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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.

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getrennt umgeben, in Aegypten dem Sekos vorausgehen, ihn an
ihr Ende drücken: der Säulenhof des geöffneten Felstempels, die
säulenumstellten Vorhöfe, die säulengestützte Vorhalle rücken an die Cella
als ihren Mittelpunct an, werden wahre Vorhalle (templum in antis
mit vorgestellten Säulen, Prostylos) und Hinterhalle (Amphiprostylos) und
endlich Säulenhalle, die um das ganze Haus läuft, dessen vorspringendes
Dach die Säulenreihe als integrirendes Glied in die Einheit des Ganzen
begreift (Peripteros, mit doppelter Säulenreihe Dipteros). Das Rudiment
dieser concentrirten Form findet sich jedoch bereits in einer abweichenden
Tempelgattung Aegyptens, den sogenannten Typhonien. Hier hat das
Haus die Gestalt des länglichen Vierecks und eine Säulenreihe umher,
aber an den Ecken nicht Säulen, sondern Pfeiler, d. h. Mauerstücke, Reste
der Mauer; die Säulen sind ferner mit einer Mauerbrüstung bis zur hal-
ben Höhe des Stammes miteinander verbunden und die Intercolumnien
an Vor- und Rückseite weiter, als auf den Langseiten. Also ein großer,
wesentlicher Schritt schon in Aegypten, der aber nur halb verstanden, voll-
zogen ist und den Griechen das volle Verdienst des Verständnisses und
der Vollendung läßt, die so gut als eine Schöpfung ist. Daß auch in
Griechenland die Zwischenräume der Säulen durch Gitter, selbst niedrige
Mauern gesperrt waren (s. Bötticher a. a. O. B. II, S. 76) hat hier
nur den Zweck, die Bildsäulen, Weihgeschenke zu sichern, und ist nicht
Ausdruck eines unüberwindlichen Zugs der Abschließung, Heimlichkeit wie
dort. -- Nun wurde aber von den Griechen die hohe Bedeutung eines
würdigen Vorbereitens auf das Heiligthum selbst nicht verkannt; die For-
men, die ihr entsprechen, sollten nur nicht die Einheit des Ganzen stören:
ein Prachtthor mit Säulenhalle trat daher als Propyläon an den Ein-
gang in den Peribolos, den heiligen Bezirk, und einfache Hallen, Stoen
zogen sich in Art von Höfen umher (vergl. §. 576). Nunmehr hat auch
die Unklarheit über Innen- und Außenbau ein Ende. Angesichts dieses
Tempels mit seiner einladenden, heitern Säulenhalle, dessen Inneres
dem Volke zwar nicht unzugänglich, jedoch keineswegs für die Versamm-
lung der Gemeinde bestimmt ist, wo vielmehr vor der Bildsäule des
Gottes nur der Priester auf dem kleineren Altar die unblutigen Opfer
verrichtet, während die großen Brandopfer außen vor dem Pronaos auf
dem größern Altare vollzogen werden, stellt sich nun der einfache Satz
fest: ein Außenbau ist der Tempel, der nicht sein Inneres so organisirt,
daß darin die Bestimmung ausgedrückt ist, die Gemeinde zum Gottesdienst
in sich aufzunehmen, sondern das Bild der Herrlichkeit des Gottes dem
von außen herantretenden Menschen objectiv hinstellt. Das Hauptmoment
der Organisation des Innern für jenen Zweck ist die Säule als das
Mittel der Raumöffnung für die versammelte Menge; der griechische

