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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.

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der Ausführung seine Hand zurückzuziehen. Nur von einem Theile: er
leitet die Ausführung nicht blos, aber sie hat eine rohere, eine handwerks-
mäßige Hälfte, das erste Zuhauen des Steins aus dem Groben;
diesen Theil überläßt der Künstler dem bloßen Techniker, obwohl er ihn
selbst gelernt haben, verstehen muß. Dagegen macht sich die concrete Ein-
heit der Idee und der Form, zu welcher sich die Kunst als Plastik erho-
ben hat, schon in dem völlig veränderten Umfang der Vorarbeit geltend:
der Künstler entwirft nicht blos einen Riß, sondern er führt ihn auch im
Modell aus; es fällt also auf die Seite der Erfindung selbst eine, ob-
wohl nur vorläufige, Ausführung, und zwar deßwegen, weil es sich in
dieser Kunst von einer durch und durch beseelten Form handelt, welche
erfordert, daß sie als Ganzes von der Künstlernatur hergestellt werde,
deren erfindender Geist in den fühlenden Finger, unter der Ausführung
immer noch abwägend, ändernd, bessernd in Einem ununterbrochenen Flusse
übergehen muß. Aber auch die Ausführung kann nicht als Ganzes dem
bloßen Techniker überlassen werden; wo das Feinere, der Sitz der Schön-
heit in der äußersten Linie, der Hauch des Lebens, der Beseelung beginnt,
hat der Künstler selbst die Hand anzulegen. Wenn also in der Baukunst
zwei Momente, Erfindung und Ausführung, nur durch das Band der
Leitung der letztern von Seiten des Künstlers verbunden, einander gegen-
übertreten, sind es hier drei Momente: das erste die Erfindung sammt
der vorläufigen Ausführung, das dritte der ächt künstlerische Theil der
Ausführung, beide Momente Sache des Künstlers, das zweite der grö-
bere anfängliche Theil der Ausführung, geleitet vom Künstler und vorge-
nommen nach dem Muster seines Modells mit Hülfe des dem architekto-
nischen Messen noch sehr verwandten Mittels des Punctirens. Also hier
zwei Extreme, worin der Künstler thätig ist, und diese nehmen das Mo-
ment der bloß äußeren Technik, inniger am Bande der Kunst gehalten, in
die Mitte. Bei dem Gusse verändert sich die Sache einigermaßen: der
Künstler muß das Modell sorgfältiger ausführen, weil er es an den Gie-
ßer abgibt, der es nicht, wie dort der Steinmetz, nur theilweise, sondern
so vollständig ausführt, daß dem Künstler nur wenig am Einzelnen zu
thun übrig bleibt. Das dritte Moment ist daher unbedeutender, das erste
umfaßt eine ausführlichere Thätigkeit des Künstlers, das zweite dagegen
ist weniger handwerksmäßig, denn der den Guß zurichtende und leitende
Techniker muß, wo nicht der erfindende Künstler selbst, doch ungleich mehr
Künstler sein, als der aus dem Groben arbeitende Gehülfe des Bildhauers.
Dagegen zerfällt die Thätigkeit auf dieser Seite noch einmal in zwei Sei-
ten: der Gießer-Meister ist mehr nur leitend und braucht selbst wieder
bloße Techniker zu Gehülfen.


der Ausführung ſeine Hand zurückzuziehen. Nur von einem Theile: er
leitet die Ausführung nicht blos, aber ſie hat eine rohere, eine handwerks-
mäßige Hälfte, das erſte Zuhauen des Steins aus dem Groben;
dieſen Theil überläßt der Künſtler dem bloßen Techniker, obwohl er ihn
ſelbſt gelernt haben, verſtehen muß. Dagegen macht ſich die concrete Ein-
heit der Idee und der Form, zu welcher ſich die Kunſt als Plaſtik erho-
ben hat, ſchon in dem völlig veränderten Umfang der Vorarbeit geltend:
der Künſtler entwirft nicht blos einen Riß, ſondern er führt ihn auch im
Modell aus; es fällt alſo auf die Seite der Erfindung ſelbſt eine, ob-
wohl nur vorläufige, Ausführung, und zwar deßwegen, weil es ſich in
dieſer Kunſt von einer durch und durch beſeelten Form handelt, welche
erfordert, daß ſie als Ganzes von der Künſtlernatur hergeſtellt werde,
deren erfindender Geiſt in den fühlenden Finger, unter der Ausführung
immer noch abwägend, ändernd, beſſernd in Einem ununterbrochenen Fluſſe
übergehen muß. Aber auch die Ausführung kann nicht als Ganzes dem
bloßen Techniker überlaſſen werden; wo das Feinere, der Sitz der Schön-
heit in der äußerſten Linie, der Hauch des Lebens, der Beſeelung beginnt,
hat der Künſtler ſelbſt die Hand anzulegen. Wenn alſo in der Baukunſt
zwei Momente, Erfindung und Ausführung, nur durch das Band der
Leitung der letztern von Seiten des Künſtlers verbunden, einander gegen-
übertreten, ſind es hier drei Momente: das erſte die Erfindung ſammt
der vorläufigen Ausführung, das dritte der ächt künſtleriſche Theil der
Ausführung, beide Momente Sache des Künſtlers, das zweite der grö-
bere anfängliche Theil der Ausführung, geleitet vom Künſtler und vorge-
nommen nach dem Muſter ſeines Modells mit Hülfe des dem architekto-
niſchen Meſſen noch ſehr verwandten Mittels des Punctirens. Alſo hier
zwei Extreme, worin der Künſtler thätig iſt, und dieſe nehmen das Mo-
ment der bloß äußeren Technik, inniger am Bande der Kunſt gehalten, in
die Mitte. Bei dem Guſſe verändert ſich die Sache einigermaßen: der
Künſtler muß das Modell ſorgfältiger ausführen, weil er es an den Gie-
ßer abgibt, der es nicht, wie dort der Steinmetz, nur theilweiſe, ſondern
ſo vollſtändig ausführt, daß dem Künſtler nur wenig am Einzelnen zu
thun übrig bleibt. Das dritte Moment iſt daher unbedeutender, das erſte
umfaßt eine ausführlichere Thätigkeit des Künſtlers, das zweite dagegen
iſt weniger handwerksmäßig, denn der den Guß zurichtende und leitende
Techniker muß, wo nicht der erfindende Künſtler ſelbſt, doch ungleich mehr
Künſtler ſein, als der aus dem Groben arbeitende Gehülfe des Bildhauers.
Dagegen zerfällt die Thätigkeit auf dieſer Seite noch einmal in zwei Sei-
ten: der Gießer-Meiſter iſt mehr nur leitend und braucht ſelbſt wieder
bloße Techniker zu Gehülfen.


