind vielmehr das Erz und der Es muß der Ordnung und Klarheit wegen eine Reihe von Momen- Vischer's Aesthetik. 3. Band. 25
Kunſtwerke dienlich. Die entſprechenden Stoffe ſind vielmehr das Erz und der Es muß der Ordnung und Klarheit wegen eine Reihe von Momen- Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 25
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Kunſtwerke dienlich. Die entſprechenden Stoffe ſind vielmehr das Erz und der
leichter zu bearbeitende Stein von einfachem Farbenton, vor Allem aber der weiße
Marmar; die erſteren eignen ſich mehr für die Darſtellung reell beſtimmter
Naturen, dieſer für das reine Ideal.
Es muß der Ordnung und Klarheit wegen eine Reihe von Momen-
ten der äußeren Beſtimmtheit von ſolchen unterſchieden werden, die der
innern Beſtimmtheit der Bildnerkunſt angehören. Daß dieſe Unterſchei-
dung nur eine relative iſt, folgt aus allem Bisherigen und wird ſich an
jedem einzelnen Momente noch deutlicher zeigen; berechtigt iſt ſie aber
dennoch, denn in der erſten Reihe gehen wir überall von außen nach in-
nen, in der zweiten aber fließt jede Beſtimmtheit unmittelbar aus dem
Innern; jene ſetzt einen äußern Rahmen feſt, der aber überall nach in-
nen weist, dieſe füllt den Rahmen von innen heraus. In der ſo ange-
ordneten genaueren Zerlegung kommt zuerſt die äußere Beſtimmtheit im
engſten Sinne, die Qualität des Materials, an die Reihe. In den Be-
dingungen, wie ſie der §. aufſtellt, unterſcheidet ſich leicht: ein Zuwenig,
eine rechte, poſitive Mitte und ein Zuviel. Wir nehmen die Mitte, die
poſitive Forderung, ſogleich heraus und erklären ſie näher. So wie die
dargeſtellte Schwere des organiſch Lebendigen mit der gemein realen
Schwere des Materials an ſich nichts zu ſchaffen hat, doch aber dieſe in
jener verhüllt mitwiegt, ſo geht auch Textur und Farbe des Stoffs die
darzuſtellende Form nichts und doch viel an. Das warme Fleiſch- und
Hautleben, der fließende Gewandſtoff kann mit dem todten harten Körper,
dem nur ein Schein der lebendigen Form durch eine Bearbeitung, welche
ſeine Grenzlinie beſtimmt, übergeworfen werden ſoll, vorerſt nichts zu
thun haben. In der That aber haben die äußerſten Linien des organiſch
Lebendigen eine Weichheit, eine Lockerung, einen ſammtenen Anflug, der
dem taſtenden Sehen das warme Leben, ſeinen Hauch und Athem, ſeine
Geſchmeidigkeit, ſein nach außen ſtrömendes ſtilles inneres Gähren zu
fühlen gibt, und auch die künſtliche Bedeckung wird auf der Oberfläche
die innere Fügung des Stoffs kund geben, wodurch das Gewand dem
lebendigen Seelenbau beweglich ſich anſchmiegt und folgt oder ihn als
härtere Schaale deckt. Es leuchtet ein, daß dieſe Beſtimmtheit der Ober-
fläche durch Meißel und Gußform nicht nachgebildet werden kann, wenn
ihnen das Material nicht durch die Art ſeines Gefüges irgendwie ent-
gegenkommt. Die Haut hat aber auch eine gewiſſe Durchſichtigkeit; die
Bildnerkunſt kann von derſelben, obwohl dieſe Qualität aus dem Reiche
der reinen Form bereits in ein anderes hinüberführt, nicht völlig abſtrahi-
ren, denn die feſten Formen ſelbſt würden anders geſehen werden, wenn
nicht jener Schimmer des annähernd Durchſichtigen ſich über ſie ausbrei-
Viſcher’s Aeſthetik. 3. Band. 25
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