Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
nehmlich stylvollen Kunstform gesagt ist. Diese Kunst hat nämlich nicht 2. Es wäre zunächst das Erhabene des Raums (§. 91. 92), was
nehmlich ſtylvollen Kunſtform geſagt iſt. Dieſe Kunſt hat nämlich nicht 2. Es wäre zunächſt das Erhabene des Raums (§. 91. 92), was <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0040" n="200"/> nehmlich ſtylvollen Kunſtform geſagt iſt. Dieſe Kunſt hat nämlich nicht<lb/> nur Styl im ſtrengſten hiſtoriſchen Sinne des Worts, ſondern der Styl für<lb/> alle, auch für die nur anhängenden Künſte geht vorzüglich von ihr als<lb/> der elementaren, primitiven Kunſt aus. Sie gibt den Ton an für die<lb/> Auffaſſungsweiſe aller Künſte, und hat ein Zeitalter keinen Styl in den<lb/> übrigen Kunſtformen, ſo wird man auch finden, daß es vor Allem keinen<lb/> eigenen Bauſtyl hat. Wie die Griechen bauten, ſo bildeten, malten,<lb/> muſicirten, dichteten ſie, ebenſo das Mittelalter, ebenſo die Zeit der<lb/><hi rendition="#aq">renaissance.</hi> Der Bauſtyl namentlich drückt die Grundſtimmung einer<lb/> ganzen Zeit aus; wo er fehlt, da fehlt es an einer poſitiven Grund-<lb/> ſtimmung.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Es wäre zunächſt das Erhabene des Raums (§. 91. 92), was<lb/> durch die der Baukunſt weſentlichen großen Maſſen in Wirkung tritt,<lb/> denen gegenüber der einzelne Menſch ſich immer zunächſt als kleiner Punkt,<lb/> verſchwindenden Schatten fühlt, um erſt in einem weitern geiſtigen Acte<lb/> ſich wieder zum Bewußtſein ſeiner geiſtigen Größe aufzuſchwingen. Dieß<lb/> iſt nun aber natürlich ein Anderes in der Kunſt, als in der Natur. Es<lb/> kann zwar auch in der Kunſt ſowohl ein unförmliches, als ein maaßvolles<lb/> Erhabenes (§. 87) geben, die Malerei z. B. ſtellt wildes Gebirge ſo gut<lb/> wie edelgeſchwungenes dar, nur daß natürlich auch das Unförmliche hier<lb/> vom ſtörend Zufälligen, vom unförmlich Unförmlichen gereinigt wird; wirft<lb/> ſich aber eine ganze Kunſt auf das durch Größe der Maſſen Erhabene,<lb/> nicht um es zuſammen mit lebendiger Umgebung (Luft, Licht u. ſ. w.) in<lb/> einem farbigen Scheine nachzubilden, ſondern um ſchwere Maſſen ordnend<lb/> ſelbſt zu thürmen, ſo muß ſich das <hi rendition="#g">Ganze</hi> des Kunſt-Ideals auf dieſen<lb/> Einen Punkt werfen, das Maſſenhafte muß innerhalb ſeiner ſelbſt idealiſirt,<lb/> alſo von allem Unförmlichen gereinigt und es muß tiefere Bedeutung, als<lb/> die des blos räumlich Erhabenen, hineingelegt werden. Vorläufig leuchtet<lb/> ein, daß dieſe tiefere Bedeutung die Idee einer Urkraft ſein müſſe in einer<lb/> nähern Beſtimmtheit, welche nachher zu ſuchen iſt. Erhaben iſt alſo die<lb/> Baukunſt nicht bloß durch die Größe der Maſſen, ſie wird es auch nicht<lb/> ſein durch jene, dem Unförmlichen Raum laſſende, Hinweiſung auf<lb/> ungeheure Revolutionen des Erdkörpers, wie dieſelbe in §. 260 den Ge-<lb/> birgsmaſſen beigelegt iſt, ſondern ſie wird ein geordnetes Wirken jener<lb/> Urkraft andeuten. Dennoch bleibt die Größe der Maſſen immer das, was<lb/> den Eindruck in ſeiner Grundlage beſtimmt. Innerhalb dieſes allgemeinen<lb/> Charakters der Erhabenheit muß nun aber, wenn man Gebäude nur mit<lb/> Gebäuden vergleicht, ein Gegenſatz der ruhigen Schönheit bis zum Nied-<lb/> lichen hin und des Erhabenen, des Milden und Starken, und wieder des<lb/> Prächtigen und finſter Gewaltigen u. ſ. w. möglich ſein. Daß das Ko-<lb/> miſche in der Architektur ganz ausgeſchloſſen iſt, wurde ſchon zu §. 404<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0040]
