an sich und noch ohne belacht worden zu seyn, die zur Entstehung des Komi- schen geforderte Bedingung der Häßlichkeit in sich enthält. Dieser Widerspruch kann von so greiflicher Art seyn, wie ihn die Posse bedarf; die reflectirte Ko- mik wird ihn aber nicht so belassen, sondern ihn erst in das Licht eines tieferen Widerspruchs rücken, um ihn in ihrer Weise zu belachen, noch mehr aber wird sie überall die wirklich feineren Widersprüche aufsuchen, in welche das aus seiner Niederlegung in greifliche Formen des Seyns in sich zurückgegangene Subject sich verwickelt.
Der Stoff des Witzes kann dadurch natürlich nicht erschöpft seyn, daß zunächst das objectiv Komische als solcher begriffen ist. Steht es um den Witz so, daß er dem naiven Subjecte über die Schulter hereinsieht, so ist schon erkannt, daß innere Vorgänge im subjectiven Leben vorzüglich sein Thema seyn werden, Verwicklungen, die sich nicht in einem äußeren Vorgang völlig aussprechen, sondern deren Beobachtung ein bewußtes Verständniß des Seelenlebens voraussetzt. Dies hat eine doppelte Be- deutung; zuerst die, daß der Witz allerdings aus dem Kreise des Er- habenen gewisse Gebiete mehr sein nennen kann, als die Posse. Er hält sich weniger bei den Erscheinungen der Kraft auf und nimmt sich aus dem Erhabenen des Subjects vorzüglich diejenigen Stufen, die der Posse ferner liegen: die Intelligenz und den sittlichen Willen. Allein auch hier gilt, daß nicht der Stoff den Unterschied macht; wie sich die Posse über alle, auch die höheren Gebiete, des Erhabenen verbreitet, so faßt der Witz auch ebenda seinen Boden, wo diese vorzüglich zu Hause ist, im Greiflichen nämlich, und den Unterschied bildet nur die Art der Fassung. Allerdings beschäftigt er sich daher auch mit der Sphäre der Kraft und ihren drolligen Stößen, aber er läßt es nicht bei der einfachen An- schauung, sondern thut etwas Weiteres hinzu, was sich zeigen wird. Im Erhabenen des Subjects ist er so gerne cynisch, als die Posse, aber er deutet den Anstoß des Geistigen an die groben Bedürfnisse und Triebe feiner an; gewöhnlichen Verletzungen des Anstands zieht er zwar Naive- täten vor, wodurch nicht etwa nur der äußere Anstand, sondern das innere Schicklichkeitsgefühl, Rücksichten auf anwesende Personen u. drgl. verletzt werden, doch kann er die gröbste Unanständigkeit auf seine Weise ebensogut zum Gegenstande nehmen. Diese bringt es mit sich, daß er alle Gestalten der subjectiven Erhabenheit in's Innere verfolgt; wenn z. B. die Posse sehr heimisch ist in der Sphäre der äußeren Zweckmäßigkeit, so ist es auch der Witz, aber er bleibt nicht dabei stehen, die anschauliche
Vischer's Aesthetik. 1. Bd. 27
an ſich und noch ohne belacht worden zu ſeyn, die zur Entſtehung des Komi- ſchen geforderte Bedingung der Häßlichkeit in ſich enthält. Dieſer Widerſpruch kann von ſo greiflicher Art ſeyn, wie ihn die Poſſe bedarf; die reflectirte Ko- mik wird ihn aber nicht ſo belaſſen, ſondern ihn erſt in das Licht eines tieferen Widerſpruchs rücken, um ihn in ihrer Weiſe zu belachen, noch mehr aber wird ſie überall die wirklich feineren Widerſprüche aufſuchen, in welche das aus ſeiner Niederlegung in greifliche Formen des Seyns in ſich zurückgegangene Subject ſich verwickelt.