getrennt umgeben, in Aegypten dem Sekos vorausgehen, ihn an
ihr Ende drücken: der Säulenhof des geöffneten Felstempels, die
ſäulenumſtellten Vorhöfe, die ſäulengeſtützte Vorhalle rücken an die Cella
als ihren Mittelpunct an, werden wahre Vorhalle (templum in antis
mit vorgeſtellten Säulen, Proſtylos) und Hinterhalle (Amphiproſtylos) und
endlich Säulenhalle, die um das ganze Haus läuft, deſſen vorſpringendes
Dach die Säulenreihe als integrirendes Glied in die Einheit des Ganzen
begreift (Peripteros, mit doppelter Säulenreihe Dipteros). Das Rudiment
dieſer concentrirten Form findet ſich jedoch bereits in einer abweichenden
Tempelgattung Aegyptens, den ſogenannten Typhonien. Hier hat das
Haus die Geſtalt des länglichen Vierecks und eine Säulenreihe umher,
aber an den Ecken nicht Säulen, ſondern Pfeiler, d. h. Mauerſtücke, Reſte
der Mauer; die Säulen ſind ferner mit einer Mauerbrüſtung bis zur hal-
ben Höhe des Stammes miteinander verbunden und die Intercolumnien
an Vor- und Rückſeite weiter, als auf den Langſeiten. Alſo ein großer,
weſentlicher Schritt ſchon in Aegypten, der aber nur halb verſtanden, voll-
zogen iſt und den Griechen das volle Verdienſt des Verſtändniſſes und
der Vollendung läßt, die ſo gut als eine Schöpfung iſt. Daß auch in
Griechenland die Zwiſchenräume der Säulen durch Gitter, ſelbſt niedrige
Mauern geſperrt waren (ſ. Bötticher a. a. O. B. II, S. 76) hat hier
nur den Zweck, die Bildſäulen, Weihgeſchenke zu ſichern, und iſt nicht
Ausdruck eines unüberwindlichen Zugs der Abſchließung, Heimlichkeit wie
dort. — Nun wurde aber von den Griechen die hohe Bedeutung eines
würdigen Vorbereitens auf das Heiligthum ſelbſt nicht verkannt; die For-
men, die ihr entſprechen, ſollten nur nicht die Einheit des Ganzen ſtören:
ein Prachtthor mit Säulenhalle trat daher als Propyläon an den Ein-
gang in den Peribolos, den heiligen Bezirk, und einfache Hallen, Stoen
zogen ſich in Art von Höfen umher (vergl. §. 576). Nunmehr hat auch
die Unklarheit über Innen- und Außenbau ein Ende. Angeſichts dieſes
Tempels mit ſeiner einladenden, heitern Säulenhalle, deſſen Inneres
dem Volke zwar nicht unzugänglich, jedoch keineswegs für die Verſamm-
lung der Gemeinde beſtimmt iſt, wo vielmehr vor der Bildſäule des
Gottes nur der Prieſter auf dem kleineren Altar die unblutigen Opfer
verrichtet, während die großen Brandopfer außen vor dem Pronaos auf
dem größern Altare vollzogen werden, ſtellt ſich nun der einfache Satz
feſt: ein Außenbau iſt der Tempel, der nicht ſein Inneres ſo organiſirt,
daß darin die Beſtimmung ausgedrückt iſt, die Gemeinde zum Gottesdienſt
in ſich aufzunehmen, ſondern das Bild der Herrlichkeit des Gottes dem
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der Organiſation des Innern für jenen Zweck iſt die Säule als das
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[286/0126] getrennt umgeben, in Aegypten dem Sekos vorausgehen, ihn an ihr Ende drücken: der Säulenhof des geöffneten Felstempels, die ſäulenumſtellten Vorhöfe, die ſäulengeſtützte Vorhalle rücken an die Cella als ihren Mittelpunct an, werden wahre Vorhalle (templum in antis mit vorgeſtellten Säulen, Proſtylos) und Hinterhalle (Amphiproſtylos) und endlich Säulenhalle, die um das ganze Haus läuft, deſſen vorſpringendes Dach die Säulenreihe als integrirendes Glied in die Einheit des Ganzen begreift (Peripteros, mit doppelter Säulenreihe Dipteros). Das Rudiment dieſer concentrirten Form findet ſich jedoch bereits in einer abweichenden Tempelgattung Aegyptens, den ſogenannten Typhonien. Hier hat das Haus die Geſtalt des länglichen Vierecks und eine Säulenreihe umher, aber an den Ecken nicht Säulen, ſondern Pfeiler, d. h. Mauerſtücke, Reſte der Mauer; die Säulen ſind ferner mit einer Mauerbrüſtung bis zur hal- ben Höhe des Stammes miteinander verbunden und die Intercolumnien an Vor- und Rückſeite weiter, als auf den Langſeiten. Alſo ein großer, weſentlicher Schritt ſchon in Aegypten, der aber nur halb verſtanden, voll- zogen iſt und den Griechen das volle Verdienſt des Verſtändniſſes und der Vollendung läßt, die ſo gut als eine Schöpfung iſt. Daß auch in Griechenland die Zwiſchenräume der Säulen durch Gitter, ſelbſt niedrige Mauern geſperrt waren (ſ. Bötticher a. a. O. B. II, S. 76) hat hier nur den Zweck, die Bildſäulen, Weihgeſchenke zu ſichern, und iſt nicht Ausdruck eines unüberwindlichen Zugs der Abſchließung, Heimlichkeit wie dort. — Nun wurde aber von den Griechen die hohe Bedeutung eines würdigen Vorbereitens auf das Heiligthum ſelbſt nicht verkannt; die For- men, die ihr entſprechen, ſollten nur nicht die Einheit des Ganzen ſtören: ein Prachtthor mit Säulenhalle trat daher als Propyläon an den Ein- gang in den Peribolos, den heiligen Bezirk, und einfache Hallen, Stoen zogen ſich in Art von Höfen umher (vergl. §. 576). Nunmehr hat auch die Unklarheit über Innen- und Außenbau ein Ende. Angeſichts dieſes Tempels mit ſeiner einladenden, heitern Säulenhalle, deſſen Inneres dem Volke zwar nicht unzugänglich, jedoch keineswegs für die Verſamm- lung der Gemeinde beſtimmt iſt, wo vielmehr vor der Bildſäule des Gottes nur der Prieſter auf dem kleineren Altar die unblutigen Opfer verrichtet, während die großen Brandopfer außen vor dem Pronaos auf dem größern Altare vollzogen werden, ſtellt ſich nun der einfache Satz feſt: ein Außenbau iſt der Tempel, der nicht ſein Inneres ſo organiſirt, daß darin die Beſtimmung ausgedrückt iſt, die Gemeinde zum Gottesdienſt in ſich aufzunehmen, ſondern das Bild der Herrlichkeit des Gottes dem von außen herantretenden Menſchen objectiv hinſtellt. Das Hauptmoment der Organiſation des Innern für jenen Zweck iſt die Säule als das Mittel der Raumöffnung für die verſammelte Menge; der griechiſche

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030201_1852/126>, abgerufen am 22.11.2024.