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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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wir doch nicht, wie oft er schon ist hintergan-
gen worden; reizbar wie er ist, muß jede üble
Behandlung ihn wohl auf lange verstimmen."

Florentin vermied anfangs Eduards An-
näherung mit eigensinnigem Stolz, ob er ihn
gleich im Herzen wohl leiden mochte. Edu-
ard ließ sich aber nicht dadurch abschrecken,
er gewann immer mehr Anhänglichkeit für
ihn, näherte sich ihm mit freundlicher, be-
scheidener Aufmerksamkeit, und suchte seinem
etwas wilden, nach Freyheit strebenden Sinn
mit dem feinen, gebildeten Geist, der ihm
eigen war, zu begegnen; es mußte ihm ge-
lingen. Florentin fühlte endlich, daß er am
unrechten Ort mißtrauend gewesen war. Mit
der Ueberzeugung seines Unrechts erweichte sich
auch sein absichtlich verhärtetes Gemüth ge-
gen Eduard, er wurde bald offner und ge-
selliger gegen ihn. Auf einem Morgenspa-
tziergang öffneten sich ihre Seelen gegen einan-
der; sie nennten sich seitdem Freunde. Flo-
rentin gewann Eduard so lieb, daß er ohne
Wehmuth bald nicht daran denken konnte ihn

wir doch nicht, wie oft er ſchon iſt hintergan-
gen worden; reizbar wie er iſt, muß jede uͤble
Behandlung ihn wohl auf lange verſtimmen.‟

Florentin vermied anfangs Eduards An-
naͤherung mit eigenſinnigem Stolz, ob er ihn
gleich im Herzen wohl leiden mochte. Edu-
ard ließ ſich aber nicht dadurch abſchrecken,
er gewann immer mehr Anhaͤnglichkeit fuͤr
ihn, naͤherte ſich ihm mit freundlicher, be-
ſcheidener Aufmerkſamkeit, und ſuchte ſeinem
etwas wilden, nach Freyheit ſtrebenden Sinn
mit dem feinen, gebildeten Geiſt, der ihm
eigen war, zu begegnen; es mußte ihm ge-
lingen. Florentin fuͤhlte endlich, daß er am
unrechten Ort mißtrauend geweſen war. Mit
der Ueberzeugung ſeines Unrechts erweichte ſich
auch ſein abſichtlich verhaͤrtetes Gemuͤth ge-
gen Eduard, er wurde bald offner und ge-
ſelliger gegen ihn. Auf einem Morgenſpa-
tziergang oͤffneten ſich ihre Seelen gegen einan-
der; ſie nennten ſich ſeitdem Freunde. Flo-
rentin gewann Eduard ſo lieb, daß er ohne
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[58/0066] wir doch nicht, wie oft er ſchon iſt hintergan- gen worden; reizbar wie er iſt, muß jede uͤble Behandlung ihn wohl auf lange verſtimmen.‟ Florentin vermied anfangs Eduards An- naͤherung mit eigenſinnigem Stolz, ob er ihn gleich im Herzen wohl leiden mochte. Edu- ard ließ ſich aber nicht dadurch abſchrecken, er gewann immer mehr Anhaͤnglichkeit fuͤr ihn, naͤherte ſich ihm mit freundlicher, be- ſcheidener Aufmerkſamkeit, und ſuchte ſeinem etwas wilden, nach Freyheit ſtrebenden Sinn mit dem feinen, gebildeten Geiſt, der ihm eigen war, zu begegnen; es mußte ihm ge- lingen. Florentin fuͤhlte endlich, daß er am unrechten Ort mißtrauend geweſen war. Mit der Ueberzeugung ſeines Unrechts erweichte ſich auch ſein abſichtlich verhaͤrtetes Gemuͤth ge- gen Eduard, er wurde bald offner und ge- ſelliger gegen ihn. Auf einem Morgenſpa- tziergang oͤffneten ſich ihre Seelen gegen einan- der; ſie nennten ſich ſeitdem Freunde. Flo- rentin gewann Eduard ſo lieb, daß er ohne Wehmuth bald nicht daran denken konnte ihn

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/66>, abgerufen am 14.05.2024.