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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Sechszehnte Vorlesung.
sificationen. In alter Zeit hat man Alles Ossification genannt.
Viele der Neueren haben geläugnet, dass sie überhaupt an den
Gefässen vorkomme. Ossification kommt faktisch vor, aber
auch Verkalkung. oder, wie ich in der Kürze sagen will, Pe-
trification
. Letztere ist an den peripherischen Arterien
verhältnissmässig am häufigsten, so dass der Zustand, den man
gewöhnlich als ein besonderes Criterium des atheromatösen
Prozesses betrachtet und in dem man die Radialarterie hart
und kalkig fühlt, an der Cruralis oder Poplitaea harte, starre
Wandungen wahrnimmt, gar kein Beweis ist, dass es sich um
einen atheromatösen Vorgang handelt. Sehr häufig hat diese
Verhärtung ihren Sitz in der Media. In dieser kommt gar nicht
selten eine Verkalkung vor, welche wirklich die Muskelelemente
trifft, so dass die Faserzellen der Ringfaserhaut in Kalksäul-
chen verwandelt werden. Die Kalkmasse kann in diesen Fäl-
len auch noch die Nachbartheile überziehen; die innere Haut
aber kann dabei möglicherweise ganz intakt bleiben. Das ist
also ein Prozess, welcher mehr verschieden ist von dem,
was man atheromatösen Prozess nennt, wie eine Periostitis von
einer Ostitis. Diese Art von Verkalkung hat mit einer Ent-
zündung der Arterie gar keinen nothwendigen Zusammenhang;
sie kommt am gewöhnlichsten unter Verhältnissen vor, wo
überhaupt eine Neigung zu Verkalkungen eintritt, wo Kalk-
salze an anderen Punkten der Oekonomie frei und mit den
Säften beweglich werden. Das ist wenigstens mit Sicherheit
zu sagen, dass noch kein Stadium dieser Veränderungen be-
kannt ist, welches der Entzündung parallel stände.

Dagegen sehen wir an der inneren Haut der Gefässe die
Ossification gerade so auftreten, wie wenn sich unter Entzün-
dungserscheinungen an der Oberfläche des Knochens ein
Osteophyt bildete. Die Osteophyten der inneren Schädeldecke
und der Hirnhäute zeigen dieselbe Entwickelung, wie die os-
sificirten Platten der inneren Haut der Aorta und selbst der
Venen. Ihr erstes Stadium besteht immer in der vermehrten
Bildung von bindegewebsartigen Verdickungen, in welchen erst
spät die Ablagerung der Kalksalze erfolgt. Sobald diese wirk-
liche Ossification besteht, so können wir gar nicht umhin, den
Vorgang als einen aus einer Reizung der Theile zu neuen,

Sechszehnte Vorlesung.
sificationen. In alter Zeit hat man Alles Ossification genannt.
Viele der Neueren haben geläugnet, dass sie überhaupt an den
Gefässen vorkomme. Ossification kommt faktisch vor, aber
auch Verkalkung. oder, wie ich in der Kürze sagen will, Pe-
trification
. Letztere ist an den peripherischen Arterien
verhältnissmässig am häufigsten, so dass der Zustand, den man
gewöhnlich als ein besonderes Criterium des atheromatösen
Prozesses betrachtet und in dem man die Radialarterie hart
und kalkig fühlt, an der Cruralis oder Poplitaea harte, starre
Wandungen wahrnimmt, gar kein Beweis ist, dass es sich um
einen atheromatösen Vorgang handelt. Sehr häufig hat diese
Verhärtung ihren Sitz in der Media. In dieser kommt gar nicht
selten eine Verkalkung vor, welche wirklich die Muskelelemente
trifft, so dass die Faserzellen der Ringfaserhaut in Kalksäul-
chen verwandelt werden. Die Kalkmasse kann in diesen Fäl-
len auch noch die Nachbartheile überziehen; die innere Haut
aber kann dabei möglicherweise ganz intakt bleiben. Das ist
also ein Prozess, welcher mehr verschieden ist von dem,
was man atheromatösen Prozess nennt, wie eine Periostitis von
einer Ostitis. Diese Art von Verkalkung hat mit einer Ent-
zündung der Arterie gar keinen nothwendigen Zusammenhang;
sie kommt am gewöhnlichsten unter Verhältnissen vor, wo
überhaupt eine Neigung zu Verkalkungen eintritt, wo Kalk-
salze an anderen Punkten der Oekonomie frei und mit den
Säften beweglich werden. Das ist wenigstens mit Sicherheit
zu sagen, dass noch kein Stadium dieser Veränderungen be-
kannt ist, welches der Entzündung parallel stände.