nehmlich ſtylvollen Kunſtform geſagt iſt. Dieſe Kunſt hat nämlich nicht
nur Styl im ſtrengſten hiſtoriſchen Sinne des Worts, ſondern der Styl für
alle, auch für die nur anhängenden Künſte geht vorzüglich von ihr als
der elementaren, primitiven Kunſt aus. Sie gibt den Ton an für die
Auffaſſungsweiſe aller Künſte, und hat ein Zeitalter keinen Styl in den
übrigen Kunſtformen, ſo wird man auch finden, daß es vor Allem keinen
eigenen Bauſtyl hat. Wie die Griechen bauten, ſo bildeten, malten,
muſicirten, dichteten ſie, ebenſo das Mittelalter, ebenſo die Zeit der
renaissance. Der Bauſtyl namentlich drückt die Grundſtimmung einer
ganzen Zeit aus; wo er fehlt, da fehlt es an einer poſitiven Grund-
ſtimmung.
2. Es wäre zunächſt das Erhabene des Raums (§. 91. 92), was
durch die der Baukunſt weſentlichen großen Maſſen in Wirkung tritt,
denen gegenüber der einzelne Menſch ſich immer zunächſt als kleiner Punkt,
verſchwindenden Schatten fühlt, um erſt in einem weitern geiſtigen Acte
ſich wieder zum Bewußtſein ſeiner geiſtigen Größe aufzuſchwingen. Dieß
iſt nun aber natürlich ein Anderes in der Kunſt, als in der Natur. Es
kann zwar auch in der Kunſt ſowohl ein unförmliches, als ein maaßvolles
Erhabenes (§. 87) geben, die Malerei z. B. ſtellt wildes Gebirge ſo gut
wie edelgeſchwungenes dar, nur daß natürlich auch das Unförmliche hier
vom ſtörend Zufälligen, vom unförmlich Unförmlichen gereinigt wird; wirft
ſich aber eine ganze Kunſt auf das durch Größe der Maſſen Erhabene,
nicht um es zuſammen mit lebendiger Umgebung (Luft, Licht u. ſ. w.) in
einem farbigen Scheine nachzubilden, ſondern um ſchwere Maſſen ordnend
ſelbſt zu thürmen, ſo muß ſich das Ganze des Kunſt-Ideals auf dieſen
Einen Punkt werfen, das Maſſenhafte muß innerhalb ſeiner ſelbſt idealiſirt,
alſo von allem Unförmlichen gereinigt und es muß tiefere Bedeutung, als
die des blos räumlich Erhabenen, hineingelegt werden. Vorläufig leuchtet
ein, daß dieſe tiefere Bedeutung die Idee einer Urkraft ſein müſſe in einer
nähern Beſtimmtheit, welche nachher zu ſuchen iſt. Erhaben iſt alſo die
Baukunſt nicht bloß durch die Größe der Maſſen, ſie wird es auch nicht
ſein durch jene, dem Unförmlichen Raum laſſende, Hinweiſung auf
ungeheure Revolutionen des Erdkörpers, wie dieſelbe in §. 260 den Ge-
birgsmaſſen beigelegt iſt, ſondern ſie wird ein geordnetes Wirken jener
Urkraft andeuten. Dennoch bleibt die Größe der Maſſen immer das, was
den Eindruck in ſeiner Grundlage beſtimmt. Innerhalb dieſes allgemeinen
Charakters der Erhabenheit muß nun aber, wenn man Gebäude nur mit
Gebäuden vergleicht, ein Gegenſatz der ruhigen Schönheit bis zum Nied-
lichen hin und des Erhabenen, des Milden und Starken, und wieder des
Prächtigen und finſter Gewaltigen u. ſ. w. möglich ſein. Daß das Ko-
miſche in der Architektur ganz ausgeſchloſſen iſt, wurde ſchon zu §. 404
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |