Gewebs-Elemente. Wenden wir aber den Reiz direct auf das Gewebe an, so bleibt der Mittelpunkt der Störung auch immer da, wo der Angriffspunkt des Reizes liegt, gleichviel ob Ge- fässe in der Nähe sind oder nicht.
Wir werden darauf später noch zurückkommen müssen; hier war es mir nur darum zu thun, Ihnen diese Thatsache in ihrer Allgemeinheit vorzuführen, um den eben so bequemen als trügerischen Schluss zurückzuweisen, dass die (an sich passive) Hyperämie direct bestimmend sei für die Ernährung des Gewebes.
Bedürfte es noch einer besonderen Thatsache, um diese, vom anatomischen Standpunkte vollständig unhaltbare Annahme weiter zu widerlegen, so haben wir in dem vorher erwähnten Experiment mit der Durchschneidung des Sympathicus die allerbequemste Handhabe. Man kann bei einem Thiere den Sympathicus am Halse durchschneiden; es bildet sich darauf eine Hyperämie in der ganzen Kopfhälfte aus, die Ohren wer- den dunkelroth, die Gefässe sind stark erweitert, die Con- junctiva und Nasenschleimhaut strotzend injicirt. Dies kann Tage, Wochen, Monate lang bestehen, und es folgt auch nicht die mindeste erkennbare nutritive Störung mit Nothwendigkeit daraus; die Theile sind, obwohl mit Blut überfüllt, soweit wir dies wenigstens bis jetzt übersehen können, in demselben Ernährungs-Zustande wie vorher. Wenn wir Entzündungsreize auf diese Theile appliciren, so ist das Einzige, was wir sehen, dass die Entzündung schneller verläuft, ohne dass sie an sich oder in der Art ihrer Producte wesentlich anders wäre.
Die grössere oder geringere Masse von Blut also, welche einen Theil durchströmt, ist nicht als die einfache Ursache der Veränderung seiner Ernährung zu betrachten. Es ist wohl kein Zweifel, dass, wenn ein Theil, der sich in Reizung be- findet, gleichzeitig mehr Blut empfängt als sonst, er auch mit grösserer Leichtigkeit mehr Material aus dem Blute anziehen kann, als er sonst gekonnt haben würde, oder als er können würde, wenn sich die Gefässe in einem Zustande von Veren- gerung und verminderter Blutfülle befänden. Wollte man also gegen meine Auffassung einwenden, dass wir bei solchen Zu- ständen durch locale Blutentziehungen oft die günstigsten Ef-
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Einfluss der Hyperämie auf die Ernährung.
Gewebs-Elemente. Wenden wir aber den Reiz direct auf das Gewebe an, so bleibt der Mittelpunkt der Störung auch immer da, wo der Angriffspunkt des Reizes liegt, gleichviel ob Ge- fässe in der Nähe sind oder nicht.
Wir werden darauf später noch zurückkommen müssen; hier war es mir nur darum zu thun, Ihnen diese Thatsache in ihrer Allgemeinheit vorzuführen, um den eben so bequemen als trügerischen Schluss zurückzuweisen, dass die (an sich passive) Hyperämie direct bestimmend sei für die Ernährung des Gewebes.
Bedürfte es noch einer besonderen Thatsache, um diese, vom anatomischen Standpunkte vollständig unhaltbare Annahme weiter zu widerlegen, so haben wir in dem vorher erwähnten Experiment mit der Durchschneidung des Sympathicus die allerbequemste Handhabe. Man kann bei einem Thiere den Sympathicus am Halse durchschneiden; es bildet sich darauf eine Hyperämie in der ganzen Kopfhälfte aus, die Ohren wer- den dunkelroth, die Gefässe sind stark erweitert, die Con- junctiva und Nasenschleimhaut strotzend injicirt. Dies kann Tage, Wochen, Monate lang bestehen, und es folgt auch nicht die mindeste erkennbare nutritive Störung mit Nothwendigkeit daraus; die Theile sind, obwohl mit Blut überfüllt, soweit wir dies wenigstens bis jetzt übersehen können, in demselben Ernährungs-Zustande wie vorher. Wenn wir Entzündungsreize auf diese Theile appliciren, so ist das Einzige, was wir sehen, dass die Entzündung schneller verläuft, ohne dass sie an sich oder in der Art ihrer Producte wesentlich anders wäre.
Die grössere oder geringere Masse von Blut also, welche einen Theil durchströmt, ist nicht als die einfache Ursache der Veränderung seiner Ernährung zu betrachten. Es ist wohl kein Zweifel, dass, wenn ein Theil, der sich in Reizung be- findet, gleichzeitig mehr Blut empfängt als sonst, er auch mit grösserer Leichtigkeit mehr Material aus dem Blute anziehen kann, als er sonst gekonnt haben würde, oder als er können würde, wenn sich die Gefässe in einem Zustande von Veren- gerung und verminderter Blutfülle befänden. Wollte man also gegen meine Auffassung einwenden, dass wir bei solchen Zu- ständen durch locale Blutentziehungen oft die günstigsten Ef-
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Einfluss der Hyperämie auf die Ernährung.
Gewebs-Elemente. Wenden wir aber den Reiz direct auf das
Gewebe an, so bleibt der Mittelpunkt der Störung auch immer
da, wo der Angriffspunkt des Reizes liegt, gleichviel ob Ge-
fässe in der Nähe sind oder nicht.
Wir werden darauf später noch zurückkommen müssen;
hier war es mir nur darum zu thun, Ihnen diese Thatsache in
ihrer Allgemeinheit vorzuführen, um den eben so bequemen
als trügerischen Schluss zurückzuweisen, dass die (an sich
passive) Hyperämie direct bestimmend sei für die Ernährung
des Gewebes.
Bedürfte es noch einer besonderen Thatsache, um diese,
vom anatomischen Standpunkte vollständig unhaltbare Annahme
weiter zu widerlegen, so haben wir in dem vorher erwähnten
Experiment mit der Durchschneidung des Sympathicus die
allerbequemste Handhabe. Man kann bei einem Thiere den
Sympathicus am Halse durchschneiden; es bildet sich darauf
eine Hyperämie in der ganzen Kopfhälfte aus, die Ohren wer-
den dunkelroth, die Gefässe sind stark erweitert, die Con-
junctiva und Nasenschleimhaut strotzend injicirt. Dies kann
Tage, Wochen, Monate lang bestehen, und es folgt auch nicht
die mindeste erkennbare nutritive Störung mit Nothwendigkeit
daraus; die Theile sind, obwohl mit Blut überfüllt, soweit wir
dies wenigstens bis jetzt übersehen können, in demselben
Ernährungs-Zustande wie vorher. Wenn wir Entzündungsreize
auf diese Theile appliciren, so ist das Einzige, was wir sehen,
dass die Entzündung schneller verläuft, ohne dass sie an sich
oder in der Art ihrer Producte wesentlich anders wäre.
Die grössere oder geringere Masse von Blut also, welche
einen Theil durchströmt, ist nicht als die einfache Ursache der
Veränderung seiner Ernährung zu betrachten. Es ist wohl
kein Zweifel, dass, wenn ein Theil, der sich in Reizung be-
findet, gleichzeitig mehr Blut empfängt als sonst, er auch mit
grösserer Leichtigkeit mehr Material aus dem Blute anziehen
kann, als er sonst gekonnt haben würde, oder als er können
würde, wenn sich die Gefässe in einem Zustande von Veren-
gerung und verminderter Blutfülle befänden. Wollte man also
gegen meine Auffassung einwenden, dass wir bei solchen Zu-
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/135>, abgerufen am 23.11.2024.
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