Dagegen sehen wir an der inneren Haut der Gefässe die
Ossification gerade so auftreten, wie wenn sich unter Entzün-
dungserscheinungen an der Oberfläche des Knochens ein
Osteophyt bildete. Die Osteophyten der inneren Schädeldecke
und der Hirnhäute zeigen dieselbe Entwickelung, wie die os-
sificirten Platten der inneren Haut der Aorta und selbst der
Venen. Ihr erstes Stadium besteht immer in der vermehrten
Bildung von bindegewebsartigen Verdickungen, in welchen erst
spät die Ablagerung der Kalksalze erfolgt. Sobald diese wirk-
liche Ossification besteht, so können wir gar nicht umhin, den
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[328/0350] Sechszehnte Vorlesung. sificationen. In alter Zeit hat man Alles Ossification genannt. Viele der Neueren haben geläugnet, dass sie überhaupt an den Gefässen vorkomme. Ossification kommt faktisch vor, aber auch Verkalkung. oder, wie ich in der Kürze sagen will, Pe- trification. Letztere ist an den peripherischen Arterien verhältnissmässig am häufigsten, so dass der Zustand, den man gewöhnlich als ein besonderes Criterium des atheromatösen Prozesses betrachtet und in dem man die Radialarterie hart und kalkig fühlt, an der Cruralis oder Poplitaea harte, starre Wandungen wahrnimmt, gar kein Beweis ist, dass es sich um einen atheromatösen Vorgang handelt. Sehr häufig hat diese Verhärtung ihren Sitz in der Media. In dieser kommt gar nicht selten eine Verkalkung vor, welche wirklich die Muskelelemente trifft, so dass die Faserzellen der Ringfaserhaut in Kalksäul- chen verwandelt werden. Die Kalkmasse kann in diesen Fäl- len auch noch die Nachbartheile überziehen; die innere Haut aber kann dabei möglicherweise ganz intakt bleiben. Das ist also ein Prozess, welcher mehr verschieden ist von dem, was man atheromatösen Prozess nennt, wie eine Periostitis von einer Ostitis. Diese Art von Verkalkung hat mit einer Ent- zündung der Arterie gar keinen nothwendigen Zusammenhang; sie kommt am gewöhnlichsten unter Verhältnissen vor, wo überhaupt eine Neigung zu Verkalkungen eintritt, wo Kalk- salze an anderen Punkten der Oekonomie frei und mit den Säften beweglich werden. Das ist wenigstens mit Sicherheit zu sagen, dass noch kein Stadium dieser Veränderungen be- kannt ist, welches der Entzündung parallel stände. Dagegen sehen wir an der inneren Haut der Gefässe die Ossification gerade so auftreten, wie wenn sich unter Entzün- dungserscheinungen an der Oberfläche des Knochens ein Osteophyt bildete. Die Osteophyten der inneren Schädeldecke und der Hirnhäute zeigen dieselbe Entwickelung, wie die os- sificirten Platten der inneren Haut der Aorta und selbst der Venen. Ihr erstes Stadium besteht immer in der vermehrten Bildung von bindegewebsartigen Verdickungen, in welchen erst spät die Ablagerung der Kalksalze erfolgt. Sobald diese wirk- liche Ossification besteht, so können wir gar nicht umhin, den Vorgang als einen aus einer Reizung der Theile zu neuen,

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/350>, abgerufen am 24.11.2024.