Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
auch bereits leidenschaftlich grausam, selbst listig sind. Dennoch ist es der Mit den Weichthieren und Würmern ist nun ästhetisch natürlich blut- 2. Hornartige Festigung der Haut und eingeschnittene Theilung tritt
auch bereits leidenſchaftlich grauſam, ſelbſt liſtig ſind. Dennoch iſt es der Mit den Weichthieren und Würmern iſt nun äſthetiſch natürlich blut- 2. Hornartige Feſtigung der Haut und eingeſchnittene Theilung tritt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0133" n="121"/> auch bereits leidenſchaftlich grauſam, ſelbſt liſtig ſind. Dennoch iſt es der<lb/> Wurm, der nicht nur durch die Längsrichtung, ſondern (in der Klaſſe der<lb/> Rothwürmer) durch die zur Seite angeſetzten fußartigen Fäden und durch<lb/> die, zwar noch nicht hornigen, Ringel ſeines Leibs höher ſteht, als dieſe<lb/> und alle andern Weichthiere, in zwei ſymmetriſche Hälften der Länge nach<lb/> zerfällt und den Uebergang zum Kruſtenthiere, durch dieſes zum Inſecte<lb/> darſtellt. Letzteres zeigt in ſeiner erſten Metamorphoſe als Raupe Wurm-<lb/> geſtalt und ſein ſackiger, geringelter Leib iſt nichts Anderes als der<lb/> frühere Wurm.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Mit den Weichthieren und Würmern iſt nun äſthetiſch natürlich blut-<lb/> wenig anzufangen. Zur Komik geben jene Stoff, weil ſie ihr Haus mit<lb/> ſich ſchleppen und durch ihre Langſamkeit unwillkührlich an Trägheit<lb/> erinnern. Gefällig ſind ſie theilweiſe durch das abſtracte Moment der Farbe,<lb/> die namentlich an den Muſcheln vorkommt, auch als Glanz verſchiedener<lb/> Art, namentlich Perlmutterglanz (Schönheit der Perle). Die Subſtanz der<lb/> Muſcheln weist wieder entſchieden in’s Mineralreich zurück, ihr Bau iſt<lb/> ein äſthetiſch zweifelhafter Gegenſtand: er zeigt keine völlige Regel-<lb/> mäßigkeit und Symmetrie, ſondern weicht ſpielend in allerhand Wendungen,<lb/> Zacken u. ſ. w. aus und durch dieſe Schnörkel hat er etwas Rokoko-<lb/> Artiges. Wenn nun geometriſche Regelmäßigkeit, wie bei dem Kryſtall,<lb/> uns an die Architectur erinnert, wenn ebendarum die Muſchel einen archi-<lb/> tectoniſchen Charakter hat und zu Ornamenten ſehr paſſend erſcheint, ſo<lb/> ſtört ſie vielmehr durch die Schnörkel die ſtatiſche Ruhe und Klarheit<lb/> wieder, und ſo kommt es, daß wir allerdings von einer ganzen Periode<lb/> der Architectur die Muſchel vielfach, und zwar ſogar als Thurmpyramide<lb/> in ſpiralförmig gewundener Form verwendet ſehen, aber eben von einer<lb/> willkührlichen und manirirten Periode, dem ſogenannten Zopfſtyle. —<lb/> Der Molluske ſelbſt iſt aber immer eckelhaft durch ſeine breiige Schmierigkeit,<lb/> zum Theil auch furchtbar, wie oben erwähnt iſt. Auch der Wurm iſt<lb/> eckelhaft, nur in einigen Gattungen zeichnet er ſich durch ſchöne Farbe aus<lb/> (vierkantiger Spritzwurm u. and.).</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Hornartige Feſtigung der Haut und eingeſchnittene Theilung tritt<lb/> mit den Kruſtenthieren ein, der Vorſtufe des eigentlichen Inſects. Dieſe<lb/> Claſſe beſteht noch größtentheils aus Waſſerthieren. Sie ſind ein wahres<lb/> Reich der Häßlichkeit, alle durch die ſtachlichte, zackigte Vielheit ihrer<lb/> Organe, dieſer Borſten, Fühlhörner, Taſter, Saugrüßel, zwickenden Kinn-<lb/> laden, wuſelnden Füße u. ſ. w., ein Theil durch die noch halbweiche,<lb/> wäſſerigte und durchſichtige Hornhaut, welche die eckelhafte Vorſtellung<lb/> eines bei der Berührung berſtenden Schleimſacks gibt, andere durch ihre<lb/> widerlichen Waffen, Zangen, Scheeren u. dergl. Noch wurmartig ſind die<lb/> vielfüßigen <hi rendition="#g">Aſſeln</hi>, in welchen nur erſt der Kopf vom Rumpfe unter-<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0133]
