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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Neunzehnte Vorlesung.
erfüllt sich die Capsel des osteoiden Körperchens schon voll-
ständig mit Kalksalzen. An anderen Stellen dagegen erfolgt
die Verschmelzung der Capseln mit der Grundsubstanz sehr
frühzeitig, und man sieht innerhalb einer grobfaserig erschei-
nenden Masse, welche sich an der Stelle mancher Zellgruppen
anhäuft, schon überall die zackigen Knochenkörper. Da ist
also keine scharfe Grenze im Gewebe, sondern die verdichtete
oder faserige Substanz, welche die zackigen Körper umgibt,
geht unmittelbar in die durchscheinende Substanz über, welche
den Knorpel zusammenhält. Im Wesentlichen ist es aber der-
selbe Bau. *)

Am wichtigsten für die cellulare Theorie überhaupt ist
offenbar die isolirte Umbildung einzelner Knorpelzellen zu
Knochenkörperchen. In dem Object (Fig. 134) übersieht man
die ganze Reihe dieser Vorgänge. Da, wo das vollständig
knöcherne Stück, in welchem die Knochenkörperchen ganz
regelmässig entwickelt sind, an den Knorpel stösst, sehen
Sie eine Zone, wo man den Uebergang der Knorpelkörperchen
in vollkommene Knochensubstanz in ganz kurzen Strecken
überblickt. An der Uebergangsstelle findet sich eine Reihe
von Körperchen dicht an einander gelagert, wie Haselnüsse,
die durch ihre dunklen Conturen, ihr hartes Aussehen, ihren
ungewöhnlich starken Glanz sich von den gewöhnlichen Knor-
pelkörperchen unterscheiden, und die in einer kleinen, zacki-
gen Höhle eine kleine Zelle umschliessen; das sind die
noch isolirten Knochenkörperchen mit verkalkten Capseln,
welche ihnen von ihrer früheren Zeit als Knorpelkörper-
chen noch anhaften. Es ist deshalb besonders wichtig, dass
Sie diese Körper in ihrer Isolirung in loco sehen, um jene
anderen Prozesse zu begreifen, wo innerhalb des Knochens
diese Stellen wieder ausfallen (S. 372 Fig. 129). Wenn man
ein Object dieser Art einmal genau verfolgt hat, so kann man
darüber nicht mehr in Zweifel kommen, dass Knorpelkörper-
chen Knochenkörperchen werden können, und ich begreife

*) Der nachfolgende Abschnitt, die Geschichte der Callusbildung
eingeschlossen, ist aus der folgenden Vorlesung herübergenommen, da
das Verständniss so besser gesichert ist.

Neunzehnte Vorlesung.
erfüllt sich die Capsel des osteoiden Körperchens schon voll-
ständig mit Kalksalzen. An anderen Stellen dagegen erfolgt
die Verschmelzung der Capseln mit der Grundsubstanz sehr
frühzeitig, und man sieht innerhalb einer grobfaserig erschei-
nenden Masse, welche sich an der Stelle mancher Zellgruppen
anhäuft, schon überall die zackigen Knochenkörper. Da ist
also keine scharfe Grenze im Gewebe, sondern die verdichtete
oder faserige Substanz, welche die zackigen Körper umgibt,
geht unmittelbar in die durchscheinende Substanz über, welche
den Knorpel zusammenhält. Im Wesentlichen ist es aber der-
selbe Bau. *)

