Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.
Bedeutung als Nothhilfe. Man wird mit Fragen von Symbol zu Sym- Man sieht allerdings, wie hier der Ansatz zum Mythischen stärker Besonders das Thierleben diente dem Aegyptier als Symbol.
Bedeutung als Nothhilfe. Man wird mit Fragen von Symbol zu Sym- Man ſieht allerdings, wie hier der Anſatz zum Mythiſchen ſtärker Beſonders das Thierleben diente dem Aegyptier als Symbol. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0153" n="439"/> Bedeutung als Nothhilfe. Man wird mit Fragen von Symbol zu Sym-<lb/> bol geſchickt und kommt nie mit der Antwort zurück: die Sonne, der Nil,<lb/> das Jahr bedeuten einander, Oſiris, zwar Perſon, alſo mythiſch, aber<lb/> wieder nur ſymboliſch, bedeutet alle und dazu den Ackerbau, die Geſittung<lb/> überhaupt und die ſittliche Idee des Lebens als Todtenrichter, aber um-<lb/> gekehrt bedeuten ſie wieder ihn, denn es iſt die Ahnung da, daß die<lb/> Naturkräfte nicht das Wahre ſeien, ſondern das Subject, in welchem die<lb/> ganze Natur ſich zuſammenfaßt und negativ aufhebt. Oſiris iſt aber<lb/> wieder nicht wahrhaft das Subject, er ſchickt abermals zu den Naturkräften<lb/> fort, er hat daher ſelbſt wieder ſein Symbol im Sperber (der mit offenem<lb/> Auge in die Sonne ſehen kann, daher dieſe bedeutet), ebenſo im Stier<lb/> Apis, der Symbol des Jahrs, der Sonne, des Nils iſt. Sein und der<lb/> Iſis Sohn Horus, zunächſt der Frühling, fällt auch wieder mit ihm zu-<lb/> ſammen. Er lebt in der Unterwelt fort, da hat er ſittliche Bedeutung,<lb/> er lebt aber auch im Horus fort und im Apis, da hat er wieder blos<lb/> Naturbedeutung.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Man ſieht allerdings, wie hier der Anſatz zum Mythiſchen ſtärker<lb/> iſt, als irgendwo. Da dieſes die Perſon, alſo die menſchliche Geſtalt<lb/> vorausſetzt, ſo erweitert ſich keine orientaliſche Phantaſie ſo beſtimmt zum<lb/> Sinne für menſchliche Schönheit; es fehlt zwar der ſeelenvolle indiſche<lb/> Sinn für das menſchliche Empfindungsleben, aber der Formſinn iſt<lb/> deſto ſtärker. Um ſo weher muß es daher thun, wenn eben jetzt, da<lb/> dieſe Blüthe aufgehen will, die meſſende Phantaſie ſich auf ſie wirft, ihr<lb/> den Ausdruck der Lebendigkeit und Individualität nimmt und ſie behan-<lb/> delt, wie man unorganiſche Formen mißt. Aber nicht nur dieß; der my-<lb/> thiſche Anſatz ſinkt auch hier wieder ſo tief in das Symboliſche, daß gerade<lb/> der menſchlichſte Theil, das Haupt, mit einem Thierhaupte, Sperberkopf,<lb/> Hundskopf, Widder-, Kuh-Kopf u. ſ. w. vertauſcht wird. Dieß müßte<lb/> gerade um des übrigen Fortſchritts willen unerträglich ſein, wenn man<lb/> nicht ſogleich wüßte, daß nicht Schönheit, ſondern die Bedeutung der<lb/> Zweck iſt. So erkennt man denn bei den Aegyptiern leichter, als irgend-<lb/> wo, die ſymboliſche Abſicht, ohne daß darum irgend ein getrenntes Be-<lb/> wußtſein der Bedeutung da wäre, wodurch das Symbolſche ſich aufhöbe.<lb/> Man ſieht den Symbolen an ihrer <hi rendition="#g">bedachtſameren Wahl</hi> (Hegel<lb/> Aeſth. Th. 1, S. 452), an ihrer ruhig geordneten Wiederkehr an, daß<lb/> ſiie Symbole, aber man ſieht auch, daß ſie Nothhilfe einer unklaren<lb/> Ahnung ſind, daß ſie ihren Urhebern ſelbſt die Antwort des Räthſels<lb/> ſchuldig blieben, daher der §. das räthſelhafte Schweigen als weiteren<lb/> Grundzug hervorhebt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Beſonders das Thierleben diente dem Aegyptier als Symbol.<lb/> Nutzen oder Schaden der Thiere konnte nicht der letzte Grund ihrer<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [439/0153]
