Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853.
zeigen. Wir haben hier das Prinzip des Neben- oder Hintereinander in
zeigen. Wir haben hier das Prinzip des Neben- oder Hintereinander in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0122" n="448"/> zeigen. Wir haben hier das Prinzip des Neben- oder Hintereinander in<lb/> Reihenform. Die einzelne Figur wird zur untergeordneten Compoſitions-<lb/> Einheit. Das Uebergeordnete wird hier noch nicht <hi rendition="#g">höher</hi> ſtehen, ſondern<lb/> nur entweder vornen am Anfang der Reihe, oder mitten, oder als<lb/> abſchließendes Bedeutendſtes zu hinterſt. Es unterſcheiden ſich nun ver-<lb/> ſchiedene Formen der innern Verbindung dieſer Reihen. Die lockerſte<lb/> Verbindung iſt bloße Zuſammenſtellung ohne alle Handlung. Hier ziehen<lb/> ſich die Momente der Compoſition ganz architektur-artig in den bloßen<lb/> Begriff der Symmetrie zuſammen. Die Figuren ſelbſt ſind verſchieden in<lb/> Charakter, Formen, Kleidung, wohl auch in Bewegung, doch nicht bedeu-<lb/> tend; dieß iſt die einzige Form des Contraſts, die zunächſt freilich weit<lb/> über dem Architektoniſchen ſteht; die allgemeine Einheit, die über dieſe Ver-<lb/> ſchiedenheit herrſcht, iſt nur der Begriff der gleichen Gattung: 12 Götter,<lb/> 9 Muſen, Grazien, die irgendwie zuſammengehören, Heroen, die etwas<lb/> gemeinſchaftlich ausführen wollen oder ausgeführt haben, u. ſ. w., und<lb/> dieſe Einheit bethätigt ſich nicht anders, als in der Gemeinſamkeit des<lb/> Aufmarſchirens. Zwiſchen dieſen zwei Enden, der Einheit und Vielheit,<lb/> liegt nun kein concreteres Band, als das der Symmetrie, die hier allerdings<lb/> nicht mehr blos quantitativ iſt, ſondern in einem Gegenüber des Aehn-<lb/> lichen beſteht, ſo daß entweder fortlaufend je zwei Figuren, getrennt durch<lb/> eine mittlere, die ſelbſt wieder einer dritten entſpricht, ſich entſprechen,<lb/> oder die ganze Reihe durch eine bedeutendere Figur, wie Zeus in der<lb/> Mitte zwiſchen den Göttern, Apollo unter den Muſen, in zwei Seiten<lb/> getheilt wird, die einander entſprechen und etwa ſelbſt wieder überdieß<lb/> in der erſteren Weiſe ſymmetriſch belebt ſind. An einer reicheren, be-<lb/> wegteren Form, wo ſchon lebendige Verbindung eingetreten iſt, kann man<lb/> ſich dieſes Gegenüber, das ſich doch auch in ihr forterhält, klar machen,<lb/> wenn man z. B. ſieht, wie in der Aegineten-Gruppe dem gefallenen<lb/> Griechen in der einen Winkelſpitze der gefallene Troer in der andern,<lb/> dem knieenden Lanzenkämpfer der knieende Lanzenkämpfer, der knieende<lb/> Schütze dem knieenden Schützen, der anlaufende Speerſchütze dem anlau-<lb/> fenden Speerſchützen mit ſo geringem Unterſchied entſpricht, daß nur der<lb/> troiſche Bogenſchütz erſt ſchießt, während der griechiſche ſchon abgeſchoſſen<lb/> hat u. ſ. w., bis endlich in den zwei letzten Figuren zu Seiten des<lb/> Mittelpunkts, der Athene, die Symmetrie der nicht mehr ſymmetriſchen<lb/> Handlung, wo ein Held den Gefallenen aufzuheben ſucht, Platz macht.<lb/> Die innige Verbindung, die wir an dieſem Beiſpiel einer Kämpfergruppe<lb/> ſchon theilweiſe vorausgenommen, tritt nun, doch zunächſt noch ſchwächer,<lb/> ein, wenn die zuſammengeſtellten Figuren etwas Gemeinſchaftliches wirk-<lb/> lich vornehmen, aber nichts, was ſie in bewegter Weiſe mit einander<lb/> verflicht, ſondern vielmehr nur Reihenartige Geſammtbewegung mit ſich<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [448/0122]
