Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846.
Er folgert aber aus seiner treffenden Darstellung jenes Strebens und Für die Lust in diesem Eindruck läßt sich kein besseres Wort finden, Was wäre da zu fürchten? Mein Leben acht' ich keiner Nadel werth, Und meiner Seele, kann es der was thun, Die ein unsterblich Ding ist wie er selbst? Es ist ein Zusammenwachsen des ebenbürtigen Geists im Subjecte mit §. 141. Was bei der Anschauung des objeetiv Erhabenen empfunden wird,1 21*
Er folgert aber aus ſeiner treffenden Darſtellung jenes Strebens und Für die Luſt in dieſem Eindruck läßt ſich kein beſſeres Wort finden, Was wäre da zu fürchten? Mein Leben acht’ ich keiner Nadel werth, Und meiner Seele, kann es der was thun, Die ein unſterblich Ding iſt wie er ſelbſt? Es iſt ein Zuſammenwachſen des ebenbürtigen Geiſts im Subjecte mit §. 141. Was bei der Anſchauung des objeetiv Erhabenen empfunden wird,1 21*
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Er folgert aber aus ſeiner treffenden Darſtellung jenes Strebens und
Zurückſinkens, Haltens und Verlierens, Steigens und Schwindelns, was
weſentlich durch den Widerſpruch der Auffaſſung und Zuſammenfaſſung
bedingt iſt (vergl. §. 84, Anm.), daß die Luſt eine bewegte ſey (a. a. O.
§. 27): „das Gemüth fühlt ſich in der Vorſtellung des Erhabenen in
der Natur bewegt: da es in dem äſtbetiſchen Urtheile über das Schöne
derſelben in ruhiger Contemplation iſt.“ Hierauf wiederholt er den
Satz von einem ſchnell wechſelnden Abſtoßen und Anziehen und findet
dieſe Bewegung ganz richtig vorzüglich im Anfange des Acts; denn
allerdings legt ſich die Bewegung gegen das Ende und beruhigt ſich im
Bewußtſeyn der gleichen Höhe mit der Idee das Subject zu voller Luſt.
Das Ueberſchwengliche für die Einbildungskraft nennt Kant „gleichſam
einen Abgrund, worin ſie ſich ſelbſt zu verlieren fürchtet u. ſ. w.“ Daß
er übrigens auch dieſe bewegte Luſt von der außeräſthetiſchen, durch
Intereſſe beunruhigten, ſtreng unterſcheidet, verſteht ſich bei Kant
von ſelbſt.
Für die Luſt in dieſem Eindruck läßt ſich kein beſſeres Wort finden,
als welches Longin von der Wirkung des rhetoriſch Erhabenen braucht
(περὶ ἵψȣς Sect. VII. 2): φίσει γάρ πως ὑπὸ τȣ῀ ἀληϑȣ῀ς ἵψȣς ἐπαίρεταί
τε ἡ ψυχὴ, καὶ γαῦρόν τι ἀνάςημα λαμβάνȣσα πληρȣ῀ται χαρᾶς καὶ
μεγαλαυχίας, ὡς αἰτὴ γεννήσασα ὅπερ ἤκȣσεν. Das Subject
ſagt zu dem Gegenſtande: ich bin, was du biſt! wie Hamlet, indem
er dem Geſpenſte zu folgen entſchloſſen iſt, ausruft:
Was wäre da zu fürchten?
Mein Leben acht’ ich keiner Nadel werth,
Und meiner Seele, kann es der was thun,
Die ein unſterblich Ding iſt wie er ſelbſt?
Es iſt ein Zuſammenwachſen des ebenbürtigen Geiſts im Subjecte mit
der unendlichen Idee im Gegenſtande, ein Aufgeben beider in Einen
Strom, ein Schwung, als führte uns Sturmwind mit in die Höbe.
So ſchließen ſich Luſt und Unluſt zuſammen wie in den Worten Fauſts,
da er den Erdgeiſt erblickt hat: in jenem ſel’gen Augenblicke, ich fühlte
mich ſo klein, ſo groß!
§. 141.
Was bei der Anſchauung des objeetiv Erhabenen empfunden wird,
kann, da das Erhabene des Raums und der Zeit im Fortſchritte unter die
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