Bedeutung als Nothhilfe. Man wird mit Fragen von Symbol zu Sym-
bol geſchickt und kommt nie mit der Antwort zurück: die Sonne, der Nil,
das Jahr bedeuten einander, Oſiris, zwar Perſon, alſo mythiſch, aber
wieder nur ſymboliſch, bedeutet alle und dazu den Ackerbau, die Geſittung
überhaupt und die ſittliche Idee des Lebens als Todtenrichter, aber um-
gekehrt bedeuten ſie wieder ihn, denn es iſt die Ahnung da, daß die
Naturkräfte nicht das Wahre ſeien, ſondern das Subject, in welchem die
ganze Natur ſich zuſammenfaßt und negativ aufhebt. Oſiris iſt aber
wieder nicht wahrhaft das Subject, er ſchickt abermals zu den Naturkräften
fort, er hat daher ſelbſt wieder ſein Symbol im Sperber (der mit offenem
Auge in die Sonne ſehen kann, daher dieſe bedeutet), ebenſo im Stier
Apis, der Symbol des Jahrs, der Sonne, des Nils iſt. Sein und der
Iſis Sohn Horus, zunächſt der Frühling, fällt auch wieder mit ihm zu-
ſammen. Er lebt in der Unterwelt fort, da hat er ſittliche Bedeutung,
er lebt aber auch im Horus fort und im Apis, da hat er wieder blos
Naturbedeutung.
Man ſieht allerdings, wie hier der Anſatz zum Mythiſchen ſtärker
iſt, als irgendwo. Da dieſes die Perſon, alſo die menſchliche Geſtalt
vorausſetzt, ſo erweitert ſich keine orientaliſche Phantaſie ſo beſtimmt zum
Sinne für menſchliche Schönheit; es fehlt zwar der ſeelenvolle indiſche
Sinn für das menſchliche Empfindungsleben, aber der Formſinn iſt
deſto ſtärker. Um ſo weher muß es daher thun, wenn eben jetzt, da
dieſe Blüthe aufgehen will, die meſſende Phantaſie ſich auf ſie wirft, ihr
den Ausdruck der Lebendigkeit und Individualität nimmt und ſie behan-
delt, wie man unorganiſche Formen mißt. Aber nicht nur dieß; der my-
thiſche Anſatz ſinkt auch hier wieder ſo tief in das Symboliſche, daß gerade
der menſchlichſte Theil, das Haupt, mit einem Thierhaupte, Sperberkopf,
Hundskopf, Widder-, Kuh-Kopf u. ſ. w. vertauſcht wird. Dieß müßte
gerade um des übrigen Fortſchritts willen unerträglich ſein, wenn man
nicht ſogleich wüßte, daß nicht Schönheit, ſondern die Bedeutung der
Zweck iſt. So erkennt man denn bei den Aegyptiern leichter, als irgend-
wo, die ſymboliſche Abſicht, ohne daß darum irgend ein getrenntes Be-
wußtſein der Bedeutung da wäre, wodurch das Symbolſche ſich aufhöbe.
Man ſieht den Symbolen an ihrer bedachtſameren Wahl (Hegel
Aeſth. Th. 1, S. 452), an ihrer ruhig geordneten Wiederkehr an, daß
ſiie Symbole, aber man ſieht auch, daß ſie Nothhilfe einer unklaren
Ahnung ſind, daß ſie ihren Urhebern ſelbſt die Antwort des Räthſels
ſchuldig blieben, daher der §. das räthſelhafte Schweigen als weiteren
Grundzug hervorhebt.
Beſonders das Thierleben diente dem Aegyptier als Symbol.
Nutzen oder Schaden der Thiere konnte nicht der letzte Grund ihrer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |