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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Siebente Vorlesung.
hafte hämatinhaltige Substanz waren, die Häminkrystalle. Es
ist dies eine Reaction, die mit zu den sichersten und zuver-
lässigsten gehört, die wir überhaupt kennen. Es gibt keine
andere Substanz, von welcher wir eine solche Umbildung ken-
nen, als das Hämatin; weder die Einwirkung der Säure für
sich, noch die des Salzes für sich genügt, um irgend etwas Ana-
loges herzustellen. Sollte also irgend wo ein Zweifel über die
Natur der gewonnenen Krystalle rege werden, so hat man die
fragliche Substanz nur einmal mit Salz für sich, einmal mit
Acetum glaciale für sich zu erhitzen, um zu sehen, ob man
eine analoge Krystallisation bekommt -- Diese Probe ist des-
halb ausserordentlich wichtig, als sie auch auf ganz minimale
Mengen anwendbar ist; nur darf die Menge nicht über eine
zu grosse Fläche verbreitet sein. Die Probe würde also nicht
leicht anwendbar sein, wenn es sich um ein Tuch handelte,
welches in eine dünne, wässerige, mit Blut gefärbte Flüssig-
keit getaucht war. Aber ich habe an dem Rocke eines Ermordeten,
an dessen Aermel Blut gespritzt war, und wo einzelne Bluts-
tropfen nur eine Linie im Durchmesser hatten, aus solchen Flecken
Häminkrystalle darstellen können, natürlich mikroskopische. In
Fällen, wo die gewöhnliche chemische Probe wegen der geringen
Menge absolut fehlschlagen müsste, sind wir doch noch im
Stande, das Hämin zu gewinnen. Bei so wenig Masse ist die
Grösse der Krystalle freilich auch nur sehr geringfügig; wir finden
dann, wie beim Hämatoidin, kleine, mit spitzen Winkeln ver-
sehene, intensiv braun gefärbte Körper.

Die dritte Substanz, die noch in diese Reihe hineingehört,
ist das sogenannte Hämatokrystallin, eine Substanz, über
deren Entdeckung die Gelehrten sich streiten, weil sie eben
stückweis gefunden worden ist. Die erste Beobachtung darü-
ber ist von Reichert am Uterus des Meerschweinchens ge-
macht, wo Extravasation erfolgt war, in einem Präparate, das,
wie ich denke, schon in Spiritus gelegen hatte. Seine Beob-
achtung wurde besonders dadurch bedeutungsvoll, dass er an
diesen Krystallen nachwies, dass sie sich in gewisser Bezie-
hung wie organische Substanzen verhielten, indem sie unter
der Wirkung gewisser Agentien grösser, unter der Wirkung ande-
rer kleiner würden, ohne Veränderung der Form, eine Erschei-

Siebente Vorlesung.
hafte hämatinhaltige Substanz waren, die Häminkrystalle. Es
ist dies eine Reaction, die mit zu den sichersten und zuver-
lässigsten gehört, die wir überhaupt kennen. Es gibt keine
andere Substanz, von welcher wir eine solche Umbildung ken-
nen, als das Hämatin; weder die Einwirkung der Säure für
sich, noch die des Salzes für sich genügt, um irgend etwas Ana-
loges herzustellen. Sollte also irgend wo ein Zweifel über die
Natur der gewonnenen Krystalle rege werden, so hat man die
fragliche Substanz nur einmal mit Salz für sich, einmal mit
Acetum glaciale für sich zu erhitzen, um zu sehen, ob man
eine analoge Krystallisation bekommt — Diese Probe ist des-
halb ausserordentlich wichtig, als sie auch auf ganz minimale
Mengen anwendbar ist; nur darf die Menge nicht über eine
zu grosse Fläche verbreitet sein. Die Probe würde also nicht
leicht anwendbar sein, wenn es sich um ein Tuch handelte,
welches in eine dünne, wässerige, mit Blut gefärbte Flüssig-
keit getaucht war. Aber ich habe an dem Rocke eines Ermordeten,
an dessen Aermel Blut gespritzt war, und wo einzelne Bluts-
tropfen nur eine Linie im Durchmesser hatten, aus solchen Flecken
Häminkrystalle darstellen können, natürlich mikroskopische. In
Fällen, wo die gewöhnliche chemische Probe wegen der geringen
Menge absolut fehlschlagen müsste, sind wir doch noch im
Stande, das Hämin zu gewinnen. Bei so wenig Masse ist die
Grösse der Krystalle freilich auch nur sehr geringfügig; wir finden
dann, wie beim Hämatoidin, kleine, mit spitzen Winkeln ver-
sehene, intensiv braun gefärbte Körper.

