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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Amyloide Substanz.
gespielt. Allein der Ausdruck von speckigen Veränderungen,
wie er jetzt gebraucht wird, hat damit wenig zu thun und be-
zieht sich vielmehr auf Dinge, welche die Alten, die, wie ich
glaube, bessere Speckkenner waren, als die Wiener, schwerlich
mit einem solchen Namen belegt haben würden. Das Aussehen
solcher Organe nämlich, welche nach Wiener Anschauung
speckig aussehen sollen, gleicht nach nördlichen Begriffen viel-
mehr dem Wachs. Daher habe ich schon seit langer Zeit, wie
die Edinburger Schule, den Ausdruck der wächsernen Verän-
derung dafür gebraucht. Sieht man eine Leber oder eine
Lymphdrüse in recht ausgeprägten Zuständen dieser Art an,
so ist das, was am Meisten für das blosse Auge auffällt, das
durchscheinende, aber zugleich matte Aussehen, welches die
Schnittflächen darbieten; die natürliche Farbe der Theile geht
dabei mehr oder weniger verloren, so dass ein Anfangs mehr
graues, später vollkommen farbloses Material die Theile zu er-
füllen scheint. Die durchscheinende Beschaffenheit, welche das
Gewebe hat, lässt indess das Roth der Gefässe und die natürliche
Färbung der Nachbartheile durchschimmern, so dass die ver-
änderten Stellen in einzelnen Organen mehr gelblich, röthlich
oder bräunlich aussehen; es ist dies aber nicht eine der abge-
lagerten Substanz zukommende Farbe. Die ersten Anhalts-
punkte für die genauere Deutung der Substanz, welche man
früher bald für eine eigenthümliche Fettmasse, bald für Ei-
weiss oder Fibrin, bald endlich für eine kolloide Substanz nahm,
wurden durch die Anwendung des Jod's auf die thierischen
Gewebe gewonnen. Es sind jetzt bald 5 Jahre her, seitdem
ich zuerst die eigenthümliche Jodreaction der Corpora amyla-
cea der Nervenapparate, welche ich Ihnen früher schilderte, ent-
deckte und auf die ausserordentliche Aehnlichkeit aufmerksam
wurde, welche diese Körper mit pflanzlichen Bildungen darbieten,
so dass man sie bald mehr für wirkliches Amylum, bald mehr
für Bildungen, welche der Cellulose analog sind, halten könnte.
Das nächste Organ, auf welches ich stiess, obwohl eine nähere
Aehnlichkeit in dem äusseren Aussehen mit dem Ependym
nicht besteht, war die Milz, und zwar ein Zustand derselben,
in welchem ihre Follikel in ihrer Totalität in eine solche durch-
scheinende wachsartige Masse umgewandelt waren. Bald