zeigen. Wir haben hier das Prinzip des Neben- oder Hintereinander in
Reihenform. Die einzelne Figur wird zur untergeordneten Compoſitions-
Einheit. Das Uebergeordnete wird hier noch nicht höher ſtehen, ſondern
nur entweder vornen am Anfang der Reihe, oder mitten, oder als
abſchließendes Bedeutendſtes zu hinterſt. Es unterſcheiden ſich nun ver-
ſchiedene Formen der innern Verbindung dieſer Reihen. Die lockerſte
Verbindung iſt bloße Zuſammenſtellung ohne alle Handlung. Hier ziehen
ſich die Momente der Compoſition ganz architektur-artig in den bloßen
Begriff der Symmetrie zuſammen. Die Figuren ſelbſt ſind verſchieden in
Charakter, Formen, Kleidung, wohl auch in Bewegung, doch nicht bedeu-
tend; dieß iſt die einzige Form des Contraſts, die zunächſt freilich weit
über dem Architektoniſchen ſteht; die allgemeine Einheit, die über dieſe Ver-
ſchiedenheit herrſcht, iſt nur der Begriff der gleichen Gattung: 12 Götter,
9 Muſen, Grazien, die irgendwie zuſammengehören, Heroen, die etwas
gemeinſchaftlich ausführen wollen oder ausgeführt haben, u. ſ. w., und
dieſe Einheit bethätigt ſich nicht anders, als in der Gemeinſamkeit des
Aufmarſchirens. Zwiſchen dieſen zwei Enden, der Einheit und Vielheit,
liegt nun kein concreteres Band, als das der Symmetrie, die hier allerdings
nicht mehr blos quantitativ iſt, ſondern in einem Gegenüber des Aehn-
lichen beſteht, ſo daß entweder fortlaufend je zwei Figuren, getrennt durch
eine mittlere, die ſelbſt wieder einer dritten entſpricht, ſich entſprechen,
oder die ganze Reihe durch eine bedeutendere Figur, wie Zeus in der
Mitte zwiſchen den Göttern, Apollo unter den Muſen, in zwei Seiten
getheilt wird, die einander entſprechen und etwa ſelbſt wieder überdieß
in der erſteren Weiſe ſymmetriſch belebt ſind. An einer reicheren, be-
wegteren Form, wo ſchon lebendige Verbindung eingetreten iſt, kann man
ſich dieſes Gegenüber, das ſich doch auch in ihr forterhält, klar machen,
wenn man z. B. ſieht, wie in der Aegineten-Gruppe dem gefallenen
Griechen in der einen Winkelſpitze der gefallene Troer in der andern,
dem knieenden Lanzenkämpfer der knieende Lanzenkämpfer, der knieende
Schütze dem knieenden Schützen, der anlaufende Speerſchütze dem anlau-
fenden Speerſchützen mit ſo geringem Unterſchied entſpricht, daß nur der
troiſche Bogenſchütz erſt ſchießt, während der griechiſche ſchon abgeſchoſſen
hat u. ſ. w., bis endlich in den zwei letzten Figuren zu Seiten des
Mittelpunkts, der Athene, die Symmetrie der nicht mehr ſymmetriſchen
Handlung, wo ein Held den Gefallenen aufzuheben ſucht, Platz macht.
Die innige Verbindung, die wir an dieſem Beiſpiel einer Kämpfergruppe
ſchon theilweiſe vorausgenommen, tritt nun, doch zunächſt noch ſchwächer,
ein, wenn die zuſammengeſtellten Figuren etwas Gemeinſchaftliches wirk-
lich vornehmen, aber nichts, was ſie in bewegter Weiſe mit einander
verflicht, ſondern vielmehr nur Reihenartige Geſammtbewegung mit ſich
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