C. Rückkehr des Schönen in sich aus dem Wider- streit seiner Momente.
§. 228.
Es war das Wesen des Schönen selbst, das sich in den Widerstreit seiner Momente fortbewegte, um sich als Einheit zu bethätigen (§. 82). Diesem Bewegungsgesetze gemäß trat zuerst das Erhabene hervor und zum Beweise, daß es nur eine Gährung im Schönen sey, drang es in allen seinen Formen auf eine Versöhnung hin; diese war aber ungenügend (§. 147) und das Wesen des Schönen forderte daher in Kraft seiner Einheit das Komische. Das Ko- mische nun führte die Häßlichkeit, von der es ausging, getrieben von demselben inwohnenden Wesen des Schönen, zur Versöhnung, indem es die Idee, die es als objective Macht negirt, in das unendlich Kleine und das mit ihm behaftete Subject selbst, das sich in der Erzeugung des komischen Widerspruchs die Ge- wißheit, aller Gehalt selbst zu seyn, und daher das Bewußtseyn seiner unend- lichen Freiheit gibt, hinüberrettete.
Das Ergebniß des verfolgten Prozesses, das nun auszusprechen ist, kann keinen neuen Abschnitt bilden, sondern nur in einer untergeordneten Abtheilung auftreten, denn es besteht, wie sich alsbald zeigen wird, nicht in einer eigenen selbständigen Gestalt, sondern treibt weiter in den zweiten Theil. Ueber diese Zweigliedrigkeit der drei Haupttheile, in in welcher je das zusammenfassende Dritte nur eine Unterabtheilung bildet, um sofort erst zu einem höheren Begriffe weiter zu führen, der aber eine neue Sphäre eröffnet, vergl. die Schrift des Verf.: Kritische Gänge B. 2, S. 392.
Vischer's Aesthetik. 1. Bd. 31
C. Rückkehr des Schönen in ſich aus dem Wider- ſtreit ſeiner Momente.
§. 228.
Es war das Weſen des Schönen ſelbſt, das ſich in den Widerſtreit ſeiner Momente fortbewegte, um ſich als Einheit zu bethätigen (§. 82). Dieſem Bewegungsgeſetze gemäß trat zuerſt das Erhabene hervor und zum Beweiſe, daß es nur eine Gährung im Schönen ſey, drang es in allen ſeinen Formen auf eine Verſöhnung hin; dieſe war aber ungenügend (§. 147) und das Weſen des Schönen forderte daher in Kraft ſeiner Einheit das Komiſche. Das Ko- miſche nun führte die Häßlichkeit, von der es ausging, getrieben von demſelben inwohnenden Weſen des Schönen, zur Verſöhnung, indem es die Idee, die es als objective Macht negirt, in das unendlich Kleine und das mit ihm behaftete Subject ſelbſt, das ſich in der Erzeugung des komiſchen Widerſpruchs die Ge- wißheit, aller Gehalt ſelbſt zu ſeyn, und daher das Bewußtſeyn ſeiner unend- lichen Freiheit gibt, hinüberrettete.
Das Ergebniß des verfolgten Prozeſſes, das nun auszuſprechen iſt, kann keinen neuen Abſchnitt bilden, ſondern nur in einer untergeordneten Abtheilung auftreten, denn es beſteht, wie ſich alsbald zeigen wird, nicht in einer eigenen ſelbſtändigen Geſtalt, ſondern treibt weiter in den zweiten Theil. Ueber dieſe Zweigliedrigkeit der drei Haupttheile, in in welcher je das zuſammenfaſſende Dritte nur eine Unterabtheilung bildet, um ſofort erſt zu einem höheren Begriffe weiter zu führen, der aber eine neue Sphäre eröffnet, vergl. die Schrift des Verf.: Kritiſche Gänge B. 2, S. 392.
