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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Vierte Vorlesung.
den Metastasen, in dem Studium der Veränderungen, welche
durch die Verschliessung einzelner Capillargefässe zu Stande
kommen, wie wir sie aus der Geschichte der metastatischen
Embolie kennen. In solchen Fällen sehen wir in der That, dass
ein ganzes Gewebsstück, so weit es in einer unmittelbaren
Beziehung zu einem Gefässe steht, auch in seinen pathologi-
schen Verhältnissen ein Ganzes vorstellt, eine Gefässeinheit.
Allein diese Gefässeinheit erscheint vor einer feineren Auffassung
immer noch als ein Vielfaches, und es genügt nicht, den Kör-
per etwa in lauter Gefäss-Territorien zu zerlegen, sondern man
muss noch innerhalb derselben weiter auf die Zellenterritorien
zurückgehen.

In dieser Auffassung ist es, wie ich glaube, ein wesent-
licher Fortschritt gewesen, dass wir innerhalb der Gewebe der
Bindesubstanz, wie ich Ihnen das neulich hervorgehoben habe
(S. 43.), ein besonderes System anastomosirender Elemente
kennen gelernt und auf diese Weise statt der Vasa se-
rosa, welche sich die Früheren für diese nächsten Zwecke der
Ernährung zu den Capillaren hinzudachten, eine bestimmte
Ergänzung bekommen haben, insofern dadurch die Möglichkeit
von Saftströmungen an Orten gegeben ist, die an sich verhält-
nissmässig arm an Gefässen sind. Wenn wir beim Knochen
stehen bleiben, so wären Vasa serosa eine kaum zu rechtfer-
tige de Annahme. Die harte Grundsubstanz ist durch und
durch mit einer ganz gleichmässigen Infiltration von Kalksal-
zen erfüllt, so gleichmässig, dass man gar keine Trennung
der einzelnen Kalktheilchen wahrnimmt. Wenn Einzelne an-
genommen haben, dass man kleine Körner daran unterscheiden
könne, so ist dies ein Irrthum. Die einzige Differenzirung,
welche man sieht, ist dadurch bedingt, dass in diese Substanz
hinein die Canaliculi reichen, welche zuletzt alle zurückführen
auf die Körper der Knochenzellen (Knochenkörperchen), und
welche ihrerseits wieder Verästelungen eingehen. Diese Aeste,
diese kleinen Fortsätze, reichen nun unmittelbar bis an die
Oberfläche des Gefässkanals (Markkanals). Sie setzen also
unmittelbar da ein, wo die Gefässmembran beginnt, denn man
kann sie deutlich auf der Wand des Kanals als kleine Löcherchen
wahrnehmen. Da nun die verschiedenen Knochenkörper-

Vierte Vorlesung.
den Metastasen, in dem Studium der Veränderungen, welche
durch die Verschliessung einzelner Capillargefässe zu Stande
kommen, wie wir sie aus der Geschichte der metastatischen
Embolie kennen. In solchen Fällen sehen wir in der That, dass
ein ganzes Gewebsstück, so weit es in einer unmittelbaren
Beziehung zu einem Gefässe steht, auch in seinen pathologi-
schen Verhältnissen ein Ganzes vorstellt, eine Gefässeinheit.
Allein diese Gefässeinheit erscheint vor einer feineren Auffassung
immer noch als ein Vielfaches, und es genügt nicht, den Kör-
per etwa in lauter Gefäss-Territorien zu zerlegen, sondern man
muss noch innerhalb derselben weiter auf die Zellenterritorien
zurückgehen.

