Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Ischämie. Elasticität der Gefässhäute.
verhältnisse der Theile selbst haben sollte, fallen damit zu-
sammen.

Wenn eine Arterie wirklich in Action ist, so macht sie
keine Hyperämie; je kräftiger sie agirt, um so mehr bedingt sie
Anämie, oder, wie ich es bezeichnet habe, Ischämie, und
die geringere oder grössere Thätigkeit der Arterie bestimmt
das Mehr oder Weniger von Blut, welches in der Zeiteinheit
in einen gegebenen Theil einströmen kann. Je thätiger das
Gefäss, um so geringer die Zufuhr
. Haben wir aber
eine Reizungshyperämie, so kommt es therapeutisch grade dar-
auf an, die Gefässe in denjenigen Zustand der Thätigkeit zu
versetzen, in welchem sie im Stande sind, dem andrängenden
Blutstrom Widerstand zu leisten. Das leistet uns der soge-
nannte Gegenreiz, ein höherer Reiz an einem schon gereizten
Theile, welcher die erschlaffte Gefässmuskulatur zu dauernder
Verengerung anregt, dadurch die Blutzufuhr verkleinert und
die Regulation der Störung vorbereitet. Grade da, wo am
meisten die Reaction d. h. die regulatorische Thätigkeit in
Anspruch genommen wird, da handelt es sich darum, jene Passi-
vität zu überwinden, welche die (sog. active) Hyperämie un-
terhält.

Gehen wir nun von den muskulösen Theilen über auf die
elastischen, so treffen wir da eine Eigenschaft, welche eine
sehr grosse Bedeutung hat, einerseits für die Venen, deren
Thätigkeit an vielen Stellen nur auf elastische Elemente be-
schränkt ist, andererseits für die Arterien, insbesondere die
Aorta und ihre grösseren Aeste. Hier hat die Elasticität der
Wandungen den Effect, die Verluste, welche der Blutdruck durch
die systolische Erweiterung der Gefässe erfährt, auszugleichen und
den ungleichmässigen Strom, welchen die stossweisen Bewe-
gungen des Herzens erzeugen, in einen gleichmässigen umzu-
wandeln. Wäre die Gefässhaut nicht elastisch, so würde un-
zweifelhaft der Blutstrom sehr verlangsamt werden und zugleich
durch die ganze Ausdehnung des Gefässapparates bis in die
Capillaren Pulsation bestehen; es würde dieselbe stossweise
Bewegung, welche im Anfange des Aortensystems dem Blute
mitgetheilt wird, sich bis in die kleinsten Verästelungen gel-

Ischämie. Elasticität der Gefässhäute.
verhältnisse der Theile selbst haben sollte, fallen damit zu-
sammen.

Wenn eine Arterie wirklich in Action ist, so macht sie
keine Hyperämie; je kräftiger sie agirt, um so mehr bedingt sie
Anämie, oder, wie ich es bezeichnet habe, Ischämie, und
die geringere oder grössere Thätigkeit der Arterie bestimmt
das Mehr oder Weniger von Blut, welches in der Zeiteinheit
in einen gegebenen Theil einströmen kann. Je thätiger das
Gefäss, um so geringer die Zufuhr
. Haben wir aber
eine Reizungshyperämie, so kommt es therapeutisch grade dar-
auf an, die Gefässe in denjenigen Zustand der Thätigkeit zu
versetzen, in welchem sie im Stande sind, dem andrängenden
Blutstrom Widerstand zu leisten. Das leistet uns der soge-
nannte Gegenreiz, ein höherer Reiz an einem schon gereizten
Theile, welcher die erschlaffte Gefässmuskulatur zu dauernder
Verengerung anregt, dadurch die Blutzufuhr verkleinert und
die Regulation der Störung vorbereitet. Grade da, wo am
meisten die Reaction d. h. die regulatorische Thätigkeit in
Anspruch genommen wird, da handelt es sich darum, jene Passi-
vität zu überwinden, welche die (sog. active) Hyperämie un-
terhält.

