Seiten in die Schranken tretenden Verbindung von Bestimmtheit und Unbestimmtheit mit dem Spielraum zwischen Berechnung und Zufall im Kartenspiele verglichen (a. a. O. S. 26 -- 29. 71 -- 78). Es fehlt nur die schließliche Zusammenfassung in das Selbstbewußtseyn und die absolute Subjectivität, zu der unsere Untersuchung fortzuschreiten hat. Uebrigens erhellt von selbst, daß dieser Schein einer zweiten necki- schen Macht eigentlich schon da eintritt, wo die Störung von innen kommt. Das Unbewußte und Unfreie im Subjecte selbst, eben weil das Bewußtseyn und die Freiheit nicht Besitz davon ergriffen hat, erscheint als ein in das Subject sich hineinerstreckendes Grundstück des Territo- riums jenes Kobolds, und nun streiten sich zwei Geister um den Men- schen, deren Zwiegespräch die Parodie jenes tragischen Dialog-Monologs ist, worin Gewissen und Selbstbeschönigung sich um Richard III streiten (5. Aufz. 3. Sc.). In der Mitte zwischen rein äußerer und innerer Störung liegen körperliche Gebrechen, welche die eigene anima der Per- sönlichkeit wie in Schadenfreude gegen den animus diesem angeheftet hat.
3. Dieser Theil des Leihens ist dem Zuschauer erspart, wenn wirklich selbstbewußte Personen die Störung ausführen, wie Heinrich und Poins, da sie dem Falstaff bei seinem Straßenraub auflauern und ihm den Fang abjagen.
4. In beiden Fällen geht nun das Leihen zurück vom Gegengliede auf das erste Glied, d. h. auf das strauchelnde Subject und leiht diesem trotz der anfänglich, wie es schien, vorliegenden Unmöglichkeit eines Vorherwissens der Störung ein mögliches und halbwirkliches Vorher- wissen. Kommt doch das verlachte Subject diesem zweiten Leihen schon dadurch entgegen, daß es selbst den Stein seines Anstoßes, wäre er auch ein wirklicher, eigentlicher Stein, unwillig anredet, als wäre er ein lauernder Feind. Dies thun nicht blos kindische Leute, sondern Jeder, der Phantasie hat; ebendadurch erklärt er sich aber als Einen, der mit einer auflauernden Macht im Kampfe steht: weiß er das, so kann er sich und soll er sich zum Voraus wohl in Acht nehmen und zusehen, daß ihm nicht eine Grube gegraben sey: das komische Widerspiel vom Falle des Oedipus, der ebenso die halbe Schuld trägt, dem unterhöhlten Boden nicht bei jedem, sonst noch so erlaubten, Schritte mißtraut zu haben.
§. 179.
1
Wenn nun auf diese Weise die Besinnungslosigkeit zugleich als besonnen, das Subject zugleich als wissend um seine Verkehrtheit und doch sich verkehrend
Seiten in die Schranken tretenden Verbindung von Beſtimmtheit und Unbeſtimmtheit mit dem Spielraum zwiſchen Berechnung und Zufall im Kartenſpiele verglichen (a. a. O. S. 26 — 29. 71 — 78). Es fehlt nur die ſchließliche Zuſammenfaſſung in das Selbſtbewußtſeyn und die abſolute Subjectivität, zu der unſere Unterſuchung fortzuſchreiten hat. Uebrigens erhellt von ſelbſt, daß dieſer Schein einer zweiten necki- ſchen Macht eigentlich ſchon da eintritt, wo die Störung von innen kommt. Das Unbewußte und Unfreie im Subjecte ſelbſt, eben weil das Bewußtſeyn und die Freiheit nicht Beſitz davon ergriffen hat, erſcheint als ein in das Subject ſich hineinerſtreckendes Grundſtück des Territo- riums jenes Kobolds, und nun ſtreiten ſich zwei Geiſter um den Men- ſchen, deren Zwiegeſpräch die Parodie jenes tragiſchen Dialog-Monologs iſt, worin Gewiſſen und Selbſtbeſchönigung ſich um Richard III ſtreiten (5. Aufz. 3. Sc.). In der Mitte zwiſchen rein äußerer und innerer Störung liegen körperliche Gebrechen, welche die eigene anima der Per- ſönlichkeit wie in Schadenfreude gegen den animus dieſem angeheftet hat.
3. Dieſer Theil des Leihens iſt dem Zuſchauer erſpart, wenn wirklich ſelbſtbewußte Perſonen die Störung ausführen, wie Heinrich und Poins, da ſie dem Falſtaff bei ſeinem Straßenraub auflauern und ihm den Fang abjagen.
