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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.

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nen Materiale den Marmor-Arbeiter, Dreher, Flaschner, Zinngießer,
Eisen- und Bronce-Gießer, wieder den Toreuten, namentlich aber den
Kerameuten: den Bildner aus Thon (in neuerer Technik auch Porzellan)
und Glas. Bötticher (Tekt. d. Hell. Thl. I, S. 42 ff.) hat gezeigt,
wie schön organisch, der Gliederung in ihrer Baukunst entsprechend, die
Griechen das Gefäß in seinen Haupttheilen: Kessel oder Bauch, Fuß,
Hals mit Lippe und Henkel entwickelt haben. Das Trinkgefäß unter-
scheidet sich von dem zum Aufbewahren und Ausgießen bestimmten durch
seine weitere Mündung; dagegen öffnet sich die Lampe nur in einem
engen Mund für den Tocht, dessen Flamme das flüssige Oel verzehrt.
Zu getriebener Arbeit eignet sich besonders die weitgeöffnete Schüsselform.
An die Gefäße können wir die Technik des Korbflechtens anschließen, da
sie ihre niedlichsten Formen im gefäßähnlich Runden hervorbringt. --
Es bleibt nun eine unübersehliche Masse meist "handlichen Geräthes"
übrig, dessen Grundform durch den rein äußern, praktischen Zweck so
gegeben ist, daß die höhere Technik aus ihr nichts entwickeln, sondern
sich nur an sie anlegen kann; je weniger sie denn in die Fügung selbst
einzudringen vermag, um so weniger kann sie in architektonischem Style
verfahren, um so mehr wird sie vegetabilische, thierische, menschliche For-
men anbringen und daher in die Plastik hinüberweisen, nur daß diese
Formen hier vom Organischen in Arabasken-Weise abweichen, Pflanzen-
und animalische Gestalten oder diese unter sich mischen können, was ihnen
den ornamentistischen, also doch architektonischen Charakter bewahrt. Man
denke hier an Waffen, Stöcke, Scepter, musikalische Instrumente (auch
Glocken), an Küchen- und Hausgeräthe der verschiedensten Art, und wenn
man zweifelt, ob selbst diese letzteren Dinge der Erwähnung werth seien,
übersehe man die Ausgrabungen von Pompeji. Dagegen schreitet die Ver-
zierung der Speisetafel bis zu Gegenständen fort, die blos der Pracht
wegen aufgestellt werden; Tafel-Aufsätze können in ihrem Hauptkörper
architektonisch organisirt sein, aber Pflanze, Thier- und Menschengestalt
wird doch den Haupttheil ihrer Gruppirung bilden. Das Kleinste in der
nun vor uns liegenden unendlichen Masse ist Schmuck in Edelsteinen,
edlen Metallen, Elfenbein u. dergl.: ein Gebiet, das wir im Anhang
zur Bildnerkunst wieder aufzunehmen haben, denn hier namentlich legt
sich die Organisches im Kleinen nachbildende Zierplastik an oder gibt dem
niedlichen Ganzen seine Form. Doch bleibt Vieles übrig, was nicht so
bestimmt in das Plastische hinübergeht; eine Spange z. B. kann ganz
plastisch als Schlange, aber auch in Gelenken als Kette, somit mehr
architektonisch-ornamentistisch behandelt werden. -- Es versteht sich nun,
daß an einem großen Theil des hier vor uns ausgebreiteten Reichs an-
hängender Schönheit auch die Malerei als verzierende Kunst thätig sein

nen Materiale den Marmor-Arbeiter, Dreher, Flaſchner, Zinngießer,
Eiſen- und Bronce-Gießer, wieder den Toreuten, namentlich aber den
Kerameuten: den Bildner aus Thon (in neuerer Technik auch Porzellan)
und Glas. Bötticher (Tekt. d. Hell. Thl. I, S. 42 ff.) hat gezeigt,
wie ſchön organiſch, der Gliederung in ihrer Baukunſt entſprechend, die
Griechen das Gefäß in ſeinen Haupttheilen: Keſſel oder Bauch, Fuß,
Hals mit Lippe und Henkel entwickelt haben. Das Trinkgefäß unter-
ſcheidet ſich von dem zum Aufbewahren und Ausgießen beſtimmten durch
ſeine weitere Mündung; dagegen öffnet ſich die Lampe nur in einem
engen Mund für den Tocht, deſſen Flamme das flüſſige Oel verzehrt.
Zu getriebener Arbeit eignet ſich beſonders die weitgeöffnete Schüſſelform.
An die Gefäße können wir die Technik des Korbflechtens anſchließen, da
ſie ihre niedlichſten Formen im gefäßähnlich Runden hervorbringt. —
Es bleibt nun eine unüberſehliche Maſſe meiſt „handlichen Geräthes“
übrig, deſſen Grundform durch den rein äußern, praktiſchen Zweck ſo
gegeben iſt, daß die höhere Technik aus ihr nichts entwickeln, ſondern
ſich nur an ſie anlegen kann; je weniger ſie denn in die Fügung ſelbſt
einzudringen vermag, um ſo weniger kann ſie in architektoniſchem Style
verfahren, um ſo mehr wird ſie vegetabiliſche, thieriſche, menſchliche For-
men anbringen und daher in die Plaſtik hinüberweiſen, nur daß dieſe
Formen hier vom Organiſchen in Arabasken-Weiſe abweichen, Pflanzen-
und animaliſche Geſtalten oder dieſe unter ſich miſchen können, was ihnen
den ornamentiſtiſchen, alſo doch architektoniſchen Charakter bewahrt. Man
denke hier an Waffen, Stöcke, Scepter, muſikaliſche Inſtrumente (auch
Glocken), an Küchen- und Hausgeräthe der verſchiedenſten Art, und wenn
man zweifelt, ob ſelbſt dieſe letzteren Dinge der Erwähnung werth ſeien,
überſehe man die Ausgrabungen von Pompeji. Dagegen ſchreitet die Ver-
zierung der Speiſetafel bis zu Gegenſtänden fort, die blos der Pracht
wegen aufgeſtellt werden; Tafel-Aufſätze können in ihrem Hauptkörper
architektoniſch organiſirt ſein, aber Pflanze, Thier- und Menſchengeſtalt
wird doch den Haupttheil ihrer Gruppirung bilden. Das Kleinſte in der
nun vor uns liegenden unendlichen Maſſe iſt Schmuck in Edelſteinen,
edlen Metallen, Elfenbein u. dergl.: ein Gebiet, das wir im Anhang
zur Bildnerkunſt wieder aufzunehmen haben, denn hier namentlich legt
ſich die Organiſches im Kleinen nachbildende Zierplaſtik an oder gibt dem
niedlichen Ganzen ſeine Form. Doch bleibt Vieles übrig, was nicht ſo
beſtimmt in das Plaſtiſche hinübergeht; eine Spange z. B. kann ganz
plaſtiſch als Schlange, aber auch in Gelenken als Kette, ſomit mehr
architektoniſch-ornamentiſtiſch behandelt werden. — Es verſteht ſich nun,
daß an einem großen Theil des hier vor uns ausgebreiteten Reichs an-
hängender Schönheit auch die Malerei als verzierende Kunſt thätig ſein