Gehen wir nun von den muskulösen Theilen über auf die
elastischen, so treffen wir da eine Eigenschaft, welche eine
sehr grosse Bedeutung hat, einerseits für die Venen, deren
Thätigkeit an vielen Stellen nur auf elastische Elemente be-
schränkt ist, andererseits für die Arterien, insbesondere die
Aorta und ihre grösseren Aeste. Hier hat die Elasticität der
Wandungen den Effect, die Verluste, welche der Blutdruck durch
die systolische Erweiterung der Gefässe erfährt, auszugleichen und
den ungleichmässigen Strom, welchen die stossweisen Bewe-
gungen des Herzens erzeugen, in einen gleichmässigen umzu-
wandeln. Wäre die Gefässhaut nicht elastisch, so würde un-
zweifelhaft der Blutstrom sehr verlangsamt werden und zugleich
durch die ganze Ausdehnung des Gefässapparates bis in die
Capillaren Pulsation bestehen; es würde dieselbe stossweise
Bewegung, welche im Anfange des Aortensystems dem Blute
mitgetheilt wird, sich bis in die kleinsten Verästelungen gel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="109"/><fw place="top" type="header">Ischämie. Elasticität der Gefässhäute.</fw><lb/>
verhältnisse der Theile selbst haben sollte, fallen damit zu-<lb/>
sammen.</p><lb/>
        <p>Wenn eine Arterie wirklich in Action ist, so macht sie<lb/>
keine Hyperämie; je kräftiger sie agirt, um so mehr bedingt sie<lb/>
Anämie, oder, wie ich es bezeichnet habe, <hi rendition="#g">Ischämie</hi>, und<lb/>
die geringere oder grössere Thätigkeit der Arterie bestimmt<lb/>
das Mehr oder Weniger von Blut, welches in der Zeiteinheit<lb/>
in einen gegebenen Theil einströmen kann. <hi rendition="#g">Je thätiger das<lb/>
Gefäss, um so geringer die Zufuhr</hi>. Haben wir aber<lb/>
eine Reizungshyperämie, so kommt es therapeutisch grade dar-<lb/>
auf an, die Gefässe in denjenigen Zustand der Thätigkeit zu<lb/>
versetzen, in welchem sie im Stande sind, dem andrängenden<lb/>
Blutstrom Widerstand zu leisten. Das leistet uns der soge-<lb/>
nannte Gegenreiz, ein höherer Reiz an einem schon gereizten<lb/>
Theile, welcher die erschlaffte Gefässmuskulatur zu dauernder<lb/>
Verengerung anregt, dadurch die Blutzufuhr verkleinert und<lb/>
die Regulation der Störung vorbereitet. Grade da, wo am<lb/>
meisten die Reaction d. h. die regulatorische Thätigkeit in<lb/>
Anspruch genommen wird, da handelt es sich darum, jene Passi-<lb/>
vität zu überwinden, welche die (sog. active) Hyperämie un-<lb/>
terhält.</p><lb/>
        <p>Gehen wir nun von den muskulösen Theilen über auf die<lb/><hi rendition="#g">elastischen</hi>, so treffen wir da eine Eigenschaft, welche eine<lb/>
sehr grosse Bedeutung hat, einerseits für die Venen, deren<lb/>
Thätigkeit an vielen Stellen nur auf elastische Elemente be-<lb/>
schränkt ist, andererseits für die Arterien, insbesondere die<lb/>
Aorta und ihre grösseren Aeste. Hier hat die Elasticität der<lb/>
Wandungen den Effect, die Verluste, welche der Blutdruck durch<lb/>
die systolische Erweiterung der Gefässe erfährt, auszugleichen und<lb/>
den ungleichmässigen Strom, welchen die stossweisen Bewe-<lb/>
gungen des Herzens erzeugen, in einen gleichmässigen umzu-<lb/>
wandeln. Wäre die Gefässhaut nicht elastisch, so würde un-<lb/>
zweifelhaft der Blutstrom sehr verlangsamt werden und zugleich<lb/>
durch die ganze Ausdehnung des Gefässapparates bis in die<lb/>
Capillaren Pulsation bestehen; es würde dieselbe stossweise<lb/>
Bewegung, welche im Anfange des Aortensystems dem Blute<lb/>
mitgetheilt wird, sich bis in die kleinsten Verästelungen gel-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0131] Ischämie. Elasticität der Gefässhäute. verhältnisse der Theile selbst haben sollte, fallen damit zu- sammen. Wenn eine Arterie wirklich in Action ist, so macht sie keine Hyperämie; je kräftiger sie agirt, um so mehr bedingt sie Anämie, oder, wie ich es bezeichnet habe, Ischämie, und die geringere oder grössere Thätigkeit der Arterie bestimmt das Mehr oder Weniger von Blut, welches in der Zeiteinheit in einen gegebenen Theil einströmen kann. Je thätiger das Gefäss, um so geringer die Zufuhr. Haben wir aber eine Reizungshyperämie, so kommt es therapeutisch grade dar- auf an, die Gefässe in denjenigen Zustand der Thätigkeit zu versetzen, in welchem sie im Stande sind, dem andrängenden Blutstrom Widerstand zu leisten. Das leistet uns der soge- nannte Gegenreiz, ein höherer Reiz an einem schon gereizten Theile, welcher die erschlaffte Gefässmuskulatur zu dauernder Verengerung anregt, dadurch die Blutzufuhr verkleinert und die Regulation der Störung vorbereitet. Grade da, wo am meisten die Reaction d. h. die regulatorische Thätigkeit in Anspruch genommen wird, da handelt es sich darum, jene Passi- vität zu überwinden, welche die (sog. active) Hyperämie un- terhält. Gehen wir nun von den muskulösen Theilen über auf die elastischen, so treffen wir da eine Eigenschaft, welche eine sehr grosse Bedeutung hat, einerseits für die Venen, deren Thätigkeit an vielen Stellen nur auf elastische Elemente be- schränkt ist, andererseits für die Arterien, insbesondere die Aorta und ihre grösseren Aeste. Hier hat die Elasticität der Wandungen den Effect, die Verluste, welche der Blutdruck durch die systolische Erweiterung der Gefässe erfährt, auszugleichen und den ungleichmässigen Strom, welchen die stossweisen Bewe- gungen des Herzens erzeugen, in einen gleichmässigen umzu- wandeln. Wäre die Gefässhaut nicht elastisch, so würde un- zweifelhaft der Blutstrom sehr verlangsamt werden und zugleich durch die ganze Ausdehnung des Gefässapparates bis in die Capillaren Pulsation bestehen; es würde dieselbe stossweise Bewegung, welche im Anfange des Aortensystems dem Blute mitgetheilt wird, sich bis in die kleinsten Verästelungen gel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/131
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/131>, abgerufen am 27.11.2024.