4. In beiden Fällen geht nun das Leihen zurück vom Gegengliede auf das erſte Glied, d. h. auf das ſtrauchelnde Subject und leiht dieſem trotz der anfänglich, wie es ſchien, vorliegenden Unmöglichkeit eines Vorherwiſſens der Störung ein mögliches und halbwirkliches Vorher- wiſſen. Kommt doch das verlachte Subject dieſem zweiten Leihen ſchon dadurch entgegen, daß es ſelbſt den Stein ſeines Anſtoßes, wäre er auch ein wirklicher, eigentlicher Stein, unwillig anredet, als wäre er ein lauernder Feind. Dies thun nicht blos kindiſche Leute, ſondern Jeder, der Phantaſie hat; ebendadurch erklärt er ſich aber als Einen, der mit einer auflauernden Macht im Kampfe ſteht: weiß er das, ſo kann er ſich und ſoll er ſich zum Voraus wohl in Acht nehmen und zuſehen, daß ihm nicht eine Grube gegraben ſey: das komiſche Widerſpiel vom Falle des Oedipus, der ebenſo die halbe Schuld trägt, dem unterhöhlten Boden nicht bei jedem, ſonſt noch ſo erlaubten, Schritte mißtraut zu haben.
§. 179.
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Wenn nun auf dieſe Weiſe die Beſinnungsloſigkeit zugleich als beſonnen, das Subject zugleich als wiſſend um ſeine Verkehrtheit und doch ſich verkehrend
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Seiten in die Schranken tretenden Verbindung von Beſtimmtheit
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Es fehlt nur die ſchließliche Zuſammenfaſſung in das Selbſtbewußtſeyn
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hat. Uebrigens erhellt von ſelbſt, daß dieſer Schein einer zweiten necki-
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kommt. Das Unbewußte und Unfreie im Subjecte ſelbſt, eben weil das
Bewußtſeyn und die Freiheit nicht Beſitz davon ergriffen hat, erſcheint
als ein in das Subject ſich hineinerſtreckendes Grundſtück des Territo-
riums jenes Kobolds, und nun ſtreiten ſich zwei Geiſter um den Men-
ſchen, deren Zwiegeſpräch die Parodie jenes tragiſchen Dialog-Monologs
iſt, worin Gewiſſen und Selbſtbeſchönigung ſich um Richard III ſtreiten
(5. Aufz. 3. Sc.). In der Mitte zwiſchen rein äußerer und innerer
Störung liegen körperliche Gebrechen, welche die eigene anima der Per-
ſönlichkeit wie in Schadenfreude gegen den animus dieſem angeheftet hat.
3. Dieſer Theil des Leihens iſt dem Zuſchauer erſpart, wenn
wirklich ſelbſtbewußte Perſonen die Störung ausführen, wie Heinrich
und Poins, da ſie dem Falſtaff bei ſeinem Straßenraub auflauern und
ihm den Fang abjagen.
4. In beiden Fällen geht nun das Leihen zurück vom Gegengliede
auf das erſte Glied, d. h. auf das ſtrauchelnde Subject und leiht dieſem
trotz der anfänglich, wie es ſchien, vorliegenden Unmöglichkeit eines
Vorherwiſſens der Störung ein mögliches und halbwirkliches Vorher-
wiſſen. Kommt doch das verlachte Subject dieſem zweiten Leihen ſchon
dadurch entgegen, daß es ſelbſt den Stein ſeines Anſtoßes, wäre er auch
ein wirklicher, eigentlicher Stein, unwillig anredet, als wäre er ein
lauernder Feind. Dies thun nicht blos kindiſche Leute, ſondern Jeder,
der Phantaſie hat; ebendadurch erklärt er ſich aber als Einen, der mit
einer auflauernden Macht im Kampfe ſteht: weiß er das, ſo kann er ſich
und ſoll er ſich zum Voraus wohl in Acht nehmen und zuſehen, daß ihm
nicht eine Grube gegraben ſey: das komiſche Widerſpiel vom Falle des
Oedipus, der ebenſo die halbe Schuld trägt, dem unterhöhlten Boden
nicht bei jedem, ſonſt noch ſo erlaubten, Schritte mißtraut zu haben.
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Wenn nun auf dieſe Weiſe die Beſinnungsloſigkeit zugleich als beſonnen,
das Subject zugleich als wiſſend um ſeine Verkehrtheit und doch ſich verkehrend
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/404>, abgerufen am 22.11.2024.
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