Am wichtigsten für die cellulare Theorie überhaupt ist
offenbar die isolirte Umbildung einzelner Knorpelzellen zu
Knochenkörperchen. In dem Object (Fig. 134) übersieht man
die ganze Reihe dieser Vorgänge. Da, wo das vollständig
knöcherne Stück, in welchem die Knochenkörperchen ganz
regelmässig entwickelt sind, an den Knorpel stösst, sehen
Sie eine Zone, wo man den Uebergang der Knorpelkörperchen
in vollkommene Knochensubstanz in ganz kurzen Strecken
überblickt. An der Uebergangsstelle findet sich eine Reihe
von Körperchen dicht an einander gelagert, wie Haselnüsse,
die durch ihre dunklen Conturen, ihr hartes Aussehen, ihren
ungewöhnlich starken Glanz sich von den gewöhnlichen Knor-
pelkörperchen unterscheiden, und die in einer kleinen, zacki-
gen Höhle eine kleine Zelle umschliessen; das sind die
noch isolirten Knochenkörperchen mit verkalkten Capseln,
welche ihnen von ihrer früheren Zeit als Knorpelkörper-
chen noch anhaften. Es ist deshalb besonders wichtig, dass
Sie diese Körper in ihrer Isolirung in loco sehen, um jene
anderen Prozesse zu begreifen, wo innerhalb des Knochens
diese Stellen wieder ausfallen (S. 372 Fig. 129). Wenn man
ein Object dieser Art einmal genau verfolgt hat, so kann man
darüber nicht mehr in Zweifel kommen, dass Knorpelkörper-
chen Knochenkörperchen werden können, und ich begreife

*) Der nachfolgende Abschnitt, die Geschichte der Callusbildung
eingeschlossen, ist aus der folgenden Vorlesung herübergenommen, da
das Verständniss so besser gesichert ist.
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[388/0410] Neunzehnte Vorlesung. erfüllt sich die Capsel des osteoiden Körperchens schon voll- ständig mit Kalksalzen. An anderen Stellen dagegen erfolgt die Verschmelzung der Capseln mit der Grundsubstanz sehr frühzeitig, und man sieht innerhalb einer grobfaserig erschei- nenden Masse, welche sich an der Stelle mancher Zellgruppen anhäuft, schon überall die zackigen Knochenkörper. Da ist also keine scharfe Grenze im Gewebe, sondern die verdichtete oder faserige Substanz, welche die zackigen Körper umgibt, geht unmittelbar in die durchscheinende Substanz über, welche den Knorpel zusammenhält. Im Wesentlichen ist es aber der- selbe Bau. *) Am wichtigsten für die cellulare Theorie überhaupt ist offenbar die isolirte Umbildung einzelner Knorpelzellen zu Knochenkörperchen. In dem Object (Fig. 134) übersieht man die ganze Reihe dieser Vorgänge. Da, wo das vollständig knöcherne Stück, in welchem die Knochenkörperchen ganz regelmässig entwickelt sind, an den Knorpel stösst, sehen Sie eine Zone, wo man den Uebergang der Knorpelkörperchen in vollkommene Knochensubstanz in ganz kurzen Strecken überblickt. An der Uebergangsstelle findet sich eine Reihe von Körperchen dicht an einander gelagert, wie Haselnüsse, die durch ihre dunklen Conturen, ihr hartes Aussehen, ihren ungewöhnlich starken Glanz sich von den gewöhnlichen Knor- pelkörperchen unterscheiden, und die in einer kleinen, zacki- gen Höhle eine kleine Zelle umschliessen; das sind die noch isolirten Knochenkörperchen mit verkalkten Capseln, welche ihnen von ihrer früheren Zeit als Knorpelkörper- chen noch anhaften. Es ist deshalb besonders wichtig, dass Sie diese Körper in ihrer Isolirung in loco sehen, um jene anderen Prozesse zu begreifen, wo innerhalb des Knochens diese Stellen wieder ausfallen (S. 372 Fig. 129). Wenn man ein Object dieser Art einmal genau verfolgt hat, so kann man darüber nicht mehr in Zweifel kommen, dass Knorpelkörper- chen Knochenkörperchen werden können, und ich begreife *) Der nachfolgende Abschnitt, die Geschichte der Callusbildung eingeschlossen, ist aus der folgenden Vorlesung herübergenommen, da das Verständniss so besser gesichert ist.

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/410>, abgerufen am 28.04.2024.