Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,1. Reutlingen u. a., 1851.g. Die Meisterschaft und der Styl. 1. Der Meister als Einzelner. §. 524. Die Vollendung der Herrschaft über die Technik ist das Ende der Schule; Der §. vermeidet noch den Namen Meister, weil eine gewisse Form γ. Die Meiſterſchaft und der Styl. 1. Der Meiſter als Einzelner. §. 524. Die Vollendung der Herrſchaft über die Technik iſt das Ende der Schule; Der §. vermeidet noch den Namen Meiſter, weil eine gewiſſe Form <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0124" n="112"/> <div n="5"> <head><hi rendition="#i">γ.</hi><lb/> Die Meiſterſchaft und der Styl.</head><lb/> <div n="6"> <head>1.<lb/><hi rendition="#g">Der Meiſter als Einzelner</hi>.</head><lb/> <div n="7"> <head>§. 524.</head><lb/> <p> <hi rendition="#fr">Die Vollendung der Herrſchaft über die Technik iſt das Ende der Schule;<lb/> in ihr verſchwindet die Mühe, das Werk des reifen Künſtlers erſcheint wie von<lb/> ſelbſt geworden, alſo wie ein Naturwerk, obwohl der Zuſchauer ſich bewußt<lb/> bleibt, daß es Kunſtwerk iſt (<hi rendition="#g">Kant</hi>). Es ſteht auf ſich und erklärt ſich ſelbſt,<lb/> denn es bleibt im Innern des Künſtlers nichts zurück, was nicht flüſſig her-<lb/> austräte in ſein Werk, und in dieſem nichts, was bloßer Stoff wäre. Hiedurch<lb/> erſt iſt die Definition des Schönen §. 14 vollſtändig entwickelt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Der §. vermeidet noch den Namen Meiſter, weil eine gewiſſe Form<lb/> der vollendeten techniſchen Ausbildung erſt aufzuführen iſt, welcher ein<lb/> weſentliches Moment fehlt, um denſelben zu verdienen; da jedoch aller-<lb/> dings nur da, wo dieſes Moment eintritt, geleiſtet wird, was der §. an<lb/> die Spitze der folgenden Unterſcheidungen ſtellt, ſo mögen wir hier das Subject<lb/> der dargeſtellten Leiſtung immerhin bereits Meiſter nennen. Allerdings hat<lb/> nun auch der Meiſter nie ausgelernt und zeitlich iſt daher der Punct, den<lb/> wir hier ſetzen, kaum zu finden, aber der Begriff muß feſtſtellen, was<lb/> ſich in der Wirklichkeit in’s Unbeſtimmte verläuft und nur als relatives<lb/> Maximum zu erkennen iſt. Das Verſchwinden der Mühe nun in dem<lb/> meiſterhaften Werke iſt das Verſchwinden des Gegenſatzes zwiſchen Subject<lb/> und Object: das Subject iſt nicht mehr ſichtbar, denn es hat ſein inneres<lb/> Bild ohne Reſt in das Material niedergelegt, im Gelingen ſind die Spuren<lb/> der Mühe, des Kampfs mit der techniſchen Regel und mit dem Material<lb/> getilgt, das Object iſt nicht mehr ſichtbar, weil das Material als ſolches,<lb/> d. h. als roher Stoff, überwunden, weil es ſchlechthin zum Ausdruck des<lb/> innern Ideals umgebildet iſt. Daher erſcheint ein ſolches Werk nicht mehr<lb/> als gemacht, als gearbeitet, ſondern als geworden. Da nun von der<lb/> Natur nicht ausgeſagt werden kann, daß ſie arbeite und mache, weil in ihr<lb/> der Gegenſatz zwiſchen einem Zweckſetzenden Subject, einem zu beſtimmen-<lb/> den Object und Mitteln zu deſſen Ueberwindung überhaupt nicht vor-<lb/> handen iſt, ſo erſcheint das Kunſtwerk aus Meiſterhand, in welchem das<lb/> Machen und Arbeiten unſichtbar geworden, wie ein Naturwerk. Weil aber<lb/> der weſentliche Unterſchied zwiſchen einer Kraft, in welcher der Gegenſatz<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0124]
γ.
Die Meiſterſchaft und der Styl.
1.
Der Meiſter als Einzelner.
§. 524.
Die Vollendung der Herrſchaft über die Technik iſt das Ende der Schule;
in ihr verſchwindet die Mühe, das Werk des reifen Künſtlers erſcheint wie von
ſelbſt geworden, alſo wie ein Naturwerk, obwohl der Zuſchauer ſich bewußt
bleibt, daß es Kunſtwerk iſt (Kant). Es ſteht auf ſich und erklärt ſich ſelbſt,
denn es bleibt im Innern des Künſtlers nichts zurück, was nicht flüſſig her-
austräte in ſein Werk, und in dieſem nichts, was bloßer Stoff wäre. Hiedurch
erſt iſt die Definition des Schönen §. 14 vollſtändig entwickelt.
Der §. vermeidet noch den Namen Meiſter, weil eine gewiſſe Form
der vollendeten techniſchen Ausbildung erſt aufzuführen iſt, welcher ein
weſentliches Moment fehlt, um denſelben zu verdienen; da jedoch aller-
dings nur da, wo dieſes Moment eintritt, geleiſtet wird, was der §. an
die Spitze der folgenden Unterſcheidungen ſtellt, ſo mögen wir hier das Subject
der dargeſtellten Leiſtung immerhin bereits Meiſter nennen. Allerdings hat
nun auch der Meiſter nie ausgelernt und zeitlich iſt daher der Punct, den
wir hier ſetzen, kaum zu finden, aber der Begriff muß feſtſtellen, was
ſich in der Wirklichkeit in’s Unbeſtimmte verläuft und nur als relatives
Maximum zu erkennen iſt. Das Verſchwinden der Mühe nun in dem
meiſterhaften Werke iſt das Verſchwinden des Gegenſatzes zwiſchen Subject
und Object: das Subject iſt nicht mehr ſichtbar, denn es hat ſein inneres
Bild ohne Reſt in das Material niedergelegt, im Gelingen ſind die Spuren
der Mühe, des Kampfs mit der techniſchen Regel und mit dem Material
getilgt, das Object iſt nicht mehr ſichtbar, weil das Material als ſolches,
d. h. als roher Stoff, überwunden, weil es ſchlechthin zum Ausdruck des
innern Ideals umgebildet iſt. Daher erſcheint ein ſolches Werk nicht mehr
als gemacht, als gearbeitet, ſondern als geworden. Da nun von der
Natur nicht ausgeſagt werden kann, daß ſie arbeite und mache, weil in ihr
der Gegenſatz zwiſchen einem Zweckſetzenden Subject, einem zu beſtimmen-
den Object und Mitteln zu deſſen Ueberwindung überhaupt nicht vor-
handen iſt, ſo erſcheint das Kunſtwerk aus Meiſterhand, in welchem das
Machen und Arbeiten unſichtbar geworden, wie ein Naturwerk. Weil aber
der weſentliche Unterſchied zwiſchen einer Kraft, in welcher der Gegenſatz
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