ersten Falle bald als ein Angeschautes, bald als ein vom Subjecte an ihm selbst Gargestelltes.
3. Es ist hier ein Fall genannt, der ein Vorgriff in die be- stimmten Formen der subjectiven Existenz des Schönen, ja schon der Kunst scheinen könnte. In der allgemeinen Erörterung des Begriffs des Komischen wurde nämlich nur dies unterschieden, ob dem verlachten Subjecte das Bewußtseyn seiner Verkehrung ganz oder nur theilweise unterzuschieben ist; hier aber wird auch der Fall eingeführt, wo das Subject (das dann weder blos anschauendes noch blos angeschautes, sondern beides zugleich ist) das Komische an sich selbst darstellt. Allein die Subjectivität ist in der Posse so sehr sinnlichgeistig, instinctiv bestimmt, daß entschieden auch schon vor und außer der Kunst eine Selbstdarstellung des Vorgangs eintreten muß. Das sinnliche Wohlgefühl stellt Taumeln, Fallen, Stottern, Sprünge machen, sich Ueberstürzen an der eigenen Person dar auch ohne alle Absicht künstlerischer Mimik; es ergießt sich, eben weil es sinnlich ist, unmittelbar in die Organe und treibt sie zu Narrensprüngen. Die eigentliche Kunst vereinigt dann beide Fälle; in den Harlekinaden treten Personen auf, die durch Höcker, Bäuche, Ungeschicklichkeit aller Art die mitspielenden Spaßmacher auffordern, sie zu foppen; diese selbst aber sind zwei: der Pierrot, durchaus Tölpel, und der Harlekin, gewandt und listig, der den ersteren, welcher zuerst seinerseits die übrigen Personen äfft, beständig wieder äfft. Abgesehen von dieser feinen Theilung ist der Hans- wurst immer Scheibe und Schütze zugleich; er ist feig, geschwätzig, tölpel- haft, aber aus eigener komischer Lust stellt er ebenso diese und andere greifliche Mängel auch an sich selbst dar. Es sind hier vorzüglich Körper- gebrechen genannt worden; diese sind aber keineswegs der einzige Stoff der Posse. Es können auch Vorgänge mit moralischen Motiven seyn, aber wesentlich ist immer, daß die Verwirklichung des Zwecks, welcher Art er seyn möge, sich als leibliches Leben ausbreite und Alles ganz greiflich sey. Ein Freier mit ungeheurem Bauch will die Braut umarmen, aber sie stößt an dieses Hinderniß so auf, daß sie wie von einem Wollsack zurückprallt und fällt u. dgl. Weil so die geistigen Bestrebungen ganz in der leiblichen Vollziehung aufgehend sich verstricken, wird die Rede, die wesentlich nöthig ist, jene zum Bewußtseyn zu bringen, leicht überflüssig. Daher die italienische Burleske, worin diese Art des Komischen am reinsten zur Dar- stellung kommt, sich als Pantomime ausgebildet hat und so ganz verständlich ist. Freilich nimmt diese Art auch reflectirtere Komik, Witz u. s. f. in sich auf und dann ist Rede nöthig; aber die ganz greifliche Körperlichkeit bildet
erſten Falle bald als ein Angeſchautes, bald als ein vom Subjecte an ihm ſelbſt Gargeſtelltes.
3. Es iſt hier ein Fall genannt, der ein Vorgriff in die be- ſtimmten Formen der ſubjectiven Exiſtenz des Schönen, ja ſchon der Kunſt ſcheinen könnte. In der allgemeinen Erörterung des Begriffs des Komiſchen wurde nämlich nur dies unterſchieden, ob dem verlachten Subjecte das Bewußtſeyn ſeiner Verkehrung ganz oder nur theilweiſe unterzuſchieben iſt; hier aber wird auch der Fall eingeführt, wo das Subject (das dann weder blos anſchauendes noch blos angeſchautes, ſondern beides zugleich iſt) das Komiſche an ſich ſelbſt darſtellt. Allein die Subjectivität iſt in der Poſſe ſo ſehr ſinnlichgeiſtig, inſtinctiv beſtimmt, daß entſchieden auch ſchon vor und außer der Kunſt eine Selbſtdarſtellung des Vorgangs eintreten muß. Das ſinnliche Wohlgefühl ſtellt Taumeln, Fallen, Stottern, Sprünge machen, ſich Ueberſtürzen an der eigenen Perſon dar auch ohne alle Abſicht künſtleriſcher Mimik; es ergießt ſich, eben weil es ſinnlich iſt, unmittelbar in die Organe und treibt ſie zu Narrenſprüngen. Die eigentliche Kunſt vereinigt dann beide Fälle; in den Harlekinaden treten Perſonen auf, die durch Höcker, Bäuche, Ungeſchicklichkeit aller Art die mitſpielenden Spaßmacher auffordern, ſie zu foppen; dieſe ſelbſt aber ſind zwei: der Pierrot, durchaus Tölpel, und der Harlekin, gewandt und liſtig, der den erſteren, welcher zuerſt ſeinerſeits die übrigen Perſonen