Wächter, Jagdgeselle des Menschen ist zutappend, aber gehorsam, ehrlich, uneingedenk der Beleidigung und dankbar für die Wohlthat, Feind des Unfugs und polizeilich, tapfer und mehr stolz als eitel, freilich auch schmutzig und schamlos, aber desto mehr fügt er zum Rührenden das Komische. Seine hohe3 Bedeutung im Thierreiche zeigt dieses Geschlecht auch dadurch, daß es in merk- würdigem Spiele nicht nur einige seiner vielfältigen Racen in verschiedenem Größenmaßstabe, sondern zugleich verschiedene andere Thierformen und Thier- Charaktere nachahmend in seiner Bildung wiederholt.
1. Der Wolf ist auf den ersten Anblick hyänenartig, namentlich durch das gedrückte Kreuz. Von Freund Reineke wissen wir Alle genug; was Haltung betrifft, so ist er gebückt, hängend, schleichend wie die Katze, so sehr er durch seine Schnauze übrigens der Spitzmaus ähnelt. Seine Farbe jedoch, sein dickes Fell, sein dichtbehaarter Schwanz putzen ihn heraus. Die Hunde kehren in Bildung des Kopfes überhaupt mehr zum Maustypus zurück, so sehr sie ihr satterer, straffer modellirter Leib, ihre schwungreichere Haltung über diesen und die Katze hebt. Der rundere Kopf der Katze steht zwar dem menschlichen näher, sieht aber hier mehr eulen- artig aus. Die reichere Mannigfaltigkeit an Bewegungen, deren der Hund fähig ist, braucht keine Aufzählung; auch Ohren und Schwanz spielen ausdrucksvoller. Die List ist wohl komisch am Fuchse, aber diese Eigen- schaft gehört gewiß unter die geringeren Fähigkeiten der Intelligenz; auch ist es keine Kunst, listig sein, wenn man kein Gewissen hat.
2. Der Charakter des Hunds zeigt sich in seiner ganzen Bestimmt- heit im Gegensatz gegen die Katze; diese Geschlechter stehen sich so feind- selig wie Diplomat und Biedermann gegenüber. Er läßt sich weniger auf List ein nicht nur, weil er besser, sondern auch, weil er gescheuter ist; wie denn ja auch das vernunftlosere Weib listiger ist, als der Mann. Der Hund merkt und versteht unendlich mehr, als die Katze, sowohl Deut und Wink, als Worte. Mädchenhaft ist die Katze durch ihre Koketterie, Reinlichkeit, womit sie ihr Fratzengesicht ewig putzt, die sauberen Stellen aussucht und die Pfote schüttelt, wenn sie in Koth getreten. Sie ist Nachtschleicherin, diebisch und liebt nicht sowohl den Herrn, als das Haus. Der Hund wird persönlich Freund des Herrn und ist daher selbst das persönlichste Thier, weil er seine Persönlichkeit in Disciplin und Gehorsam gegen die mensch- liche aufgibt; dieser Bruch des ersten Instincts durch einen zweiten höheren, der ihn fremder Vernunft gehorchen lehrt, fehlt der Katze ganz, sie gleicht auch in ihrem Eigensinn dem Weibe. Gerade diese seine beste Eigenschaft wird in gewissen Redensarten: hündische Kriecherei u. s. w. am meisten verkannt. Er läßt sich nicht von Jedem, sondern nur von seinem Herrn schlagen, weil er anerkennt, daß er Erziehung bedarf. Er trauert, wenn
Wächter, Jagdgeſelle des Menſchen iſt zutappend, aber gehorſam, ehrlich, uneingedenk der Beleidigung und dankbar für die Wohlthat, Feind des Unfugs und polizeilich, tapfer und mehr ſtolz als eitel, freilich auch ſchmutzig und ſchamlos, aber deſto mehr fügt er zum Rührenden das Komiſche. Seine hohe3 Bedeutung im Thierreiche zeigt dieſes Geſchlecht auch dadurch, daß es in merk- würdigem Spiele nicht nur einige ſeiner vielfältigen Racen in verſchiedenem Größenmaßſtabe, ſondern zugleich verſchiedene andere Thierformen und Thier- Charaktere nachahmend in ſeiner Bildung wiederholt.
1. Der Wolf iſt auf den erſten Anblick hyänenartig, namentlich durch das gedrückte Kreuz. Von Freund Reineke wiſſen wir Alle genug; was Haltung betrifft, ſo iſt er gebückt, hängend, ſchleichend wie die Katze, ſo ſehr er durch ſeine Schnauze übrigens der Spitzmaus ähnelt. Seine Farbe jedoch, ſein dickes Fell, ſein dichtbehaarter Schwanz putzen ihn heraus. Die Hunde kehren in Bildung des Kopfes überhaupt mehr zum Maustypus zurück, ſo ſehr ſie ihr ſatterer, ſtraffer modellirter Leib, ihre ſchwungreichere Haltung über dieſen und die Katze hebt. Der rundere Kopf der Katze ſteht zwar dem menſchlichen näher, ſieht aber hier mehr eulen- artig aus. Die reichere Mannigfaltigkeit an Bewegungen, deren der Hund fähig iſt, braucht keine Aufzählung; auch Ohren und Schwanz ſpielen ausdrucksvoller. Die Liſt iſt wohl komiſch am Fuchſe, aber dieſe Eigen- ſchaft gehört gewiß unter die geringeren Fähigkeiten der Intelligenz; auch iſt es keine Kunſt, liſtig ſein, wenn man kein Gewiſſen hat.