Die dritte Substanz, die noch in diese Reihe hineingehört,
ist das sogenannte Hämatokrystallin, eine Substanz, über
deren Entdeckung die Gelehrten sich streiten, weil sie eben
stückweis gefunden worden ist. Die erste Beobachtung darü-
ber ist von Reichert am Uterus des Meerschweinchens ge-
macht, wo Extravasation erfolgt war, in einem Präparate, das,
wie ich denke, schon in Spiritus gelegen hatte. Seine Beob-
achtung wurde besonders dadurch bedeutungsvoll, dass er an
diesen Krystallen nachwies, dass sie sich in gewisser Bezie-
hung wie organische Substanzen verhielten, indem sie unter
der Wirkung gewisser Agentien grösser, unter der Wirkung ande-
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[132/0154] Siebente Vorlesung. hafte hämatinhaltige Substanz waren, die Häminkrystalle. Es ist dies eine Reaction, die mit zu den sichersten und zuver- lässigsten gehört, die wir überhaupt kennen. Es gibt keine andere Substanz, von welcher wir eine solche Umbildung ken- nen, als das Hämatin; weder die Einwirkung der Säure für sich, noch die des Salzes für sich genügt, um irgend etwas Ana- loges herzustellen. Sollte also irgend wo ein Zweifel über die Natur der gewonnenen Krystalle rege werden, so hat man die fragliche Substanz nur einmal mit Salz für sich, einmal mit Acetum glaciale für sich zu erhitzen, um zu sehen, ob man eine analoge Krystallisation bekommt — Diese Probe ist des- halb ausserordentlich wichtig, als sie auch auf ganz minimale Mengen anwendbar ist; nur darf die Menge nicht über eine zu grosse Fläche verbreitet sein. Die Probe würde also nicht leicht anwendbar sein, wenn es sich um ein Tuch handelte, welches in eine dünne, wässerige, mit Blut gefärbte Flüssig- keit getaucht war. Aber ich habe an dem Rocke eines Ermordeten, an dessen Aermel Blut gespritzt war, und wo einzelne Bluts- tropfen nur eine Linie im Durchmesser hatten, aus solchen Flecken Häminkrystalle darstellen können, natürlich mikroskopische. In Fällen, wo die gewöhnliche chemische Probe wegen der geringen Menge absolut fehlschlagen müsste, sind wir doch noch im Stande, das Hämin zu gewinnen. Bei so wenig Masse ist die Grösse der Krystalle freilich auch nur sehr geringfügig; wir finden dann, wie beim Hämatoidin, kleine, mit spitzen Winkeln ver- sehene, intensiv braun gefärbte Körper. Die dritte Substanz, die noch in diese Reihe hineingehört, ist das sogenannte Hämatokrystallin, eine Substanz, über deren Entdeckung die Gelehrten sich streiten, weil sie eben stückweis gefunden worden ist. Die erste Beobachtung darü- ber ist von Reichert am Uterus des Meerschweinchens ge- macht, wo Extravasation erfolgt war, in einem Präparate, das, wie ich denke, schon in Spiritus gelegen hatte. Seine Beob- achtung wurde besonders dadurch bedeutungsvoll, dass er an diesen Krystallen nachwies, dass sie sich in gewisser Bezie- hung wie organische Substanzen verhielten, indem sie unter der Wirkung gewisser Agentien grösser, unter der Wirkung ande- rer kleiner würden, ohne Veränderung der Form, eine Erschei-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/154>, abgerufen am 02.05.2024.