eitrigen Infection des Blutes suchen, sondern die Be- zeichnung als einen Sammelnamen für mehrere an sich ver- schiedenartige Vorgänge betrachten.
Ich hoffe, meine Herren, dass das Mitgetheilte genügen wird, um Sie in der Sache zu orientieren. Natürlich lässt sich ohne Anhalt an bestimmte Fälle keine eigentliche Beweisfüh- rung gestalten. Sie werden indess selbst Gelegenheit genug haben, die Probe auf die Richtigkeit dieser Darstellung zu machen, und es wird mich freuen, wenn Sie finden, dass darin wesentliche Anhaltspunkte auch für eine bessere Auffassung der eigentlich praktischen und namentlich der therapeutischen Fragen gegeben sind.
Nachdem wir nicht nur körperliche Theile, sondern auch ge- wisse chemische Stoffe als Vermittler von Dyscrasien kennen ge- lernt haben, welche eine bald längere, bald kürzere Dauer haben, je nachdem die Zufuhr jener Theile und Stoffe kürzere oder längere Zeit andauert, so können wir kurz zu der Frage zu- rückkommen, ob neben diesen Formen eine Art von Dyscrasie nachweisbar ist, bei der das Blut als der dauerhafte Träger bestimmter Veränderungen erscheint. Wir werden diese Frage verneinen müssen. Je mehr ausgesprochen eine wirklich nach- weisbare Verunreinigung des Blutes mit gewissen Stoffen ist, um so deutlicher ist der relativ acute Verlauf des Prozesses. Gerade die Formen, bei denen man sich am liebsten, na- mentlich über die Mangelhaftigkeit der therapeutischen Erfolge, damit tröstet, dass es sich um eine tiefe und unheilbare, chro- nische Dyscrasie handele, dürften wohl am wenigsten in einer ursprünglichen Veränderung des Blutes beruhen; gerade hier handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um ausgedehnte Veränderungen gewisser Organe oder einzelner Theile. Ich kann nicht behaupten, dass irgend ein Abschluss der Unter- suchungen hier vorläge; ich kann nur sagen, dass jedes Mittel der mikroskopischen oder chemischen Analyse bis jetzt frucht- los angewendet worden ist auf die hämatologische Erforschung dieser Prozesse, dass wir dagegen bei den meisten wesentliche Veränderungen kleinerer oder grösserer Complexe von Organ- theilen nachweisen können, und dass im Allgemeinen die
Zehnte Vorlesung.
eitrigen Infection des Blutes suchen, sondern die Be- zeichnung als einen Sammelnamen für mehrere an sich ver- schiedenartige Vorgänge betrachten.
Ich hoffe, meine Herren, dass das Mitgetheilte genügen wird, um Sie in der Sache zu orientieren. Natürlich lässt sich ohne Anhalt an bestimmte Fälle keine eigentliche Beweisfüh- rung gestalten. Sie werden indess selbst Gelegenheit genug haben, die Probe auf die Richtigkeit dieser Darstellung zu machen, und es wird mich freuen, wenn Sie finden, dass darin wesentliche Anhaltspunkte auch für eine bessere Auffassung der eigentlich praktischen und namentlich der therapeutischen Fragen gegeben sind.
Nachdem wir nicht nur körperliche Theile, sondern auch ge- wisse chemische Stoffe als Vermittler von Dyscrasien kennen ge- lernt haben, welche eine bald längere, bald kürzere Dauer haben, je nachdem die Zufuhr jener Theile und Stoffe kürzere oder längere Zeit andauert, so können wir kurz zu der Frage zu- rückkommen, ob neben diesen Formen eine Art von Dyscrasie nachweisbar ist, bei der das Blut als der dauerhafte Träger bestimmter Veränderungen erscheint. Wir werden diese Frage verneinen müssen. Je mehr ausgesprochen eine wirklich nach- weisbare Verunreinigung des Blutes mit gewissen Stoffen ist, um so deutlicher ist der relativ acute Verlauf des Prozesses. Gerade die Formen, bei denen man sich am liebsten, na- mentlich über die Mangelhaftigkeit der therapeutischen Erfolge, damit tröstet, dass es sich um eine tiefe und unheilbare, chro- nische Dyscrasie handele, dürften wohl am wenigsten in einer ursprünglichen Veränderung des Blutes beruhen; gerade hier handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um ausgedehnte Veränderungen gewisser Organe oder einzelner Theile. Ich kann nicht behaupten, dass irgend ein Abschluss der Unter- suchungen hier vorläge; ich kann nur sagen, dass jedes Mittel der mikroskopischen oder chemischen Analyse bis jetzt frucht- los angewendet worden ist auf die hämatologische Erforschung dieser Prozesse, dass wir dagegen bei den meisten wesentliche Veränderungen kleinerer oder grösserer Complexe von Organ- theilen nachweisen können, und dass im Allgemeinen die
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[194/0216]
Zehnte Vorlesung.
eitrigen Infection des Blutes suchen, sondern die Be-
zeichnung als einen Sammelnamen für mehrere an sich ver-
schiedenartige Vorgänge betrachten.
Ich hoffe, meine Herren, dass das Mitgetheilte genügen
wird, um Sie in der Sache zu orientieren. Natürlich lässt sich
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haben, die Probe auf die Richtigkeit dieser Darstellung zu
machen, und es wird mich freuen, wenn Sie finden, dass darin
wesentliche Anhaltspunkte auch für eine bessere Auffassung
der eigentlich praktischen und namentlich der therapeutischen
Fragen gegeben sind.
Nachdem wir nicht nur körperliche Theile, sondern auch ge-
wisse chemische Stoffe als Vermittler von Dyscrasien kennen ge-
lernt haben, welche eine bald längere, bald kürzere Dauer haben,
je nachdem die Zufuhr jener Theile und Stoffe kürzere oder
längere Zeit andauert, so können wir kurz zu der Frage zu-
rückkommen, ob neben diesen Formen eine Art von Dyscrasie
nachweisbar ist, bei der das Blut als der dauerhafte Träger
bestimmter Veränderungen erscheint. Wir werden diese Frage
verneinen müssen. Je mehr ausgesprochen eine wirklich nach-
weisbare Verunreinigung des Blutes mit gewissen Stoffen ist,
um so deutlicher ist der relativ acute Verlauf des Prozesses.
Gerade die Formen, bei denen man sich am liebsten, na-
mentlich über die Mangelhaftigkeit der therapeutischen Erfolge,
damit tröstet, dass es sich um eine tiefe und unheilbare, chro-
nische Dyscrasie handele, dürften wohl am wenigsten in einer
ursprünglichen Veränderung des Blutes beruhen; gerade hier
handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle um ausgedehnte
Veränderungen gewisser Organe oder einzelner Theile. Ich
kann nicht behaupten, dass irgend ein Abschluss der Unter-
suchungen hier vorläge; ich kann nur sagen, dass jedes Mittel
der mikroskopischen oder chemischen Analyse bis jetzt frucht-
los angewendet worden ist auf die hämatologische Erforschung
dieser Prozesse, dass wir dagegen bei den meisten wesentliche
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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