2. Der Charakter des Hunds zeigt ſich in ſeiner ganzen Beſtimmt- heit im Gegenſatz gegen die Katze; dieſe Geſchlechter ſtehen ſich ſo feind- ſelig wie Diplomat und Biedermann gegenüber. Er läßt ſich weniger auf Liſt ein nicht nur, weil er beſſer, ſondern auch, weil er geſcheuter iſt; wie denn ja auch das vernunftloſere Weib liſtiger iſt, als der Mann. Der Hund merkt und verſteht unendlich mehr, als die Katze, ſowohl Deut und Wink, als Worte. Mädchenhaft iſt die Katze durch ihre Koketterie, Reinlichkeit, womit ſie ihr Fratzengeſicht ewig putzt, die ſauberen Stellen ausſucht und die Pfote ſchüttelt, wenn ſie in Koth getreten. Sie iſt Nachtſchleicherin, diebiſch und liebt nicht ſowohl den Herrn, als das Haus. Der Hund wird perſönlich Freund des Herrn und iſt daher ſelbſt das perſönlichſte Thier, weil er ſeine Perſönlichkeit in Disciplin und Gehorſam gegen die menſch- liche aufgibt; dieſer Bruch des erſten Inſtincts durch einen zweiten höheren, der ihn fremder Vernunft gehorchen lehrt, fehlt der Katze ganz, ſie gleicht auch in ihrem Eigenſinn dem Weibe. Gerade dieſe ſeine beſte Eigenſchaft wird in gewiſſen Redensarten: hündiſche Kriecherei u. ſ. w. am meiſten verkannt. Er läßt ſich nicht von Jedem, ſondern nur von ſeinem Herrn ſchlagen, weil er anerkennt, daß er Erziehung bedarf. Er trauert, wenn
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Wächter, Jagdgeſelle des Menſchen iſt zutappend, aber gehorſam, ehrlich,
uneingedenk der Beleidigung und dankbar für die Wohlthat, Feind des Unfugs
und polizeilich, tapfer und mehr ſtolz als eitel, freilich auch ſchmutzig und
ſchamlos, aber deſto mehr fügt er zum Rührenden das Komiſche. Seine hohe
Bedeutung im Thierreiche zeigt dieſes Geſchlecht auch dadurch, daß es in merk-
würdigem Spiele nicht nur einige ſeiner vielfältigen Racen in verſchiedenem
Größenmaßſtabe, ſondern zugleich verſchiedene andere Thierformen und Thier-
Charaktere nachahmend in ſeiner Bildung wiederholt.
1. Der Wolf iſt auf den erſten Anblick hyänenartig, namentlich
durch das gedrückte Kreuz. Von Freund Reineke wiſſen wir Alle genug;
was Haltung betrifft, ſo iſt er gebückt, hängend, ſchleichend wie die Katze,
ſo ſehr er durch ſeine Schnauze übrigens der Spitzmaus ähnelt. Seine
Farbe jedoch, ſein dickes Fell, ſein dichtbehaarter Schwanz putzen ihn
heraus. Die Hunde kehren in Bildung des Kopfes überhaupt mehr zum
Maustypus zurück, ſo ſehr ſie ihr ſatterer, ſtraffer modellirter Leib, ihre
ſchwungreichere Haltung über dieſen und die Katze hebt. Der rundere Kopf
der Katze ſteht zwar dem menſchlichen näher, ſieht aber hier mehr eulen-
artig aus. Die reichere Mannigfaltigkeit an Bewegungen, deren der Hund
fähig iſt, braucht keine Aufzählung; auch Ohren und Schwanz ſpielen
ausdrucksvoller. Die Liſt iſt wohl komiſch am Fuchſe, aber dieſe Eigen-
ſchaft gehört gewiß unter die geringeren Fähigkeiten der Intelligenz; auch
iſt es keine Kunſt, liſtig ſein, wenn man kein Gewiſſen hat.
2. Der Charakter des Hunds zeigt ſich in ſeiner ganzen Beſtimmt-
heit im Gegenſatz gegen die Katze; dieſe Geſchlechter ſtehen ſich ſo feind-
ſelig wie Diplomat und Biedermann gegenüber. Er läßt ſich weniger auf
Liſt ein nicht nur, weil er beſſer, ſondern auch, weil er geſcheuter iſt; wie
denn ja auch das vernunftloſere Weib liſtiger iſt, als der Mann. Der Hund
merkt und verſteht unendlich mehr, als die Katze, ſowohl Deut und Wink,
als Worte. Mädchenhaft iſt die Katze durch ihre Koketterie, Reinlichkeit,
womit ſie ihr Fratzengeſicht ewig putzt, die ſauberen Stellen ausſucht und
die Pfote ſchüttelt, wenn ſie in Koth getreten. Sie iſt Nachtſchleicherin,
diebiſch und liebt nicht ſowohl den Herrn, als das Haus. Der Hund wird
perſönlich Freund des Herrn und iſt daher ſelbſt das perſönlichſte Thier,
weil er ſeine Perſönlichkeit in Disciplin und Gehorſam gegen die menſch-
liche aufgibt; dieſer Bruch des erſten Inſtincts durch einen zweiten höheren,
der ihn fremder Vernunft gehorchen lehrt, fehlt der Katze ganz, ſie gleicht
auch in ihrem Eigenſinn dem Weibe. Gerade dieſe ſeine beſte Eigenſchaft
wird in gewiſſen Redensarten: hündiſche Kriecherei u. ſ. w. am meiſten
verkannt. Er läßt ſich nicht von Jedem, ſondern nur von ſeinem Herrn
ſchlagen, weil er anerkennt, daß er Erziehung bedarf. Er trauert, wenn
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/165>, abgerufen am 16.07.2024.
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