Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
bedeutenderen öffentlichen Bauten ihren Hirten erwartet. Da ist denn die
bedeutenderen öffentlichen Bauten ihren Hirten erwartet. Da iſt denn die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0098" n="258"/> bedeutenderen öffentlichen Bauten ihren Hirten erwartet. Da iſt denn die<lb/> Herrſchaft eines gewiſſen Grads von äſthetiſchem Reichthum in der Mehr-<lb/> zahl der Wohnhäuſer ein wohlthuender Ausdruck verbreiteter Wohlhaben-<lb/> heit und Bildung, man denke an Städte, wie Nürnberg; dieſer Aus-<lb/> druck ſcheint ſich in einer Menge von eigentlichen Paläſten zur Erſcheinung<lb/> eines Volks von Reichen zu ſteigern, ſolche iſt aber vielmehr Ausdruck<lb/> einer zum Schaden des Staates übergewachſenen glänzenden Ariſtokratie,<lb/> im Mittelalter eines Sitzes ewiger Fehde, daher kriegeriſch burgartige Paläſte<lb/> entſtehen, die den Charakter des Reichen mit dem des finſter Trotzigen<lb/> mühſam vereinen. Dieſelbe zerſprengte Welt kleiner Herren erzeugt die<lb/> einzelnen Burgen, Vorbilder der kriegeriſchen Schutzbauten des Gemein-<lb/> weſens. Dagegen ſind heitere Landhäuſer die zur Idealität geſteigerte<lb/> Idylle der Wohnung des Landmanns. — Unter den öffentlichen Bauten<lb/> nun dürfen wir vielerlei Anlagen mitzählen, welche nicht umſchloſſene<lb/> Räume ſind nach dem im §. 555 aufgeſtellten Grundbegriffe, aber weſent-<lb/> lich die Bedeutung haben, zu den eigentlichen Bauten für Zwecke des öffent-<lb/> lichen Lebens vermittelnd hinzuführen. Es ſind dieß zunächſt die Anlagen<lb/> für die Ernährung und den großen Verkehr. Hier ſind die Waſſerleitungen<lb/> zu nennen; man denke an die großartigen Werke der Römer, deren Bau-<lb/> thätigkeit überhaupt in dem ganzen vorliegenden Gebiete des Zweckmäßigen<lb/> und Politiſchen ſo gewaltig monumental hervortritt; man denke aber auch<lb/> an die Ausſpendung des klaren Elements im Brunnen, der die ehrwürdige<lb/> Bedeutung ſeiner labenden Aufgabe in beſonderer Schönheit, ſelbſt durch<lb/> Spiele über das Bedürfniß darzuſtellen hat (Enneakrunos in Athen, Fontänen<lb/> Roms, des Mittelalters, z. B. der ſchöne Brunnen in Nürnberg). Für<lb/> Zufuhr und Verkehr aller Art ſorgt die „völkerverbindende“ Straße, ihre<lb/> Bedeutung tritt erhebend beſonders in kühnen Steigungen, Durchbrüchen,<lb/> in ſchwungvollen Brücken hervor, über deren ſchönſte Form ſich nichts<lb/> Beſſeres ſagen läßt, als Schillers Wort: unter mir, über mir rennen die<lb/> Wellen, die Wagen und gütig gönnte der Meiſter mir ſelbſt, auch mit<lb/> hinüberzugeh’n. Nun tritt auch der Verkehr zu Waſſer in ſeiner Be-<lb/> deutung hervor: der Kanal, das Schiff, dieſe Erfindung der Kühnen, die<lb/> „zuerſt, ein dreifach Erz um die Bruſt, mit trockenem Auge die finſtere<lb/> Tiefe durchfurchten und die ſchwimmenden Ungeheuer erblickten“; hier iſt an<lb/> den äſthetiſchen Unterſchied des Segel- und Dampfſchiffs, ähnlich dem der<lb/> gewöhnlichen Fahrſtraße und der Eiſenbahn, zu erinnern. Schiffswerfte,<lb/> Häfen können mit der Zweckmäßigkeit gewaltigen und reizvollen Eindruck<lb/> verbinden. — Die eigentlichen Bauten für öffentliche Zwecke dienen zunächſt<lb/> der elementaren Thätigkeit des Ackerbaus: große Gehöfte der Landwirth-<lb/> ſchaft; bei Anlaß der Stallungen, die dafür nothwendig ſind, können wir<lb/> die Marſtälle nennen. Die vermitteltere Thätigkeit des Gewerbes führt uns<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [258/0098]