In dieser Auffassung ist es, wie ich glaube, ein wesent-
licher Fortschritt gewesen, dass wir innerhalb der Gewebe der
Bindesubstanz, wie ich Ihnen das neulich hervorgehoben habe
(S. 43.), ein besonderes System anastomosirender Elemente
kennen gelernt und auf diese Weise statt der Vasa se-
rosa, welche sich die Früheren für diese nächsten Zwecke der
Ernährung zu den Capillaren hinzudachten, eine bestimmte
Ergänzung bekommen haben, insofern dadurch die Möglichkeit
von Saftströmungen an Orten gegeben ist, die an sich verhält-
nissmässig arm an Gefässen sind. Wenn wir beim Knochen
stehen bleiben, so wären Vasa serosa eine kaum zu rechtfer-
tige de Annahme. Die harte Grundsubstanz ist durch und
durch mit einer ganz gleichmässigen Infiltration von Kalksal-
zen erfüllt, so gleichmässig, dass man gar keine Trennung
der einzelnen Kalktheilchen wahrnimmt. Wenn Einzelne an-
genommen haben, dass man kleine Körner daran unterscheiden
könne, so ist dies ein Irrthum. Die einzige Differenzirung,
welche man sieht, ist dadurch bedingt, dass in diese Substanz
hinein die Canaliculi reichen, welche zuletzt alle zurückführen
auf die Körper der Knochenzellen (Knochenkörperchen), und
welche ihrerseits wieder Verästelungen eingehen. Diese Aeste,
diese kleinen Fortsätze, reichen nun unmittelbar bis an die
Oberfläche des Gefässkanals (Markkanals). Sie setzen also
unmittelbar da ein, wo die Gefässmembran beginnt, denn man
kann sie deutlich auf der Wand des Kanals als kleine Löcherchen
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[76/0098] Vierte Vorlesung. den Metastasen, in dem Studium der Veränderungen, welche durch die Verschliessung einzelner Capillargefässe zu Stande kommen, wie wir sie aus der Geschichte der metastatischen Embolie kennen. In solchen Fällen sehen wir in der That, dass ein ganzes Gewebsstück, so weit es in einer unmittelbaren Beziehung zu einem Gefässe steht, auch in seinen pathologi- schen Verhältnissen ein Ganzes vorstellt, eine Gefässeinheit. Allein diese Gefässeinheit erscheint vor einer feineren Auffassung immer noch als ein Vielfaches, und es genügt nicht, den Kör- per etwa in lauter Gefäss-Territorien zu zerlegen, sondern man muss noch innerhalb derselben weiter auf die Zellenterritorien zurückgehen. In dieser Auffassung ist es, wie ich glaube, ein wesent- licher Fortschritt gewesen, dass wir innerhalb der Gewebe der Bindesubstanz, wie ich Ihnen das neulich hervorgehoben habe (S. 43.), ein besonderes System anastomosirender Elemente kennen gelernt und auf diese Weise statt der Vasa se- rosa, welche sich die Früheren für diese nächsten Zwecke der Ernährung zu den Capillaren hinzudachten, eine bestimmte Ergänzung bekommen haben, insofern dadurch die Möglichkeit von Saftströmungen an Orten gegeben ist, die an sich verhält- nissmässig arm an Gefässen sind. Wenn wir beim Knochen stehen bleiben, so wären Vasa serosa eine kaum zu rechtfer- tige de Annahme. Die harte Grundsubstanz ist durch und durch mit einer ganz gleichmässigen Infiltration von Kalksal- zen erfüllt, so gleichmässig, dass man gar keine Trennung der einzelnen Kalktheilchen wahrnimmt. Wenn Einzelne an- genommen haben, dass man kleine Körner daran unterscheiden könne, so ist dies ein Irrthum. Die einzige Differenzirung, welche man sieht, ist dadurch bedingt, dass in diese Substanz hinein die Canaliculi reichen, welche zuletzt alle zurückführen auf die Körper der Knochenzellen (Knochenkörperchen), und welche ihrerseits wieder Verästelungen eingehen. Diese Aeste, diese kleinen Fortsätze, reichen nun unmittelbar bis an die Oberfläche des Gefässkanals (Markkanals). Sie setzen also unmittelbar da ein, wo die Gefässmembran beginnt, denn man kann sie deutlich auf der Wand des Kanals als kleine Löcherchen wahrnehmen. Da nun die verschiedenen Knochenkörper-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/98>, abgerufen am 24.11.2024.