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[353/0027] der Ausführung ſeine Hand zurückzuziehen. Nur von einem Theile: er leitet die Ausführung nicht blos, aber ſie hat eine rohere, eine handwerks- mäßige Hälfte, das erſte Zuhauen des Steins aus dem Groben; dieſen Theil überläßt der Künſtler dem bloßen Techniker, obwohl er ihn ſelbſt gelernt haben, verſtehen muß. Dagegen macht ſich die concrete Ein- heit der Idee und der Form, zu welcher ſich die Kunſt als Plaſtik erho- ben hat, ſchon in dem völlig veränderten Umfang der Vorarbeit geltend: der Künſtler entwirft nicht blos einen Riß, ſondern er führt ihn auch im Modell aus; es fällt alſo auf die Seite der Erfindung ſelbſt eine, ob- wohl nur vorläufige, Ausführung, und zwar deßwegen, weil es ſich in dieſer Kunſt von einer durch und durch beſeelten Form handelt, welche erfordert, daß ſie als Ganzes von der Künſtlernatur hergeſtellt werde, deren erfindender Geiſt in den fühlenden Finger, unter der Ausführung immer noch abwägend, ändernd, beſſernd in Einem ununterbrochenen Fluſſe übergehen muß. Aber auch die Ausführung kann nicht als Ganzes dem bloßen Techniker überlaſſen werden; wo das Feinere, der Sitz der Schön- heit in der äußerſten Linie, der Hauch des Lebens, der Beſeelung beginnt, hat der Künſtler ſelbſt die Hand anzulegen. Wenn alſo in der Baukunſt zwei Momente, Erfindung und Ausführung, nur durch das Band der Leitung der letztern von Seiten des Künſtlers verbunden, einander gegen- übertreten, ſind es hier drei Momente: das erſte die Erfindung ſammt der vorläufigen Ausführung, das dritte der ächt künſtleriſche Theil der Ausführung, beide Momente Sache des Künſtlers, das zweite der grö- bere anfängliche Theil der Ausführung, geleitet vom Künſtler und vorge- nommen nach dem Muſter ſeines Modells mit Hülfe des dem architekto- niſchen Meſſen noch ſehr verwandten Mittels des Punctirens. Alſo hier zwei Extreme, worin der Künſtler thätig iſt, und dieſe nehmen das Mo- ment der bloß äußeren Technik, inniger am Bande der Kunſt gehalten, in die Mitte. Bei dem Guſſe verändert ſich die Sache einigermaßen: der Künſtler muß das Modell ſorgfältiger ausführen, weil er es an den Gie- ßer abgibt, der es nicht, wie dort der Steinmetz, nur theilweiſe, ſondern ſo vollſtändig ausführt, daß dem Künſtler nur wenig am Einzelnen zu thun übrig bleibt. Das dritte Moment iſt daher unbedeutender, das erſte umfaßt eine ausführlichere Thätigkeit des Künſtlers, das zweite dagegen iſt weniger handwerksmäßig, denn der den Guß zurichtende und leitende Techniker muß, wo nicht der erfindende Künſtler ſelbſt, doch ungleich mehr Künſtler ſein, als der aus dem Groben arbeitende Gehülfe des Bildhauers. Dagegen zerfällt die Thätigkeit auf dieſer Seite noch einmal in zwei Sei- ten: der Gießer-Meiſter iſt mehr nur leitend und braucht ſelbſt wieder bloße Techniker zu Gehülfen.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030202_1853/27>, abgerufen am 21.11.2024.