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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Sechszehnte Vorlesung.
sich ein fettiger Zerfall im Innern der Theile ein. So können
wir die fettige Degeneration des Nierenepithels als ein Stadium
der Brightischen Krankheit, oder, wie ich sage, der parenchy-
matösen Nephritis bezeichnen, welchem ein Stadium von Hy-
perämie und Schwellung vorausgeht, wo jede Epithelzelle eine
grosse Quantität von opaker Masse in sich ansammelt, ohne
dass im Anfange eine Spur von Fetttröpfchen zu bemerken ist.
So sehen wir, dass der Muskel in der That unter Einwirkun-
gen, welche nach dem allgemeinen Zugeständniss eine Ent-
zündung machen, z. B. nach Verwundungen, chemischen Aetzun-
gen anschwillt, dass seine Primitivbündel breiter und trüber
werden, und dass in einem zweiten Stadium in ihnen dieselbe
fettige Degeneration beginnt, welche wir andere Male direct
auftreten sehen.

Man kann also, wenn man ganz allgemein spricht, aller-
dings davon reden, dass es eine entzündliche Form der fettigen
Degeneration gibt, allein, genau genommen, ist diese entzünd-
liche Form immer nur ein späteres Stadium, ein Ausgang,
welcher den eintretenden Zerfall der Gewebsstructur anzeigt,
wo der Theil nicht mehr im Stande ist, seine Sonderexistenz
fortzuführen, sondern wo er so weit dem Spiel der chemischen
Kräfte seiner constituirenden Theile verfällt, dass das nächste
Resultat seine wirklich vollständige Auflösung ist. Gerade
diese Art von Entzündungszuständen hat im Allgemeinen eine
sehr grosse Bedeutung, weil an allen Theilen, wo die wesent-
lichen Elemente in dieser Weise verändert werden, überhaupt
keine Restitution möglich ist. Wenn eine Muskelentzündung
besteht, bei welcher wirklich die Muskelprimitivbündel die fet-
tige Degeneration eingehen, so gehen sie auch regelmässig zu
Grunde und wir sehen nachher an der Stelle, wo die Degene-
ration stattgefunden hatte, eine Lücke im Muskelfleisch. Die
Niere, welche in fettige Degeneration ihres Epithels übergeht,
schrumpft fast immer zusammen; das Resultat ist eine bleibende
Atrophie. Ausnahmsweise kommt vielleicht etwas zu Stande,
was an die Regeneration des Epithels erinnert, aber gewöhn-
lich ist ein Zusammensinken der ganzen Structur der Erfolg.
Das sehen wir am Gehirn bei der gelben Erweichung, gleich-
viel, wie sie bedingt sein mag. Ob Entzündung oder nicht, es

Sechszehnte Vorlesung.
sich ein fettiger Zerfall im Innern der Theile ein. So können
wir die fettige Degeneration des Nierenepithels als ein Stadium
der Brightischen Krankheit, oder, wie ich sage, der parenchy-
matösen Nephritis bezeichnen, welchem ein Stadium von Hy-
perämie und Schwellung vorausgeht, wo jede Epithelzelle eine
grosse Quantität von opaker Masse in sich ansammelt, ohne
dass im Anfange eine Spur von Fetttröpfchen zu bemerken ist.
So sehen wir, dass der Muskel in der That unter Einwirkun-
gen, welche nach dem allgemeinen Zugeständniss eine Ent-
zündung machen, z. B. nach Verwundungen, chemischen Aetzun-
gen anschwillt, dass seine Primitivbündel breiter und trüber
werden, und dass in einem zweiten Stadium in ihnen dieselbe
fettige Degeneration beginnt, welche wir andere Male direct
auftreten sehen.

