unter dem Namen "Verwicklung" seine eigene Theorie einleitet, sie durch den Abschnitt von der Größe unterbricht und hierauf nachher noch auf die Proportion übergeht, die ja eben zu jenen relativen Begriffen gehört und eigentlich unter die "Richtigkeit" zu befassen war: Begriffe, deren blos precäre Bedeutung er nun aber mit viel polemischem Eifer gegen die Proportionslehre des A. Dürr und Lamozzo ins Licht stellt. Was nun Hogarths bekannte Theorie von der Wellenlinie und Schlangenlinie betrifft, so liegt darin gewiß eine Ahnung, die nicht zu verachten ist. Hogarth ahnt in ihr die Linie der Individualität, welche die Linie des festen Maßes, den Kanon der Gattung mit ihren rinnenden Wellen umspielt, er weist nach, wie sie in Muskel und Haut sich um die festen Bestandtheile des menschlichen Körpers legt, wie sie in den Bewegungen wiederkehrt, und er faßt sie selbst von Anfang als eine bewegte, im Auge lebende; man darf nur über seine subjective Begründung (leichte Hindernisse beschäftigen angenehm u. s. w.) hinausgehen, so öffnet sich eine ahnungsreiche Aussicht in weltbauende Gesetze, in die Symbolik der Linien. Hogarth ist auch nicht der Meinung, in die abstracte Wellen- linie das Ganze der Form gefaßt haben, er weiß, daß sie mit anderen Linien verbunden werden soll, geht aber freilich gerade über diesen schwierigsten Punkt viel zu kurz weg (S. 26. in der Uebers. v. Mylius 1754). Hogarth spricht nur von der bildenden Kunst; die Verbindung der geraden und der gewundenen Linie in die Musik und Poesie im bild- lichen Sinne zu verfolgen wäre ihm ein Leichtes gewesen.
Der bedeutendste unter diesen Engländern ist Burke: Enquriy into the origine of our ideas of the sublime and beautiful 1757. Man findet in ihm vielfach vorbereitet, was Kant in der Kritik der ästh. Urtheilskr. in Schärfe zusammenfaßte. Auch er bestreitet die Meinung, daß bestimmte Maßverhältnisse an sich schon Schönheit begründen (a. a. O. Th. 3, Abschn. 4 und 5): Proportion begründet nicht Schönheit, sie bestimmt nur die Gattung. Ueber eine gewisse Grenze derselben darf zwar kein Individuum hinausgehen, sonst weicht es von dem all- gemeinen Begriffe seiner Gattung, wie sie sich allerdings durch das Maß und Verhältniß der Theile von andern Gattungen unterscheidet, ab; diese Proportionen sind jedoch bei keiner Gattung so fixirt, daß es nicht noch beträchtliche Abänderungen unter den Individuis geben könnte, und unter diesen Abwechslungen in der Proportion, die jede Gattung zuläßt, ohne das Gemeinschaftliche ihrer Form zu verlieren, ist keine, bei der sich nicht Schönheit finden ließe. In Einer Gattung können sowohl Individuen
unter dem Namen „Verwicklung“ ſeine eigene Theorie einleitet, ſie durch den Abſchnitt von der Größe unterbricht und hierauf nachher noch auf die Proportion übergeht, die ja eben zu jenen relativen Begriffen gehört und eigentlich unter die „Richtigkeit“ zu befaſſen war: Begriffe, deren blos precäre Bedeutung er nun aber mit viel polemiſchem Eifer gegen die Proportionslehre des A. Dürr und Lamozzo ins Licht ſtellt. Was nun Hogarths bekannte Theorie von der Wellenlinie und Schlangenlinie betrifft, ſo liegt darin gewiß eine Ahnung, die nicht zu verachten iſt. Hogarth ahnt in ihr die Linie der Individualität, welche die Linie des feſten Maßes, den Kanon der Gattung mit ihren rinnenden Wellen umſpielt, er weist nach, wie ſie in Muskel und Haut ſich um die feſten Beſtandtheile des menſchlichen Körpers legt, wie ſie in den Bewegungen wiederkehrt, und er faßt ſie ſelbſt von Anfang als eine bewegte, im Auge lebende; man darf nur über ſeine ſubjective Begründung (leichte Hinderniſſe beſchäftigen angenehm u. ſ. w.) hinausgehen, ſo öffnet ſich eine ahnungsreiche Ausſicht in weltbauende Geſetze, in die Symbolik der Linien. Hogarth iſt auch nicht der Meinung, in die abſtracte Wellen- linie das Ganze der Form gefaßt haben, er weiß, daß ſie mit anderen Linien verbunden werden ſoll, geht aber freilich gerade über dieſen ſchwierigſten Punkt viel zu kurz weg (S. 26. in der Ueberſ. v. Mylius 1754). Hogarth ſpricht nur von der bildenden Kunſt; die Verbindung der geraden und der gewundenen Linie in die Muſik und Poeſie im bild- lichen Sinne zu verfolgen wäre ihm ein Leichtes geweſen.
