ganzen Körper, nicht an allen Theilen gleichmässig, sondern an bestimmten Punkten und nach gewissen Regeln.
Hier handelt es sich um ganz andere Formen der Me- tastasen als die, welche wir bei der Embolie kennen gelernt haben. Dass die Veränderungen, welche in der Nierensubstanz durch die Aufnahme von Silber vom Magen her erfolgen, mit dem übereinstimmen, was man von Alters her in der Patho- logie Metastase genannt hat, ist nicht zweifelhaft. Es ist dies ein materieller Transport von einem Ort zum andern, wo an diesem zweiten Orte die Substanz liegen bleibt, welche vorher an dem anderen vorhanden war, und wo das Secretionsorgan in sein eigentliches Gewebe Partikelchen des Stoffes aufnimmt. Das ist es, was sich in der ganzen Geschichte dieser Art von Me- tastasen wiederholt, bei denen im Blute selbst nur gelöste Stoffe und nicht Partikelchen von sichtbarer, mechanischer Art sich finden. Das harnsaure Natron im Blute des Arthritikers kann man nicht direct sehen, man müsste es denn erst durch chemische Agentien sammeln; ebenso wenig die Silbersalze.
Ich habe eine neue Form von Metastasen geschildert, welche allerdings seltener ist, aber in dieselbe Kategorie ge- hört. Bei massenhafter Resorption von Kalkerde aus den Knochen wird in der Regel diese Knochenerde gleichfalls massenhaft durch die Nieren ausgeschieden, so dass sich Sedi- mente im Harne bilden, deren Kenntniss von der berühmten Frau Supiot her aus dem vorigen Jahrhundert in der Ge- schichte der Osteomalacie sich fortgeschleppt hat. Aber diese regelrechte Abscheidung der Kalkerde wird nicht selten durch Störungen der Nierenfunction in derselben Weise alterirt, wie bei Arthritis die Abscheidung des harnsauren Natrons; dann entstehen ebenso Metastasen von Knochenerde, aber an ande- ren Punkten, den Lungen und dem Magen. Die Lungen ver- kalken bisweilen in grossen Bezirken, ohne dass die Permeabi- lität der Respirationswege leidet; die erkrankten Theile sehen wie feiner Badeschwamm aus. Die Magenschleimhaut erfüllt sich in ähnlicher Weise mit Kalksalzen, so dass sie sich wie ein Reibeisen anfühlt und unter dem Messer knirscht, ohne dass die Magendrüsen unmittelbar daran betheiligt werden;
Zehnte Vorlesung.
ganzen Körper, nicht an allen Theilen gleichmässig, sondern an bestimmten Punkten und nach gewissen Regeln.
Hier handelt es sich um ganz andere Formen der Me- tastasen als die, welche wir bei der Embolie kennen gelernt haben. Dass die Veränderungen, welche in der Nierensubstanz durch die Aufnahme von Silber vom Magen her erfolgen, mit dem übereinstimmen, was man von Alters her in der Patho- logie Metastase genannt hat, ist nicht zweifelhaft. Es ist dies ein materieller Transport von einem Ort zum andern, wo an diesem zweiten Orte die Substanz liegen bleibt, welche vorher an dem anderen vorhanden war, und wo das Secretionsorgan in sein eigentliches Gewebe Partikelchen des Stoffes aufnimmt. Das ist es, was sich in der ganzen Geschichte dieser Art von Me- tastasen wiederholt, bei denen im Blute selbst nur gelöste Stoffe und nicht Partikelchen von sichtbarer, mechanischer Art sich finden. Das harnsaure Natron im Blute des Arthritikers kann man nicht direct sehen, man müsste es denn erst durch chemische Agentien sammeln; ebenso wenig die Silbersalze.
Ich habe eine neue Form von Metastasen geschildert, welche allerdings seltener ist, aber in dieselbe Kategorie ge- hört. Bei massenhafter Resorption von Kalkerde aus den Knochen wird in der Regel diese Knochenerde gleichfalls massenhaft durch die Nieren ausgeschieden, so dass sich Sedi- mente im Harne bilden, deren Kenntniss von der berühmten Frau Supiot her aus dem vorigen Jahrhundert in der Ge- schichte der Osteomalacie sich fortgeschleppt hat. Aber diese regelrechte Abscheidung der Kalkerde wird nicht selten durch Störungen der Nierenfunction in derselben Weise alterirt, wie bei Arthritis die Abscheidung des harnsauren Natrons; dann entstehen ebenso Metastasen von Knochenerde, aber an ande- ren Punkten, den Lungen und dem Magen. Die Lungen ver- kalken bisweilen in grossen Bezirken, ohne dass die Permeabi- lität der Respirationswege leidet; die erkrankten Theile sehen wie feiner Badeschwamm aus. Die Magenschleimhaut erfüllt sich in ähnlicher Weise mit Kalksalzen, so dass sie sich wie ein Reibeisen anfühlt und unter dem Messer knirscht, ohne dass die Magendrüsen unmittelbar daran betheiligt werden;
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Zehnte Vorlesung.
ganzen Körper, nicht an allen Theilen gleichmässig, sondern
an bestimmten Punkten und nach gewissen Regeln.
Hier handelt es sich um ganz andere Formen der Me-
tastasen als die, welche wir bei der Embolie kennen gelernt
haben. Dass die Veränderungen, welche in der Nierensubstanz
durch die Aufnahme von Silber vom Magen her erfolgen, mit
dem übereinstimmen, was man von Alters her in der Patho-
logie Metastase genannt hat, ist nicht zweifelhaft. Es ist dies
ein materieller Transport von einem Ort zum andern, wo an
diesem zweiten Orte die Substanz liegen bleibt, welche vorher
an dem anderen vorhanden war, und wo das Secretionsorgan in
sein eigentliches Gewebe Partikelchen des Stoffes aufnimmt. Das
ist es, was sich in der ganzen Geschichte dieser Art von Me-
tastasen wiederholt, bei denen im Blute selbst nur gelöste
Stoffe und nicht Partikelchen von sichtbarer, mechanischer Art
sich finden. Das harnsaure Natron im Blute des Arthritikers
kann man nicht direct sehen, man müsste es denn erst durch
chemische Agentien sammeln; ebenso wenig die Silbersalze.
Ich habe eine neue Form von Metastasen geschildert,
welche allerdings seltener ist, aber in dieselbe Kategorie ge-
hört. Bei massenhafter Resorption von Kalkerde aus den
Knochen wird in der Regel diese Knochenerde gleichfalls
massenhaft durch die Nieren ausgeschieden, so dass sich Sedi-
mente im Harne bilden, deren Kenntniss von der berühmten
Frau Supiot her aus dem vorigen Jahrhundert in der Ge-
schichte der Osteomalacie sich fortgeschleppt hat. Aber diese
regelrechte Abscheidung der Kalkerde wird nicht selten durch
Störungen der Nierenfunction in derselben Weise alterirt, wie
bei Arthritis die Abscheidung des harnsauren Natrons; dann
entstehen ebenso Metastasen von Knochenerde, aber an ande-
ren Punkten, den Lungen und dem Magen. Die Lungen ver-
kalken bisweilen in grossen Bezirken, ohne dass die Permeabi-
lität der Respirationswege leidet; die erkrankten Theile sehen
wie feiner Badeschwamm aus. Die Magenschleimhaut erfüllt
sich in ähnlicher Weise mit Kalksalzen, so dass sie sich wie
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/214>, abgerufen am 24.11.2024.
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