Viſcher’s Aeſthetik. 1. Bd. 31
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0495"n="[481]"/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">C.</hi><lb/>
Rückkehr des Schönen in ſich aus dem Wider-<lb/>ſtreit ſeiner Momente.</hi></head><lb/><divn="4"><head>§. 228.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Es war das Weſen des Schönen ſelbſt, das ſich in den Widerſtreit ſeiner<lb/>
Momente fortbewegte, um ſich als Einheit zu bethätigen (§. 82). Dieſem<lb/>
Bewegungsgeſetze gemäß trat zuerſt das Erhabene hervor und zum Beweiſe,<lb/>
daß es nur eine Gährung im Schönen ſey, drang es in allen ſeinen Formen<lb/>
auf eine Verſöhnung hin; dieſe war aber ungenügend (§. 147) und das Weſen<lb/>
des Schönen forderte daher in Kraft ſeiner Einheit das Komiſche. Das Ko-<lb/>
miſche nun führte die Häßlichkeit, von der es ausging, getrieben von demſelben<lb/>
inwohnenden Weſen des Schönen, zur Verſöhnung, indem es die Idee, die es<lb/>
als objective Macht negirt, in das unendlich Kleine und das mit ihm behaftete<lb/>
Subject ſelbſt, das ſich in der Erzeugung des komiſchen Widerſpruchs die Ge-<lb/>
wißheit, aller Gehalt ſelbſt zu ſeyn, und daher das Bewußtſeyn ſeiner unend-<lb/>
lichen Freiheit gibt, hinüberrettete.</hi></p><lb/><p><hirendition="#et">Das Ergebniß des verfolgten Prozeſſes, das nun auszuſprechen iſt,<lb/>
kann keinen neuen Abſchnitt bilden, ſondern nur in einer untergeordneten<lb/>
Abtheilung auftreten, denn es beſteht, wie ſich alsbald zeigen wird, nicht<lb/>
in einer eigenen ſelbſtändigen Geſtalt, ſondern treibt weiter in den<lb/>
zweiten Theil. Ueber dieſe Zweigliedrigkeit der drei Haupttheile, in<lb/>
in welcher je das zuſammenfaſſende Dritte nur eine Unterabtheilung<lb/>
bildet, um ſofort erſt zu einem höheren Begriffe weiter zu führen, der<lb/>
aber eine neue Sphäre eröffnet, vergl. die Schrift des Verf.: Kritiſche<lb/>
Gänge B. 2, S. 392.</hi></p></div><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Viſcher’s</hi> Aeſthetik. 1. Bd. 31</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[[481]/0495]
C.
Rückkehr des Schönen in ſich aus dem Wider-
ſtreit ſeiner Momente.
§. 228.
Es war das Weſen des Schönen ſelbſt, das ſich in den Widerſtreit ſeiner
Momente fortbewegte, um ſich als Einheit zu bethätigen (§. 82). Dieſem
Bewegungsgeſetze gemäß trat zuerſt das Erhabene hervor und zum Beweiſe,
daß es nur eine Gährung im Schönen ſey, drang es in allen ſeinen Formen
auf eine Verſöhnung hin; dieſe war aber ungenügend (§. 147) und das Weſen
des Schönen forderte daher in Kraft ſeiner Einheit das Komiſche. Das Ko-
miſche nun führte die Häßlichkeit, von der es ausging, getrieben von demſelben
inwohnenden Weſen des Schönen, zur Verſöhnung, indem es die Idee, die es
als objective Macht negirt, in das unendlich Kleine und das mit ihm behaftete
Subject ſelbſt, das ſich in der Erzeugung des komiſchen Widerſpruchs die Ge-
wißheit, aller Gehalt ſelbſt zu ſeyn, und daher das Bewußtſeyn ſeiner unend-
lichen Freiheit gibt, hinüberrettete.
Das Ergebniß des verfolgten Prozeſſes, das nun auszuſprechen iſt,
kann keinen neuen Abſchnitt bilden, ſondern nur in einer untergeordneten
Abtheilung auftreten, denn es beſteht, wie ſich alsbald zeigen wird, nicht
in einer eigenen ſelbſtändigen Geſtalt, ſondern treibt weiter in den
zweiten Theil. Ueber dieſe Zweigliedrigkeit der drei Haupttheile, in
in welcher je das zuſammenfaſſende Dritte nur eine Unterabtheilung
bildet, um ſofort erſt zu einem höheren Begriffe weiter zu führen, der
aber eine neue Sphäre eröffnet, vergl. die Schrift des Verf.: Kritiſche
Gänge B. 2, S. 392.
Viſcher’s Aeſthetik. 1. Bd. 31
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. [481]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/495>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.