eine Vermischung mit, aber in eine Abhängigkeit von der Religion und Ethik hinein: ein Mangel, dessen erster Ansatz eben in der Ueber- springung der einzelnen bestimmten Idee liegt, die wir oben gefunden haben. Jenes, daß nämlich Hegel das Spezifische der Schönheit im Uebrigen wohl erkannt habe, ist es nun aber eben, was Danzel über- haupt läugnet, und den Vorwurf einer Vermischung mit der Religion wendet er in Rücksicht auf die Vorlesungen zu dem Vorwurf einer Ver- mischung mit der Wahrheit. Es erscheine, sagt Danzel, die Kunst nur als eine bestimmte Form der Aeußerung und Darstellung des Wahren, als ein beiläufiges Surrogat für das Denken; Alles, was die Kunst vom Wahren unterscheide, trete nur als Zweites hinzu, der Gedanke werde durch etwas Anderes, als er, getrübt, die Besonderung komme dem Ideale von außen; Hegels ganze Aesthetik sey daher nichts als verfeinerter Baumgartenianismus. Daher werde Hegels Monismus des Gedankens, weil ihm eine falsche Anwendung gegeben sey, hier zum Dualismus. Die falsche Anwendung soll darin bestehen, daß man jenen, welcher nur das Prinzip der wissenschaftlichen Behandlung der Kunst seyn sollte, dieser als Inhalt untergeschoben habe (a. a. O. S. 52--68). Da nun Hegel selbst überall, wo er das Wesen des Schönen darstellt, in der Lehre vom Ideal, vom Künstler, von den einzelnen Künsten, die auf jeder Stelle zum allgemeinen Be- griffe des Kunstschönen zurückführt, mit wiederholter gründlicher Ent- wicklung, mit warmer Beredtsamkeit das Schöne vielmehr eben in jenen Mittelpunkt setzt, in welchem das Aeußere zu dem Innern nicht hinzu- kommt, sondern mit ihm zusammenfällt, so fragt sich, mit welchem Rechte Danzel gerade diese Stellen für Inconsequenzen erklärt, einige Wendungen, wo in ungenauerer Weise von einem blossen Verschmolzen- seyn, von einem Hineinlegen des Gehalts in die Erscheinung durch den Künstler die Rede ist, für sich benützt und als die Grundlage des Ganzen vielmehr jenen Dualismus behauptet. Es ist das Eine Denken, das durch Hegels ganzes System Stufe um Stufe Inhalt und Form wechselt. Angekommen auf der Stufe des Schönen erscheint es als reine Durchdringung des Inhalts und der sinnlichen Form ohne Bruch und Rest. Dieß und nichts Anderes sagt und entwickelt Hegel. Es kommt nun darauf an, das Geheimniß aufzudecken, wodurch diese Durchdringung sich verwirklicht. Dieß Geheimniß ist das Wesen der Phantasie. Hegel hat dieses nicht am rechten Orte und nicht hinreichend zur Darstellung gebracht. Die Phantasie sollte vor dem Ideale stehen, denn sie schafft
eine Vermiſchung mit, aber in eine Abhängigkeit von der Religion und Ethik hinein: ein Mangel, deſſen erſter Anſatz eben in der Ueber- ſpringung der einzelnen beſtimmten Idee liegt, die wir oben gefunden haben. Jenes, daß nämlich Hegel das Spezifiſche der Schönheit im Uebrigen wohl erkannt habe, iſt es nun aber eben, was Danzel über- haupt läugnet, und den Vorwurf einer Vermiſchung mit der Religion wendet er in Rückſicht auf die Vorleſungen zu dem Vorwurf einer Ver- miſchung mit der Wahrheit. Es erſcheine, ſagt Danzel, die Kunſt nur als eine beſtimmte Form der Aeußerung und Darſtellung des Wahren, als ein beiläufiges Surrogat für das Denken; Alles, was die Kunſt vom Wahren unterſcheide, trete nur als Zweites hinzu, der Gedanke werde durch etwas Anderes, als er, getrübt, die Beſonderung komme dem Ideale von außen; Hegels ganze Aeſthetik ſey daher nichts als verfeinerter Baumgartenianiſmus. Daher werde Hegels Moniſmus des Gedankens, weil ihm eine falſche Anwendung gegeben ſey, hier zum Dualiſmus. Die falſche Anwendung ſoll darin beſtehen, daß man jenen, welcher nur das Prinzip der wiſſenſchaftlichen Behandlung der Kunſt ſeyn ſollte, dieſer als Inhalt untergeſchoben habe (a. a. O. S. 52—68). Da nun Hegel ſelbſt überall, wo er das Weſen des Schönen darſtellt, in der Lehre vom Ideal, vom Künſtler, von den einzelnen