Man kann also, wenn man ganz allgemein spricht, aller-
dings davon reden, dass es eine entzündliche Form der fettigen
Degeneration gibt, allein, genau genommen, ist diese entzünd-
liche Form immer nur ein späteres Stadium, ein Ausgang,
welcher den eintretenden Zerfall der Gewebsstructur anzeigt,
wo der Theil nicht mehr im Stande ist, seine Sonderexistenz
fortzuführen, sondern wo er so weit dem Spiel der chemischen
Kräfte seiner constituirenden Theile verfällt, dass das nächste
Resultat seine wirklich vollständige Auflösung ist. Gerade
diese Art von Entzündungszuständen hat im Allgemeinen eine
sehr grosse Bedeutung, weil an allen Theilen, wo die wesent-
lichen Elemente in dieser Weise verändert werden, überhaupt
keine Restitution möglich ist. Wenn eine Muskelentzündung
besteht, bei welcher wirklich die Muskelprimitivbündel die fet-
tige Degeneration eingehen, so gehen sie auch regelmässig zu
Grunde und wir sehen nachher an der Stelle, wo die Degene-
ration stattgefunden hatte, eine Lücke im Muskelfleisch. Die
Niere, welche in fettige Degeneration ihres Epithels übergeht,
schrumpft fast immer zusammen; das Resultat ist eine bleibende
Atrophie. Ausnahmsweise kommt vielleicht etwas zu Stande,
was an die Regeneration des Epithels erinnert, aber gewöhn-
lich ist ein Zusammensinken der ganzen Structur der Erfolg.
Das sehen wir am Gehirn bei der gelben Erweichung, gleich-
viel, wie sie bedingt sein mag. Ob Entzündung oder nicht, es

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[316/0338] Sechszehnte Vorlesung. sich ein fettiger Zerfall im Innern der Theile ein. So können wir die fettige Degeneration des Nierenepithels als ein Stadium der Brightischen Krankheit, oder, wie ich sage, der parenchy- matösen Nephritis bezeichnen, welchem ein Stadium von Hy- perämie und Schwellung vorausgeht, wo jede Epithelzelle eine grosse Quantität von opaker Masse in sich ansammelt, ohne dass im Anfange eine Spur von Fetttröpfchen zu bemerken ist. So sehen wir, dass der Muskel in der That unter Einwirkun- gen, welche nach dem allgemeinen Zugeständniss eine Ent- zündung machen, z. B. nach Verwundungen, chemischen Aetzun- gen anschwillt, dass seine Primitivbündel breiter und trüber werden, und dass in einem zweiten Stadium in ihnen dieselbe fettige Degeneration beginnt, welche wir andere Male direct auftreten sehen. Man kann also, wenn man ganz allgemein spricht, aller- dings davon reden, dass es eine entzündliche Form der fettigen Degeneration gibt, allein, genau genommen, ist diese entzünd- liche Form immer nur ein späteres Stadium, ein Ausgang, welcher den eintretenden Zerfall der Gewebsstructur anzeigt, wo der Theil nicht mehr im Stande ist, seine Sonderexistenz fortzuführen, sondern wo er so weit dem Spiel der chemischen Kräfte seiner constituirenden Theile verfällt, dass das nächste Resultat seine wirklich vollständige Auflösung ist. Gerade diese Art von Entzündungszuständen hat im Allgemeinen eine sehr grosse Bedeutung, weil an allen Theilen, wo die wesent- lichen Elemente in dieser Weise verändert werden, überhaupt keine Restitution möglich ist. Wenn eine Muskelentzündung besteht, bei welcher wirklich die Muskelprimitivbündel die fet- tige Degeneration eingehen, so gehen sie auch regelmässig zu Grunde und wir sehen nachher an der Stelle, wo die Degene- ration stattgefunden hatte, eine Lücke im Muskelfleisch. Die Niere, welche in fettige Degeneration ihres Epithels übergeht, schrumpft fast immer zusammen; das Resultat ist eine bleibende Atrophie. Ausnahmsweise kommt vielleicht etwas zu Stande, was an die Regeneration des Epithels erinnert, aber gewöhn- lich ist ein Zusammensinken der ganzen Structur der Erfolg. Das sehen wir am Gehirn bei der gelben Erweichung, gleich- viel, wie sie bedingt sein mag. Ob Entzündung oder nicht, es

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/338>, abgerufen am 24.11.2024.