bedeutenderen öffentlichen Bauten ihren Hirten erwartet. Da iſt denn die
Herrſchaft eines gewiſſen Grads von äſthetiſchem Reichthum in der Mehr-
zahl der Wohnhäuſer ein wohlthuender Ausdruck verbreiteter Wohlhaben-
heit und Bildung, man denke an Städte, wie Nürnberg; dieſer Aus-
druck ſcheint ſich in einer Menge von eigentlichen Paläſten zur Erſcheinung
eines Volks von Reichen zu ſteigern, ſolche iſt aber vielmehr Ausdruck
einer zum Schaden des Staates übergewachſenen glänzenden Ariſtokratie,
im Mittelalter eines Sitzes ewiger Fehde, daher kriegeriſch burgartige Paläſte
entſtehen, die den Charakter des Reichen mit dem des finſter Trotzigen
mühſam vereinen. Dieſelbe zerſprengte Welt kleiner Herren erzeugt die
einzelnen Burgen, Vorbilder der kriegeriſchen Schutzbauten des Gemein-
weſens. Dagegen ſind heitere Landhäuſer die zur Idealität geſteigerte
Idylle der Wohnung des Landmanns. — Unter den öffentlichen Bauten
nun dürfen wir vielerlei Anlagen mitzählen, welche nicht umſchloſſene
Räume ſind nach dem im §. 555 aufgeſtellten Grundbegriffe, aber weſent-
lich die Bedeutung haben, zu den eigentlichen Bauten für Zwecke des öffent-
lichen Lebens vermittelnd hinzuführen. Es ſind dieß zunächſt die Anlagen
für die Ernährung und den großen Verkehr. Hier ſind die Waſſerleitungen
zu nennen; man denke an die großartigen Werke der Römer, deren Bau-
thätigkeit überhaupt in dem ganzen vorliegenden Gebiete des Zweckmäßigen
und Politiſchen ſo gewaltig monumental hervortritt; man denke aber auch
an die Ausſpendung des klaren Elements im Brunnen, der die ehrwürdige
Bedeutung ſeiner labenden Aufgabe in beſonderer Schönheit, ſelbſt durch
Spiele über das Bedürfniß darzuſtellen hat (Enneakrunos in Athen, Fontänen
Roms, des Mittelalters, z. B. der ſchöne Brunnen in Nürnberg). Für
Zufuhr und Verkehr aller Art ſorgt die „völkerverbindende“ Straße, ihre
Bedeutung tritt erhebend beſonders in kühnen Steigungen, Durchbrüchen,
in ſchwungvollen Brücken hervor, über deren ſchönſte Form ſich nichts
Beſſeres ſagen läßt, als Schillers Wort: unter mir, über mir rennen die
Wellen, die Wagen und gütig gönnte der Meiſter mir ſelbſt, auch mit
hinüberzugeh’n. Nun tritt auch der Verkehr zu Waſſer in ſeiner Be-
deutung hervor: der Kanal, das Schiff, dieſe Erfindung der Kühnen, die
„zuerſt, ein dreifach Erz um die Bruſt, mit trockenem Auge die finſtere
Tiefe durchfurchten und die ſchwimmenden Ungeheuer erblickten“; hier iſt an
den äſthetiſchen Unterſchied des Segel- und Dampfſchiffs, ähnlich dem der
gewöhnlichen Fahrſtraße und der Eiſenbahn, zu erinnern. Schiffswerfte,
Häfen können mit der Zweckmäßigkeit gewaltigen und reizvollen Eindruck
verbinden. — Die eigentlichen Bauten für öffentliche Zwecke dienen zunächſt
der elementaren Thätigkeit des Ackerbaus: große Gehöfte der Landwirth-
ſchaft; bei Anlaß der Stallungen, die dafür nothwendig ſind, können wir
die Marſtälle nennen. Die vermitteltere Thätigkeit des Gewerbes führt uns
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