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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Knochenmark.
rothe Markgewebe, wie wir es in der Regel im Marke
eines Neugebornen finden. Steht der Prozess hier still, so
bezeichnet die Grösse der transformirten Stelle zugleich die
Grösse des späteren Markraumes. Später können diese klei-
nen Zellen Fett in sich aufnehmen, anfangs in kleinen Kör-
nern, allmälig in grossen Tropfen, endlich so, dass sie ganz
und gar davon erfüllt werden. Dadurch verwandelt sich das
ursprüngliche Markgewebe in Fettgewebe; das Fett ist aber
immer im Innern der Zellen enthalten, wie in den Zellen des
Panniculus adiposus. Allein dies gelbe, fetthaltige Mark
kommt nicht in allen Knochen vor. In den Wirbelkörpern
finden wir immer die kleinen Elemente. In den Röhrenknochen
des Erwachsenen kommt normal immer das fetthaltige Mark
vor, allein dies kann unter pathologischen Verhältnissen sehr
schnell sein Fett abgeben. Die Elemente können sich theilen,
und dann bekommen wir wieder rothes, aber entzündliches
Mark.

In dieser ganzen Reihe von der ersten Entwickelung des
Markes aus Knorpel bis zu der letzten entzündlichen Stö-
rung, wie wir sie bei einer Amputation entstehen sehen,
existirt zu keiner Zeit eine amorphe Substanz, ein Blastem
oder Exsudat; immer können wir eine Zelle von der anderen
ableiten, jede hat eine unmittelbare Entwickelung aus einer
früheren und, so lange der Wucherungsgang fortschreitet, eine
unmittelbare Nachkommenschaft von Zellen.

Die zweite Reihe von Umbildungen in der Längsaxe des
Röhrenknochens ist die Tela ossea, welche hervorgehen kann
aus Mark und aus Knorpel. In dem einen Falle werden die
Mark-, in dem anderen die Knorpelzellen die späteren Knochen-
zellen. Dieser Act der eigentlichen Ossification, die Entste-
hung der Tela ossea ist überaus schwierig zu beobachten,
hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Erste, was bei diesen
Vorgängen erfolgt, nicht die Erzeugung von wirklicher Tela
ossea ist, sondern nur die Ablagerung von Kalksalzen. In
der Regel nämlich geschieht zuerst in der nächsten Nähe des
Knochenrandes eine Verkalkung des Knorpels, welche allmälig
hinauf schreitet, zuerst an den Rändern der grösseren Zellengrup-
pen, sodann um die einzelnen Zellen, immer der Substanz der

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Knochenmark.
rothe Markgewebe, wie wir es in der Regel im Marke
eines Neugebornen finden. Steht der Prozess hier still, so
bezeichnet die Grösse der transformirten Stelle zugleich die
Grösse des späteren Markraumes. Später können diese klei-
nen Zellen Fett in sich aufnehmen, anfangs in kleinen Kör-
nern, allmälig in grossen Tropfen, endlich so, dass sie ganz
und gar davon erfüllt werden. Dadurch verwandelt sich das
ursprüngliche Markgewebe in Fettgewebe; das Fett ist aber
immer im Innern der Zellen enthalten, wie in den Zellen des
Panniculus adiposus. Allein dies gelbe, fetthaltige Mark
kommt nicht in allen Knochen vor. In den Wirbelkörpern
finden wir immer die kleinen Elemente. In den Röhrenknochen
des Erwachsenen kommt normal immer das fetthaltige Mark
vor, allein dies kann unter pathologischen Verhältnissen sehr
schnell sein Fett abgeben. Die Elemente können sich theilen,
und dann bekommen wir wieder rothes, aber entzündliches
Mark.

In dieser ganzen Reihe von der ersten Entwickelung des
Markes aus Knorpel bis zu der letzten entzündlichen Stö-
rung, wie wir sie bei einer Amputation entstehen sehen,
existirt zu keiner Zeit eine amorphe Substanz, ein Blastem
oder Exsudat; immer können wir eine Zelle von der anderen
ableiten, jede hat eine unmittelbare Entwickelung aus einer
früheren und, so lange der Wucherungsgang fortschreitet, eine
unmittelbare Nachkommenschaft von Zellen.

Die zweite Reihe von Umbildungen in der Längsaxe des
Röhrenknochens ist die Tela ossea, welche hervorgehen kann
aus Mark und aus Knorpel. In dem einen Falle werden die
Mark-, in dem anderen die Knorpelzellen die späteren Knochen-
zellen. Dieser Act der eigentlichen Ossification, die Entste-
hung der Tela ossea ist überaus schwierig zu beobachten,
hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Erste, was bei diesen
Vorgängen erfolgt, nicht die Erzeugung von wirklicher Tela
ossea ist, sondern nur die Ablagerung von Kalksalzen. In
der Regel nämlich geschieht zuerst in der nächsten Nähe des
Knochenrandes eine Verkalkung des Knorpels, welche allmälig
hinauf schreitet, zuerst an den Rändern der grösseren Zellengrup-
pen, sodann um die einzelnen Zellen, immer der Substanz der

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[369/0391] Knochenmark. rothe Markgewebe, wie wir es in der Regel im Marke eines Neugebornen finden. Steht der Prozess hier still, so bezeichnet die Grösse der transformirten Stelle zugleich die Grösse des späteren Markraumes. Später können diese klei- nen Zellen Fett in sich aufnehmen, anfangs in kleinen Kör- nern, allmälig in grossen Tropfen, endlich so, dass sie ganz und gar davon erfüllt werden. Dadurch verwandelt sich das ursprüngliche Markgewebe in Fettgewebe; das Fett ist aber immer im Innern der Zellen enthalten, wie in den Zellen des Panniculus adiposus. Allein dies gelbe, fetthaltige Mark kommt nicht in allen Knochen vor. In den Wirbelkörpern finden wir immer die kleinen Elemente. In den Röhrenknochen des Erwachsenen kommt normal immer das fetthaltige Mark vor, allein dies kann unter pathologischen Verhältnissen sehr schnell sein Fett abgeben. Die Elemente können sich theilen, und dann bekommen wir wieder rothes, aber entzündliches Mark. In dieser ganzen Reihe von der ersten Entwickelung des Markes aus Knorpel bis zu der letzten entzündlichen Stö- rung, wie wir sie bei einer Amputation entstehen sehen, existirt zu keiner Zeit eine amorphe Substanz, ein Blastem oder Exsudat; immer können wir eine Zelle von der anderen ableiten, jede hat eine unmittelbare Entwickelung aus einer früheren und, so lange der Wucherungsgang fortschreitet, eine unmittelbare Nachkommenschaft von Zellen. Die zweite Reihe von Umbildungen in der Längsaxe des Röhrenknochens ist die Tela ossea, welche hervorgehen kann aus Mark und aus Knorpel. In dem einen Falle werden die Mark-, in dem anderen die Knorpelzellen die späteren Knochen- zellen. Dieser Act der eigentlichen Ossification, die Entste- hung der Tela ossea ist überaus schwierig zu beobachten, hauptsächlich aus dem Grunde, weil das Erste, was bei diesen Vorgängen erfolgt, nicht die Erzeugung von wirklicher Tela ossea ist, sondern nur die Ablagerung von Kalksalzen. In der Regel nämlich geschieht zuerst in der nächsten Nähe des Knochenrandes eine Verkalkung des Knorpels, welche allmälig hinauf schreitet, zuerst an den Rändern der grösseren Zellengrup- pen, sodann um die einzelnen Zellen, immer der Substanz der 24

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/391>, abgerufen am 10.05.2024.