auch bereits leidenſchaftlich grauſam, ſelbſt liſtig ſind. Dennoch iſt es der
Wurm, der nicht nur durch die Längsrichtung, ſondern (in der Klaſſe der
Rothwürmer) durch die zur Seite angeſetzten fußartigen Fäden und durch
die, zwar noch nicht hornigen, Ringel ſeines Leibs höher ſteht, als dieſe
und alle andern Weichthiere, in zwei ſymmetriſche Hälften der Länge nach
zerfällt und den Uebergang zum Kruſtenthiere, durch dieſes zum Inſecte
darſtellt. Letzteres zeigt in ſeiner erſten Metamorphoſe als Raupe Wurm-
geſtalt und ſein ſackiger, geringelter Leib iſt nichts Anderes als der
frühere Wurm.
Mit den Weichthieren und Würmern iſt nun äſthetiſch natürlich blut-
wenig anzufangen. Zur Komik geben jene Stoff, weil ſie ihr Haus mit
ſich ſchleppen und durch ihre Langſamkeit unwillkührlich an Trägheit
erinnern. Gefällig ſind ſie theilweiſe durch das abſtracte Moment der Farbe,
die namentlich an den Muſcheln vorkommt, auch als Glanz verſchiedener
Art, namentlich Perlmutterglanz (Schönheit der Perle). Die Subſtanz der
Muſcheln weist wieder entſchieden in’s Mineralreich zurück, ihr Bau iſt
ein äſthetiſch zweifelhafter Gegenſtand: er zeigt keine völlige Regel-
mäßigkeit und Symmetrie, ſondern weicht ſpielend in allerhand Wendungen,
Zacken u. ſ. w. aus und durch dieſe Schnörkel hat er etwas Rokoko-
Artiges. Wenn nun geometriſche Regelmäßigkeit, wie bei dem Kryſtall,
uns an die Architectur erinnert, wenn ebendarum die Muſchel einen archi-
tectoniſchen Charakter hat und zu Ornamenten ſehr paſſend erſcheint, ſo
ſtört ſie vielmehr durch die Schnörkel die ſtatiſche Ruhe und Klarheit
wieder, und ſo kommt es, daß wir allerdings von einer ganzen Periode
der Architectur die Muſchel vielfach, und zwar ſogar als Thurmpyramide
in ſpiralförmig gewundener Form verwendet ſehen, aber eben von einer
willkührlichen und manirirten Periode, dem ſogenannten Zopfſtyle. —
Der Molluske ſelbſt iſt aber immer eckelhaft durch ſeine breiige Schmierigkeit,
zum Theil auch furchtbar, wie oben erwähnt iſt. Auch der Wurm iſt
eckelhaft, nur in einigen Gattungen zeichnet er ſich durch ſchöne Farbe aus
(vierkantiger Spritzwurm u. and.).
2. Hornartige Feſtigung der Haut und eingeſchnittene Theilung tritt
mit den Kruſtenthieren ein, der Vorſtufe des eigentlichen Inſects. Dieſe
Claſſe beſteht noch größtentheils aus Waſſerthieren. Sie ſind ein wahres
Reich der Häßlichkeit, alle durch die ſtachlichte, zackigte Vielheit ihrer
Organe, dieſer Borſten, Fühlhörner, Taſter, Saugrüßel, zwickenden Kinn-
laden, wuſelnden Füße u. ſ. w., ein Theil durch die noch halbweiche,
wäſſerigte und durchſichtige Hornhaut, welche die eckelhafte Vorſtellung
eines bei der Berührung berſtenden Schleimſacks gibt, andere durch ihre
widerlichen Waffen, Zangen, Scheeren u. dergl. Noch wurmartig ſind die
vielfüßigen Aſſeln, in welchen nur erſt der Kopf vom Rumpfe unter-
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