Der Stoff des Witzes kann dadurch natürlich nicht erſchöpft ſeyn, daß zunächſt das objectiv Komiſche als ſolcher begriffen iſt. Steht es um den Witz ſo, daß er dem naiven Subjecte über die Schulter hereinſieht, ſo iſt ſchon erkannt, daß innere Vorgänge im ſubjectiven Leben vorzüglich ſein Thema ſeyn werden, Verwicklungen, die ſich nicht in einem äußeren Vorgang völlig ausſprechen, ſondern deren Beobachtung ein bewußtes Verſtändniß des Seelenlebens vorausſetzt. Dies hat eine doppelte Be- deutung; zuerſt die, daß der Witz allerdings aus dem Kreiſe des Er- habenen gewiſſe Gebiete mehr ſein nennen kann, als die Poſſe. Er hält ſich weniger bei den Erſcheinungen der Kraft auf und nimmt ſich aus dem Erhabenen des Subjects vorzüglich diejenigen Stufen, die der Poſſe ferner liegen: die Intelligenz und den ſittlichen Willen. Allein auch hier gilt, daß nicht der Stoff den Unterſchied macht; wie ſich die Poſſe über alle, auch die höheren Gebiete, des Erhabenen verbreitet, ſo faßt der Witz auch ebenda ſeinen Boden, wo dieſe vorzüglich zu Hauſe iſt, im Greiflichen nämlich, und den Unterſchied bildet nur die Art der Faſſung. Allerdings beſchäftigt er ſich daher auch mit der Sphäre der Kraft und ihren drolligen Stößen, aber er läßt es nicht bei der einfachen An- ſchauung, ſondern thut etwas Weiteres hinzu, was ſich zeigen wird. Im Erhabenen des Subjects iſt er ſo gerne cyniſch, als die Poſſe, aber er deutet den Anſtoß des Geiſtigen an die groben Bedürfniſſe und Triebe feiner an; gewöhnlichen Verletzungen des Anſtands zieht er zwar Naive- täten vor, wodurch nicht etwa nur der äußere Anſtand, ſondern das innere Schicklichkeitsgefühl, Rückſichten auf anweſende Perſonen u. drgl. verletzt werden, doch kann er die gröbſte Unanſtändigkeit auf ſeine Weiſe ebenſogut zum Gegenſtande nehmen. Dieſe bringt es mit ſich, daß er alle Geſtalten der ſubjectiven Erhabenheit in’s Innere verfolgt; wenn z. B. die Poſſe ſehr heimiſch iſt in der Sphäre der äußeren Zweckmäßigkeit, ſo iſt es auch der Witz, aber er bleibt nicht dabei ſtehen, die anſchauliche
Viſcher’s Aeſthetik. 1. Bd. 27
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an ſich und noch ohne belacht worden zu ſeyn, die zur Entſtehung des Komi-
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kann von ſo greiflicher Art ſeyn, wie ihn die Poſſe bedarf; die reflectirte Ko-
mik wird ihn aber nicht ſo belaſſen, ſondern ihn erſt in das Licht eines tieferen
Widerſpruchs rücken, um ihn in ihrer Weiſe zu belachen, noch mehr aber wird
ſie überall die wirklich feineren Widerſprüche aufſuchen, in welche das aus
ſeiner Niederlegung in greifliche Formen des Seyns in ſich zurückgegangene
Subject ſich verwickelt.
Der Stoff des Witzes kann dadurch natürlich nicht erſchöpft ſeyn, daß
zunächſt das objectiv Komiſche als ſolcher begriffen iſt. Steht es um den
Witz ſo, daß er dem naiven Subjecte über die Schulter hereinſieht, ſo
iſt ſchon erkannt, daß innere Vorgänge im ſubjectiven Leben vorzüglich
ſein Thema ſeyn werden, Verwicklungen, die ſich nicht in einem äußeren
Vorgang völlig ausſprechen, ſondern deren Beobachtung ein bewußtes
Verſtändniß des Seelenlebens vorausſetzt. Dies hat eine doppelte Be-
deutung; zuerſt die, daß der Witz allerdings aus dem Kreiſe des Er-
habenen gewiſſe Gebiete mehr ſein nennen kann, als die Poſſe. Er
hält ſich weniger bei den Erſcheinungen der Kraft auf und nimmt ſich
aus dem Erhabenen des Subjects vorzüglich diejenigen Stufen, die der
Poſſe ferner liegen: die Intelligenz und den ſittlichen Willen. Allein
auch hier gilt, daß nicht der Stoff den Unterſchied macht; wie ſich die
Poſſe über alle, auch die höheren Gebiete, des Erhabenen verbreitet, ſo
faßt der Witz auch ebenda ſeinen Boden, wo dieſe vorzüglich zu Hauſe
iſt, im Greiflichen nämlich, und den Unterſchied bildet nur die Art der
Faſſung. Allerdings beſchäftigt er ſich daher auch mit der Sphäre der Kraft
und ihren drolligen Stößen, aber er läßt es nicht bei der einfachen An-
ſchauung, ſondern thut etwas Weiteres hinzu, was ſich zeigen wird. Im
Erhabenen des Subjects iſt er ſo gerne cyniſch, als die Poſſe, aber er
deutet den Anſtoß des Geiſtigen an die groben Bedürfniſſe und Triebe
feiner an; gewöhnlichen Verletzungen des Anſtands zieht er zwar Naive-
täten vor, wodurch nicht etwa nur der äußere Anſtand, ſondern das
innere Schicklichkeitsgefühl, Rückſichten auf anweſende Perſonen u. drgl.
verletzt werden, doch kann er die gröbſte Unanſtändigkeit auf ſeine Weiſe
ebenſogut zum Gegenſtande nehmen. Dieſe bringt es mit ſich, daß er alle
Geſtalten der ſubjectiven Erhabenheit in’s Innere verfolgt; wenn z. B. die
Poſſe ſehr heimiſch iſt in der Sphäre der äußeren Zweckmäßigkeit, ſo
iſt es auch der Witz, aber er bleibt nicht dabei ſtehen, die anſchauliche
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/431>, abgerufen am 25.11.2024.
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