äfft, beſtändig wieder äfft. Abgeſehen von dieſer feinen Theilung iſt der Hans- wurſt immer Scheibe und Schütze zugleich; er iſt feig, geſchwätzig, tölpel- haft, aber aus eigener komiſcher Luſt ſtellt er ebenſo dieſe und andere greifliche Mängel auch an ſich ſelbſt dar. Es ſind hier vorzüglich Körper- gebrechen genannt worden; dieſe ſind aber keineswegs der einzige Stoff der Poſſe. Es können auch Vorgänge mit moraliſchen Motiven ſeyn, aber weſentlich iſt immer, daß die Verwirklichung des Zwecks, welcher Art er ſeyn möge, ſich als leibliches Leben ausbreite und Alles ganz greiflich ſey. Ein Freier mit ungeheurem Bauch will die Braut umarmen, aber ſie ſtößt an dieſes Hinderniß ſo auf, daß ſie wie von einem Wollſack zurückprallt und fällt u. dgl. Weil ſo die geiſtigen Beſtrebungen ganz in der leiblichen Vollziehung aufgehend ſich verſtricken, wird die Rede, die weſentlich nöthig iſt, jene zum Bewußtſeyn zu bringen, leicht überflüſſig. Daher die italieniſche Burleske, worin dieſe Art des Komiſchen am reinſten zur Dar- ſtellung kommt, ſich als Pantomime ausgebildet hat und ſo ganz verſtändlich iſt. Freilich nimmt dieſe Art auch reflectirtere Komik, Witz u. ſ. f. in ſich auf und dann iſt Rede nöthig; aber die ganz greifliche Körperlichkeit bildet
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erſten Falle bald als ein Angeſchautes, bald als ein vom Subjecte an
ihm ſelbſt Gargeſtelltes.
3. Es iſt hier ein Fall genannt, der ein Vorgriff in die be-
ſtimmten Formen der ſubjectiven Exiſtenz des Schönen, ja ſchon der
Kunſt ſcheinen könnte. In der allgemeinen Erörterung des Begriffs des
Komiſchen wurde nämlich nur dies unterſchieden, ob dem verlachten
Subjecte das Bewußtſeyn ſeiner Verkehrung ganz oder nur theilweiſe
unterzuſchieben iſt; hier aber wird auch der Fall eingeführt, wo das
Subject (das dann weder blos anſchauendes noch blos angeſchautes,
ſondern beides zugleich iſt) das Komiſche an ſich ſelbſt darſtellt. Allein
die Subjectivität iſt in der Poſſe ſo ſehr ſinnlichgeiſtig, inſtinctiv beſtimmt,
daß entſchieden auch ſchon vor und außer der Kunſt eine Selbſtdarſtellung
des Vorgangs eintreten muß. Das ſinnliche Wohlgefühl ſtellt Taumeln,
Fallen, Stottern, Sprünge machen, ſich Ueberſtürzen an der eigenen Perſon
dar auch ohne alle Abſicht künſtleriſcher Mimik; es ergießt ſich, eben weil es
ſinnlich iſt, unmittelbar in die Organe und treibt ſie zu Narrenſprüngen.
Die eigentliche Kunſt vereinigt dann beide Fälle; in den Harlekinaden
treten Perſonen auf, die durch Höcker, Bäuche, Ungeſchicklichkeit aller Art
die mitſpielenden Spaßmacher auffordern, ſie zu foppen; dieſe ſelbſt aber
ſind zwei: der Pierrot, durchaus Tölpel, und der Harlekin, gewandt und
liſtig, der den erſteren, welcher zuerſt ſeinerſeits die übrigen Perſonen äfft,
beſtändig wieder äfft. Abgeſehen von dieſer feinen Theilung iſt der Hans-
wurſt immer Scheibe und Schütze zugleich; er iſt feig, geſchwätzig, tölpel-
haft, aber aus eigener komiſcher Luſt ſtellt er ebenſo dieſe und andere
greifliche Mängel auch an ſich ſelbſt dar. Es ſind hier vorzüglich Körper-
gebrechen genannt worden; dieſe ſind aber keineswegs der einzige Stoff der
Poſſe. Es können auch Vorgänge mit moraliſchen Motiven ſeyn, aber
weſentlich iſt immer, daß die Verwirklichung des Zwecks, welcher Art er
ſeyn möge, ſich als leibliches Leben ausbreite und Alles ganz greiflich ſey.
Ein Freier mit ungeheurem Bauch will die Braut umarmen, aber ſie ſtößt
an dieſes Hinderniß ſo auf, daß ſie wie von einem Wollſack zurückprallt
und fällt u. dgl. Weil ſo die geiſtigen Beſtrebungen ganz in der leiblichen
Vollziehung aufgehend ſich verſtricken, wird die Rede, die weſentlich nöthig
iſt, jene zum Bewußtſeyn zu bringen, leicht überflüſſig. Daher die
italieniſche Burleske, worin dieſe Art des Komiſchen am reinſten zur Dar-
ſtellung kommt, ſich als Pantomime ausgebildet hat und ſo ganz verſtändlich
iſt. Freilich nimmt dieſe Art auch reflectirtere Komik, Witz u. ſ. f. in ſich
auf und dann iſt Rede nöthig; aber die ganz greifliche Körperlichkeit bildet
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/424>, abgerufen am 23.11.2024.
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