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[335/0175] nen Materiale den Marmor-Arbeiter, Dreher, Flaſchner, Zinngießer, Eiſen- und Bronce-Gießer, wieder den Toreuten, namentlich aber den Kerameuten: den Bildner aus Thon (in neuerer Technik auch Porzellan) und Glas. Bötticher (Tekt. d. Hell. Thl. I, S. 42 ff.) hat gezeigt, wie ſchön organiſch, der Gliederung in ihrer Baukunſt entſprechend, die Griechen das Gefäß in ſeinen Haupttheilen: Keſſel oder Bauch, Fuß, Hals mit Lippe und Henkel entwickelt haben. Das Trinkgefäß unter- ſcheidet ſich von dem zum Aufbewahren und Ausgießen beſtimmten durch ſeine weitere Mündung; dagegen öffnet ſich die Lampe nur in einem engen Mund für den Tocht, deſſen Flamme das flüſſige Oel verzehrt. Zu getriebener Arbeit eignet ſich beſonders die weitgeöffnete Schüſſelform. An die Gefäße können wir die Technik des Korbflechtens anſchließen, da ſie ihre niedlichſten Formen im gefäßähnlich Runden hervorbringt. — Es bleibt nun eine unüberſehliche Maſſe meiſt „handlichen Geräthes“ übrig, deſſen Grundform durch den rein äußern, praktiſchen Zweck ſo gegeben iſt, daß die höhere Technik aus ihr nichts entwickeln, ſondern ſich nur an ſie anlegen kann; je weniger ſie denn in die Fügung ſelbſt einzudringen vermag, um ſo weniger kann ſie in architektoniſchem Style verfahren, um ſo mehr wird ſie vegetabiliſche, thieriſche, menſchliche For- men anbringen und daher in die Plaſtik hinüberweiſen, nur daß dieſe Formen hier vom Organiſchen in Arabasken-Weiſe abweichen, Pflanzen- und animaliſche Geſtalten oder dieſe unter ſich miſchen können, was ihnen den ornamentiſtiſchen, alſo doch architektoniſchen Charakter bewahrt. Man denke hier an Waffen, Stöcke, Scepter, muſikaliſche Inſtrumente (auch Glocken), an Küchen- und Hausgeräthe der verſchiedenſten Art, und wenn man zweifelt, ob ſelbſt dieſe letzteren Dinge der Erwähnung werth ſeien, überſehe man die Ausgrabungen von Pompeji. Dagegen ſchreitet die Ver- zierung der Speiſetafel bis zu Gegenſtänden fort, die blos der Pracht wegen aufgeſtellt werden; Tafel-Aufſätze können in ihrem Hauptkörper architektoniſch organiſirt ſein, aber Pflanze, Thier- und Menſchengeſtalt wird doch den Haupttheil ihrer Gruppirung bilden. Das Kleinſte in der nun vor uns liegenden unendlichen Maſſe iſt Schmuck in Edelſteinen, edlen Metallen, Elfenbein u. dergl.: ein Gebiet, das wir im Anhang zur Bildnerkunſt wieder aufzunehmen haben, denn hier namentlich legt ſich die Organiſches im Kleinen nachbildende Zierplaſtik an oder gibt dem niedlichen Ganzen ſeine Form. Doch bleibt Vieles übrig, was nicht ſo beſtimmt in das Plaſtiſche hinübergeht; eine Spange z. B. kann ganz plaſtiſch als Schlange, aber auch in Gelenken als Kette, ſomit mehr architektoniſch-ornamentiſtiſch behandelt werden. — Es verſteht ſich nun, daß an einem großen Theil des hier vor uns ausgebreiteten Reichs an- hängender Schönheit auch die Malerei als verzierende Kunſt thätig ſein

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030201_1852/175>, abgerufen am 21.11.2024.