Amyloide Substanz.
gespielt. Allein der Ausdruck von speckigen Veränderungen,
wie er jetzt gebraucht wird, hat damit wenig zu thun und be-
zieht sich vielmehr auf Dinge, welche die Alten, die, wie ich
glaube, bessere Speckkenner waren, als die Wiener, schwerlich
mit einem solchen Namen belegt haben würden. Das Aussehen
solcher Organe nämlich, welche nach Wiener Anschauung
speckig aussehen sollen, gleicht nach nördlichen Begriffen viel-
mehr dem Wachs. Daher habe ich schon seit langer Zeit, wie
die Edinburger Schule, den Ausdruck der wächsernen Verän-
derung dafür gebraucht. Sieht man eine Leber oder eine
Lymphdrüse in recht ausgeprägten Zuständen dieser Art an,
so ist das, was am Meisten für das blosse Auge auffällt, das
durchscheinende, aber zugleich matte Aussehen, welches die
Schnittflächen darbieten; die natürliche Farbe der Theile geht
dabei mehr oder weniger verloren, so dass ein Anfangs mehr
graues, später vollkommen farbloses Material die Theile zu er-
füllen scheint. Die durchscheinende Beschaffenheit, welche das
Gewebe hat, lässt indess das Roth der Gefässe und die natürliche
Färbung der Nachbartheile durchschimmern, so dass die ver-
änderten Stellen in einzelnen Organen mehr gelblich, röthlich
oder bräunlich aussehen; es ist dies aber nicht eine der abge-
lagerten Substanz zukommende Farbe. Die ersten Anhalts-
punkte für die genauere Deutung der Substanz, welche man
früher bald für eine eigenthümliche Fettmasse, bald für Ei-
weiss oder Fibrin, bald endlich für eine kolloide Substanz nahm,
wurden durch die Anwendung des Jod’s auf die thierischen
Gewebe gewonnen. Es sind jetzt bald 5 Jahre her, seitdem
ich zuerst die eigenthümliche Jodreaction der Corpora amyla-
cea der Nervenapparate, welche ich Ihnen früher schilderte, ent-
deckte und auf die ausserordentliche Aehnlichkeit aufmerksam
wurde, welche diese Körper mit pflanzlichen Bildungen darbieten,
so dass man sie bald mehr für wirkliches Amylum, bald mehr
für Bildungen, welche der Cellulose analog sind, halten könnte.
Das nächste Organ, auf welches ich stiess, obwohl eine nähere
Aehnlichkeit in dem äusseren Aussehen mit dem Ependym
nicht besteht, war die Milz, und zwar ein Zustand derselben,
in welchem ihre Follikel in ihrer Totalität in eine solche durch-
scheinende wachsartige Masse umgewandelt waren. Bald

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[331/0353] Amyloide Substanz. gespielt. Allein der Ausdruck von speckigen Veränderungen, wie er jetzt gebraucht wird, hat damit wenig zu thun und be- zieht sich vielmehr auf Dinge, welche die Alten, die, wie ich glaube, bessere Speckkenner waren, als die Wiener, schwerlich mit einem solchen Namen belegt haben würden. Das Aussehen solcher Organe nämlich, welche nach Wiener Anschauung speckig aussehen sollen, gleicht nach nördlichen Begriffen viel- mehr dem Wachs. Daher habe ich schon seit langer Zeit, wie die Edinburger Schule, den Ausdruck der wächsernen Verän- derung dafür gebraucht. Sieht man eine Leber oder eine Lymphdrüse in recht ausgeprägten Zuständen dieser Art an, so ist das, was am Meisten für das blosse Auge auffällt, das durchscheinende, aber zugleich matte Aussehen, welches die Schnittflächen darbieten; die natürliche Farbe der Theile geht dabei mehr oder weniger verloren, so dass ein Anfangs mehr graues, später vollkommen farbloses Material die Theile zu er- füllen scheint. Die durchscheinende Beschaffenheit, welche das Gewebe hat, lässt indess das Roth der Gefässe und die natürliche Färbung der Nachbartheile durchschimmern, so dass die ver- änderten Stellen in einzelnen Organen mehr gelblich, röthlich oder bräunlich aussehen; es ist dies aber nicht eine der abge- lagerten Substanz zukommende Farbe. Die ersten Anhalts- punkte für die genauere Deutung der Substanz, welche man früher bald für eine eigenthümliche Fettmasse, bald für Ei- weiss oder Fibrin, bald endlich für eine kolloide Substanz nahm, wurden durch die Anwendung des Jod’s auf die thierischen Gewebe gewonnen. Es sind jetzt bald 5 Jahre her, seitdem ich zuerst die eigenthümliche Jodreaction der Corpora amyla- cea der Nervenapparate, welche ich Ihnen früher schilderte, ent- deckte und auf die ausserordentliche Aehnlichkeit aufmerksam wurde, welche diese Körper mit pflanzlichen Bildungen darbieten, so dass man sie bald mehr für wirkliches Amylum, bald mehr für Bildungen, welche der Cellulose analog sind, halten könnte. Das nächste Organ, auf welches ich stiess, obwohl eine nähere Aehnlichkeit in dem äusseren Aussehen mit dem Ependym nicht besteht, war die Milz, und zwar ein Zustand derselben, in welchem ihre Follikel in ihrer Totalität in eine solche durch- scheinende wachsartige Masse umgewandelt waren. Bald

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/353>, abgerufen am 24.11.2024.