Künſten, die auf jeder Stelle zum allgemeinen Be- griffe des Kunſtſchönen zurückführt, mit wiederholter gründlicher Ent- wicklung, mit warmer Beredtſamkeit das Schöne vielmehr eben in jenen Mittelpunkt ſetzt, in welchem das Aeußere zu dem Innern nicht hinzu- kommt, ſondern mit ihm zuſammenfällt, ſo fragt ſich, mit welchem Rechte Danzel gerade dieſe Stellen für Inconſequenzen erklärt, einige Wendungen, wo in ungenauerer Weiſe von einem bloſſen Verſchmolzen- ſeyn, von einem Hineinlegen des Gehalts in die Erſcheinung durch den Künſtler die Rede iſt, für ſich benützt und als die Grundlage des Ganzen vielmehr jenen Dualiſmus behauptet. Es iſt das Eine Denken, das durch Hegels ganzes Syſtem Stufe um Stufe Inhalt und Form wechſelt. Angekommen auf der Stufe des Schönen erſcheint es als reine Durchdringung des Inhalts und der ſinnlichen Form ohne Bruch und Reſt. Dieß und nichts Anderes ſagt und entwickelt Hegel. Es kommt nun darauf an, das Geheimniß aufzudecken, wodurch dieſe Durchdringung ſich verwirklicht. Dieß Geheimniß iſt das Weſen der Phantaſie. Hegel hat dieſes nicht am rechten Orte und nicht hinreichend zur Darſtellung gebracht. Die Phantaſie ſollte vor dem Ideale ſtehen, denn ſie ſchafft
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eine Vermiſchung mit, aber in eine Abhängigkeit von der Religion und
Ethik hinein: ein Mangel, deſſen erſter Anſatz eben in der Ueber-
ſpringung der einzelnen beſtimmten Idee liegt, die wir oben gefunden
haben. Jenes, daß nämlich Hegel das Spezifiſche der Schönheit im
Uebrigen wohl erkannt habe, iſt es nun aber eben, was Danzel über-
haupt läugnet, und den Vorwurf einer Vermiſchung mit der Religion
wendet er in Rückſicht auf die Vorleſungen zu dem Vorwurf einer Ver-
miſchung mit der Wahrheit. Es erſcheine, ſagt Danzel, die Kunſt
nur als eine beſtimmte Form der Aeußerung und Darſtellung des Wahren,
als ein beiläufiges Surrogat für das Denken; Alles, was die Kunſt
vom Wahren unterſcheide, trete nur als Zweites hinzu, der Gedanke
werde durch etwas Anderes, als er, getrübt, die Beſonderung komme
dem Ideale von außen; Hegels ganze Aeſthetik ſey daher nichts als
verfeinerter Baumgartenianiſmus. Daher werde Hegels Moniſmus des
Gedankens, weil ihm eine falſche Anwendung gegeben ſey, hier zum
Dualiſmus. Die falſche Anwendung ſoll darin beſtehen, daß man jenen,
welcher nur das Prinzip der wiſſenſchaftlichen Behandlung
der Kunſt ſeyn ſollte, dieſer als Inhalt untergeſchoben habe
(a. a. O. S. 52—68). Da nun Hegel ſelbſt überall, wo er das
Weſen des Schönen darſtellt, in der Lehre vom Ideal, vom Künſtler,
von den einzelnen Künſten, die auf jeder Stelle zum allgemeinen Be-
griffe des Kunſtſchönen zurückführt, mit wiederholter gründlicher Ent-
wicklung, mit warmer Beredtſamkeit das Schöne vielmehr eben in jenen
Mittelpunkt ſetzt, in welchem das Aeußere zu dem Innern nicht hinzu-
kommt, ſondern mit ihm zuſammenfällt, ſo fragt ſich, mit welchem
Rechte Danzel gerade dieſe Stellen für Inconſequenzen erklärt, einige
Wendungen, wo in ungenauerer Weiſe von einem bloſſen Verſchmolzen-
ſeyn, von einem Hineinlegen des Gehalts in die Erſcheinung durch den
Künſtler die Rede iſt, für ſich benützt und als die Grundlage des
Ganzen vielmehr jenen Dualiſmus behauptet. Es iſt das Eine Denken,
das durch Hegels ganzes Syſtem Stufe um Stufe Inhalt und Form
wechſelt. Angekommen auf der Stufe des Schönen erſcheint es als reine
Durchdringung des Inhalts und der ſinnlichen Form ohne Bruch und
Reſt. Dieß und nichts Anderes ſagt und entwickelt Hegel. Es kommt
nun darauf an, das Geheimniß aufzudecken, wodurch dieſe Durchdringung
ſich verwirklicht. Dieß Geheimniß iſt das Weſen der Phantaſie. Hegel
hat dieſes nicht am rechten Orte und nicht hinreichend zur Darſtellung
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/74>, abgerufen am 25.11.2024.
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