Der bedeutendſte unter dieſen Engländern iſt Burke: Enquriy into the origine of our ideas of the sublime and beautiful 1757. Man findet in ihm vielfach vorbereitet, was Kant in der Kritik der äſth. Urtheilskr. in Schärfe zuſammenfaßte. Auch er beſtreitet die Meinung, daß beſtimmte Maßverhältniſſe an ſich ſchon Schönheit begründen (a. a. O. Th. 3, Abſchn. 4 und 5): Proportion begründet nicht Schönheit, ſie beſtimmt nur die Gattung. Ueber eine gewiſſe Grenze derſelben darf zwar kein Individuum hinausgehen, ſonſt weicht es von dem all- gemeinen Begriffe ſeiner Gattung, wie ſie ſich allerdings durch das Maß und Verhältniß der Theile von andern Gattungen unterſcheidet, ab; dieſe Proportionen ſind jedoch bei keiner Gattung ſo fixirt, daß es nicht noch beträchtliche Abänderungen unter den Individuis geben könnte, und unter dieſen Abwechslungen in der Proportion, die jede Gattung zuläßt, ohne das Gemeinſchaftliche ihrer Form zu verlieren, iſt keine, bei der ſich nicht Schönheit finden ließe. In Einer Gattung können ſowohl Individuen
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unter dem Namen „Verwicklung“ ſeine eigene Theorie einleitet, ſie durch
den Abſchnitt von der Größe unterbricht und hierauf nachher noch auf
die Proportion übergeht, die ja eben zu jenen relativen Begriffen gehört
und eigentlich unter die „Richtigkeit“ zu befaſſen war: Begriffe, deren
blos precäre Bedeutung er nun aber mit viel polemiſchem Eifer gegen
die Proportionslehre des A. Dürr und Lamozzo ins Licht ſtellt. Was
nun Hogarths bekannte Theorie von der Wellenlinie und Schlangenlinie
betrifft, ſo liegt darin gewiß eine Ahnung, die nicht zu verachten iſt.
Hogarth ahnt in ihr die Linie der Individualität, welche die Linie
des feſten Maßes, den Kanon der Gattung mit ihren rinnenden Wellen
umſpielt, er weist nach, wie ſie in Muskel und Haut ſich um die feſten
Beſtandtheile des menſchlichen Körpers legt, wie ſie in den Bewegungen
wiederkehrt, und er faßt ſie ſelbſt von Anfang als eine bewegte, im
Auge lebende; man darf nur über ſeine ſubjective Begründung (leichte
Hinderniſſe beſchäftigen angenehm u. ſ. w.) hinausgehen, ſo öffnet ſich
eine ahnungsreiche Ausſicht in weltbauende Geſetze, in die Symbolik der
Linien. Hogarth iſt auch nicht der Meinung, in die abſtracte Wellen-
linie das Ganze der Form gefaßt haben, er weiß, daß ſie mit anderen
Linien verbunden werden ſoll, geht aber freilich gerade über dieſen
ſchwierigſten Punkt viel zu kurz weg (S. 26. in der Ueberſ. v. Mylius
1754). Hogarth ſpricht nur von der bildenden Kunſt; die Verbindung
der geraden und der gewundenen Linie in die Muſik und Poeſie im bild-
lichen Sinne zu verfolgen wäre ihm ein Leichtes geweſen.
Der bedeutendſte unter dieſen Engländern iſt Burke: Enquriy into
the origine of our ideas of the sublime and beautiful 1757. Man
findet in ihm vielfach vorbereitet, was Kant in der Kritik der äſth.
Urtheilskr. in Schärfe zuſammenfaßte. Auch er beſtreitet die Meinung,
daß beſtimmte Maßverhältniſſe an ſich ſchon Schönheit begründen (a. a.
O. Th. 3, Abſchn. 4 und 5): Proportion begründet nicht Schönheit, ſie
beſtimmt nur die Gattung. Ueber eine gewiſſe Grenze derſelben darf
zwar kein Individuum hinausgehen, ſonſt weicht es von dem all-
gemeinen Begriffe ſeiner Gattung, wie ſie ſich allerdings durch das Maß
und Verhältniß der Theile von andern Gattungen unterſcheidet, ab; dieſe
Proportionen ſind jedoch bei keiner Gattung ſo fixirt, daß es nicht noch
beträchtliche Abänderungen unter den Individuis geben könnte, und unter
dieſen Abwechslungen in der Proportion, die jede Gattung zuläßt, ohne
das Gemeinſchaftliche ihrer Form zu verlieren, iſt keine, bei der ſich nicht
Schönheit finden ließe. In Einer Gattung können ſowohl Individuen
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/119>, abgerufen am 27.11.2024.
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