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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.

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über, wenn wir es kämpfen sehen, und ein Frosch erscheint nach Umständen
auch ohne jenen Act komisch, wenn er hüpft und springt, wenn sein Quacken
an Menschenstimmen erinnert. Als Ausdruck der idealistischen Ansicht,
welcher wir hiemit entgegentreten, stehe eine Aeußerung Hettners. Für
seinen Satz, daß es im Schönen überall nicht auf den Gegenstand, son-
dern nur auf die Darstellung ankomme, führt er u. A. (Wigands Vier-
teljahrsschr. 1845. B. 4. S. 16.) an, ein Crokodil, eine Kröte könne in
der Natur häßlich erscheinen, in der Kunst aber vortheilhaft. Hettner hätte
seine eigene Ansicht richtiger ausgedrückt, wenn er gesagt hätte, in der
Natur sei nichts weder schön noch häßlich, sondern nur in der Darstellung
der Kunst, und diese könne das, was sie sonst häßlich darstelle, ebensogut
auch vortheilhaft anbringen. Von diesem consequenten Idealismus ist er
aber schon dadurch weit ab, daß er wenigstens von einem häßlich Erscheinen
des Naturgegenstandes spricht und er hütet sich wohl, zu sagen, schön
könne die Kunst ein solches Thier darstellen, denn nicht unmittelbar kann
sie dieß ja, sondern nur durch die Wendung zum Erhabenen oder Komischen,
worin dem Häßlichen zwar sein Stachel genommen wird, doch nicht
so, daß es schlechtweg aufhörte, häßlich zu sein, sondern nur so, daß wir
aus anderweitigen Gründen das Häßliche nicht mehr als Häßliches wahr-
nehmen. Wir können dieß dann vermittelte (kämpfende) Schönheit nennen,
aber ebendaraus, daß ein solches Thier niemals in der Weise der unmittel-
baren, d. h. hier der einfachen und kampflosen Schönheit als schön dar-
gestellt werden kann, folgt die Unrichtigkeit des ganzen Hettnerschen Satzes.
Die Wendung zum Erhabenen und Komischen kann das häßliche Thier,
wie schon gesagt, auch ohne einen bestimmenden Act der Phantasie von
Seiten des Zuschauers nehmen; und wenn die Kunst, weil sie aus einem
Willen hervorgeht, aus freier Bestimmung dem Gegenstande diese Wendung
gibt, auch wo er sie in der Natur nicht nimmt, so fingirt sie doch eben
einen Fall, der sonst allerdings in der Natur vorkommt und hundertmal
gesehen worden ist, wie sie ja überhaupt fingirt, als sei das ganze Thier
selbst gegenwärtig, wo es nicht ist. Sie fingirt es aber mit der Bildung,
die es in der Natur hat; sie fingirt es nicht nur, sondern erhöht, (um
vorläufig bei diesem unbestimmten Ausdruck zu bleiben) diese Bildung,
und dieß ist ein Unterschied des Naturschönen und des Kunstschönen, der
seines Orts gehörig in Geltung treten wird, aber sie kann das in der
Natur Häßliche nicht so erhöhen, daß die Häßlichkeit, außer durch dieselbe
Wendung, durch welche sie auch in der bloßen Natur eine andere Wir-
kung erhält, verschwände. Verfährt sie anders, so lügt sie, und dieß kann
sie freilich eben so gut, wie ich im sittlichen Gebiete das Schlechte als
gut und umgekehrt darstellen kann, aber sie vernichtet sich dadurch ebenso
wie die sittliche Lüge. Hat der Maler z. B. einen Kopf abzubilden, der

Vischer's Aesthetik. 2. Band. 2

über, wenn wir es kämpfen ſehen, und ein Froſch erſcheint nach Umſtänden
auch ohne jenen Act komiſch, wenn er hüpft und ſpringt, wenn ſein Quacken
an Menſchenſtimmen erinnert. Als Ausdruck der idealiſtiſchen Anſicht,
welcher wir hiemit entgegentreten, ſtehe eine Aeußerung Hettners. Für
ſeinen Satz, daß es im Schönen überall nicht auf den Gegenſtand, ſon-
dern nur auf die Darſtellung ankomme, führt er u. A. (Wigands Vier-
teljahrsſchr. 1845. B. 4. S. 16.) an, ein Crokodil, eine Kröte könne in
der Natur häßlich erſcheinen, in der Kunſt aber vortheilhaft. Hettner hätte
ſeine eigene Anſicht richtiger ausgedrückt, wenn er geſagt hätte, in der
Natur ſei nichts weder ſchön noch häßlich, ſondern nur in der Darſtellung
der Kunſt, und dieſe könne das, was ſie ſonſt häßlich darſtelle, ebenſogut
auch vortheilhaft anbringen. Von dieſem conſequenten Idealismus iſt er
aber ſchon dadurch weit ab, daß er wenigſtens von einem häßlich Erſcheinen
des Naturgegenſtandes ſpricht und er hütet ſich wohl, zu ſagen, ſchön
könne die Kunſt ein ſolches Thier darſtellen, denn nicht unmittelbar kann
ſie dieß ja, ſondern nur durch die Wendung zum Erhabenen oder Komiſchen,
worin dem Häßlichen zwar ſein Stachel genommen wird, doch nicht
ſo, daß es ſchlechtweg aufhörte, häßlich zu ſein, ſondern nur ſo, daß wir
aus anderweitigen Gründen das Häßliche nicht mehr als Häßliches wahr-
nehmen. Wir können dieß dann vermittelte (kämpfende) Schönheit nennen,
aber ebendaraus, daß ein ſolches Thier niemals in der Weiſe der unmittel-
baren, d. h. hier der einfachen und kampfloſen Schönheit als ſchön dar-
geſtellt werden kann, folgt die Unrichtigkeit des ganzen Hettnerſchen Satzes.
Die Wendung zum Erhabenen und Komiſchen kann das häßliche Thier,
wie ſchon geſagt, auch ohne einen beſtimmenden Act der Phantaſie von
Seiten des Zuſchauers nehmen; und wenn die Kunſt, weil ſie aus einem
Willen hervorgeht, aus freier Beſtimmung dem Gegenſtande dieſe Wendung
gibt, auch wo er ſie in der Natur nicht nimmt, ſo fingirt ſie doch eben
einen Fall, der ſonſt allerdings in der Natur vorkommt und hundertmal
geſehen worden iſt, wie ſie ja überhaupt fingirt, als ſei das ganze Thier
ſelbſt gegenwärtig, wo es nicht iſt. Sie fingirt es aber mit der Bildung,
die es in der Natur hat; ſie fingirt es nicht nur, ſondern erhöht, (um
vorläufig bei dieſem unbeſtimmten Ausdruck zu bleiben) dieſe Bildung,
und dieß iſt ein Unterſchied des Naturſchönen und des Kunſtſchönen, der
ſeines Orts gehörig in Geltung treten wird, aber ſie kann das in der
Natur Häßliche nicht ſo erhöhen, daß die Häßlichkeit, außer durch dieſelbe
Wendung, durch welche ſie auch in der bloßen Natur eine andere Wir-
kung erhält, verſchwände. Verfährt ſie anders, ſo lügt ſie, und dieß kann
ſie freilich eben ſo gut, wie ich im ſittlichen Gebiete das Schlechte als
gut und umgekehrt darſtellen kann, aber ſie vernichtet ſich dadurch ebenſo
wie die ſittliche Lüge. Hat der Maler z. B. einen Kopf abzubilden, der

Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 2
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[17/0029] über, wenn wir es kämpfen ſehen, und ein Froſch erſcheint nach Umſtänden auch ohne jenen Act komiſch, wenn er hüpft und ſpringt, wenn ſein Quacken an Menſchenſtimmen erinnert. Als Ausdruck der idealiſtiſchen Anſicht, welcher wir hiemit entgegentreten, ſtehe eine Aeußerung Hettners. Für ſeinen Satz, daß es im Schönen überall nicht auf den Gegenſtand, ſon- dern nur auf die Darſtellung ankomme, führt er u. A. (Wigands Vier- teljahrsſchr. 1845. B. 4. S. 16.) an, ein Crokodil, eine Kröte könne in der Natur häßlich erſcheinen, in der Kunſt aber vortheilhaft. Hettner hätte ſeine eigene Anſicht richtiger ausgedrückt, wenn er geſagt hätte, in der Natur ſei nichts weder ſchön noch häßlich, ſondern nur in der Darſtellung der Kunſt, und dieſe könne das, was ſie ſonſt häßlich darſtelle, ebenſogut auch vortheilhaft anbringen. Von dieſem conſequenten Idealismus iſt er aber ſchon dadurch weit ab, daß er wenigſtens von einem häßlich Erſcheinen des Naturgegenſtandes ſpricht und er hütet ſich wohl, zu ſagen, ſchön könne die Kunſt ein ſolches Thier darſtellen, denn nicht unmittelbar kann ſie dieß ja, ſondern nur durch die Wendung zum Erhabenen oder Komiſchen, worin dem Häßlichen zwar ſein Stachel genommen wird, doch nicht ſo, daß es ſchlechtweg aufhörte, häßlich zu ſein, ſondern nur ſo, daß wir aus anderweitigen Gründen das Häßliche nicht mehr als Häßliches wahr- nehmen. Wir können dieß dann vermittelte (kämpfende) Schönheit nennen, aber ebendaraus, daß ein ſolches Thier niemals in der Weiſe der unmittel- baren, d. h. hier der einfachen und kampfloſen Schönheit als ſchön dar- geſtellt werden kann, folgt die Unrichtigkeit des ganzen Hettnerſchen Satzes. Die Wendung zum Erhabenen und Komiſchen kann das häßliche Thier, wie ſchon geſagt, auch ohne einen beſtimmenden Act der Phantaſie von Seiten des Zuſchauers nehmen; und wenn die Kunſt, weil ſie aus einem Willen hervorgeht, aus freier Beſtimmung dem Gegenſtande dieſe Wendung gibt, auch wo er ſie in der Natur nicht nimmt, ſo fingirt ſie doch eben einen Fall, der ſonſt allerdings in der Natur vorkommt und hundertmal geſehen worden iſt, wie ſie ja überhaupt fingirt, als ſei das ganze Thier ſelbſt gegenwärtig, wo es nicht iſt. Sie fingirt es aber mit der Bildung, die es in der Natur hat; ſie fingirt es nicht nur, ſondern erhöht, (um vorläufig bei dieſem unbeſtimmten Ausdruck zu bleiben) dieſe Bildung, und dieß iſt ein Unterſchied des Naturſchönen und des Kunſtſchönen, der ſeines Orts gehörig in Geltung treten wird, aber ſie kann das in der Natur Häßliche nicht ſo erhöhen, daß die Häßlichkeit, außer durch dieſelbe Wendung, durch welche ſie auch in der bloßen Natur eine andere Wir- kung erhält, verſchwände. Verfährt ſie anders, ſo lügt ſie, und dieß kann ſie freilich eben ſo gut, wie ich im ſittlichen Gebiete das Schlechte als gut und umgekehrt darſtellen kann, aber ſie vernichtet ſich dadurch ebenſo wie die ſittliche Lüge. Hat der Maler z. B. einen Kopf abzubilden, der Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 2

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/29>, abgerufen am 21.11.2024.