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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Neunzehnte Vorlesung.
in der That der neue Knochen sich aus dem verschiedensten
Material aufbaut. Unzweifelhaft werden, wenn der Fall günstig
ist, die bequemsten Wege für die Neubildung betreten, und
der allerbequemste Weg ist der, dass das Periost den über-
grossen Theil des Ganzen producirt. Es geschieht dies in
der Weise, dass das Periost stellenweise gegen den Rand des
Bruches hin sich verdichtet und hier nach und nach anschwillt,
so zwar, dass man nachher ziemlich deutlich einzelne Lagen
oder Schichten unterscheiden kann. Diese werden immer
dicker und zahlreicher, indem fortwährend die innersten Theile
des Periost's wuchern und durch Vermehrung ihrer Elemente
neue Lagen bilden, welche sich zwischen dem Knochen und
den noch relativ normalen Theilen des Periostes aufhäufen.
Diese Lagen können zu Knorpel werden, aber es ist dies
[Abbildung] Fig. 135.
nicht nothwendig und nicht die Regel.
Ja es findet sich sogar, dass bei den
meisten günstigen Fracturen, wo Knor-
pel entsteht, nicht die ganze Masse
des Periostcallus aus Knorpel entsteht,
sondern dass ein mehr oder weniger
grosser Theil sich immer aus Binde-
gewebe bildet. Die Knorpelschichten
liegen gewöhnlich dem Knochen zu-
nächst, während, je weiter man nach
Aussen kommt, um so weniger die
Knorpelbildung, sondern eine directe
Umbildung des Bindegewebes vor-
herrscht.

Die Bildung von Knochen be-
schränkt sich aber keinesweges auf
die Grenze des Periost's, sehr ge-

[Abbildung] Fig. 135.

Querbruch des Humerus mit Callusbildung, etwa 14 Tage
alt. Man sieht aussen die poröse Capsel des aus Periost und Weichthei-
len hervorgegangenen Callus, dessen innerste Lage rechts noch knorpelig
ist. Links liegt frei ein abgesplittertes Stück der Knochenrinde. Die
beiden Bruchenden sind durch eine (dunkelrothe) hämorrhagisch-fibröse
Schicht verbunden, das Mark beiderseits (durch Hyperämie und Extra-
vasat) sehr dunkel, im unteren Bruchstück mehrere poröse Callusinseln,
aus der Ossification des Markes hervorgegangen.

Neunzehnte Vorlesung.
in der That der neue Knochen sich aus dem verschiedensten
Material aufbaut. Unzweifelhaft werden, wenn der Fall günstig
ist, die bequemsten Wege für die Neubildung betreten, und
der allerbequemste Weg ist der, dass das Periost den über-
grossen Theil des Ganzen producirt. Es geschieht dies in
der Weise, dass das Periost stellenweise gegen den Rand des
Bruches hin sich verdichtet und hier nach und nach anschwillt,
so zwar, dass man nachher ziemlich deutlich einzelne Lagen
oder Schichten unterscheiden kann. Diese werden immer
dicker und zahlreicher, indem fortwährend die innersten Theile
des Periost’s wuchern und durch Vermehrung ihrer Elemente
neue Lagen bilden, welche sich zwischen dem Knochen und
den noch relativ normalen Theilen des Periostes aufhäufen.
Diese Lagen können zu Knorpel werden, aber es ist dies
[Abbildung] Fig. 135.
nicht nothwendig und nicht die Regel.
Ja es findet sich sogar, dass bei den
meisten günstigen Fracturen, wo Knor-
pel entsteht, nicht die ganze Masse
des Periostcallus aus Knorpel entsteht,
sondern dass ein mehr oder weniger
grosser Theil sich immer aus Binde-
gewebe bildet. Die Knorpelschichten
liegen gewöhnlich dem Knochen zu-
nächst, während, je weiter man nach
Aussen kommt, um so weniger die
Knorpelbildung, sondern eine directe
Umbildung des Bindegewebes vor-
herrscht.

Die Bildung von Knochen be-
schränkt sich aber keinesweges auf
die Grenze des Periost’s, sehr ge-

[Abbildung] Fig. 135.

Querbruch des Humerus mit Callusbildung, etwa 14 Tage
alt. Man sieht aussen die poröse Capsel des aus Periost und Weichthei-
len hervorgegangenen Callus, dessen innerste Lage rechts noch knorpelig
ist. Links liegt frei ein abgesplittertes Stück der Knochenrinde. Die
beiden Bruchenden sind durch eine (dunkelrothe) hämorrhagisch-fibröse
Schicht verbunden, das Mark beiderseits (durch Hyperämie und Extra-
vasat) sehr dunkel, im unteren Bruchstück mehrere poröse Callusinseln,
aus der Ossification des Markes hervorgegangen.

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[390/0412] Neunzehnte Vorlesung. in der That der neue Knochen sich aus dem verschiedensten Material aufbaut. Unzweifelhaft werden, wenn der Fall günstig ist, die bequemsten Wege für die Neubildung betreten, und der allerbequemste Weg ist der, dass das Periost den über- grossen Theil des Ganzen producirt. Es geschieht dies in der Weise, dass das Periost stellenweise gegen den Rand des Bruches hin sich verdichtet und hier nach und nach anschwillt, so zwar, dass man nachher ziemlich deutlich einzelne Lagen oder Schichten unterscheiden kann. Diese werden immer dicker und zahlreicher, indem fortwährend die innersten Theile des Periost’s wuchern und durch Vermehrung ihrer Elemente neue Lagen bilden, welche sich zwischen dem Knochen und den noch relativ normalen Theilen des Periostes aufhäufen. Diese Lagen können zu Knorpel werden, aber es ist dies [Abbildung Fig. 135.] nicht nothwendig und nicht die Regel. Ja es findet sich sogar, dass bei den meisten günstigen Fracturen, wo Knor- pel entsteht, nicht die ganze Masse des Periostcallus aus Knorpel entsteht, sondern dass ein mehr oder weniger grosser Theil sich immer aus Binde- gewebe bildet. Die Knorpelschichten liegen gewöhnlich dem Knochen zu- nächst, während, je weiter man nach Aussen kommt, um so weniger die Knorpelbildung, sondern eine directe Umbildung des Bindegewebes vor- herrscht. Die Bildung von Knochen be- schränkt sich aber keinesweges auf die Grenze des Periost’s, sehr ge- [Abbildung Fig. 135. Querbruch des Humerus mit Callusbildung, etwa 14 Tage alt. Man sieht aussen die poröse Capsel des aus Periost und Weichthei- len hervorgegangenen Callus, dessen innerste Lage rechts noch knorpelig ist. Links liegt frei ein abgesplittertes Stück der Knochenrinde. Die beiden Bruchenden sind durch eine (dunkelrothe) hämorrhagisch-fibröse Schicht verbunden, das Mark beiderseits (durch Hyperämie und Extra- vasat) sehr dunkel, im unteren Bruchstück mehrere poröse Callusinseln, aus der Ossification des Markes hervorgegangen.]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/412>, abgerufen am 28.04.2024.