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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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war nicht mehr darinn. Ein großes Gemählde
zog Florentins Aufmerksamkeit auf sich. -- "Ei-
nen Augenblick noch, Eduard! Die heilige
Anna, die das Kind Maria unterrichtet. --
Wie finden Sie das Gemählde? -- Es schei-
nen Porträte zu seyn; in dem Kinde erkenne
ich Julianen wieder. -- Sie ist es auch in
der That. -- Es ist nicht übel gemahlt; ganz
vorzüglich ist aber das Charakteristische in den
Köpfen so wohl, wie in der ganzen Anordnung
des Gemähldes. Die horchende Aufmerksam-
keit, die Begierde nach dem Unterricht, und
der Glaube in dem Kinde, wie der Hals,
der Kopf, mit dem Blick zugleich, sich
vorwarts und in die Hohe richtet, der halbge-
öffnete Mund, als fürchtete sie etwas zu verhö-
ren, und als wollte sie die Lehren durch alle
Sinne in sich auffassen. Dabey die Hingebung,
das Vergessen ihrer selbst in der kleinen Figur,
die halb liegend sich dem Schooß der Anna an-
schmiegt; es ist schön, und zart gefühlt. Und
diese Anna, gewiß eine Heilige! Diese Ho-
heit, dieser milde Ernst in den verklarten Au-

war nicht mehr darinn. Ein großes Gemaͤhlde
zog Florentins Aufmerkſamkeit auf ſich. — „Ei-
nen Augenblick noch, Eduard! Die heilige
Anna, die das Kind Maria unterrichtet. —
Wie finden Sie das Gemaͤhlde? — Es ſchei-
nen Portraͤte zu ſeyn; in dem Kinde erkenne
ich Julianen wieder. — Sie iſt es auch in
der That. — Es iſt nicht uͤbel gemahlt; ganz
vorzuͤglich iſt aber das Charakteriſtiſche in den
Koͤpfen ſo wohl, wie in der ganzen Anordnung
des Gemaͤhldes. Die horchende Aufmerkſam-
keit, die Begierde nach dem Unterricht, und
der Glaube in dem Kinde, wie der Hals,
der Kopf, mit dem Blick zugleich, ſich
vorwarts und in die Hohe richtet, der halbge-
oͤffnete Mund, als fuͤrchtete ſie etwas zu verhoͤ-
ren, und als wollte ſie die Lehren durch alle
Sinne in ſich auffaſſen. Dabey die Hingebung,
das Vergeſſen ihrer ſelbſt in der kleinen Figur,
die halb liegend ſich dem Schooß der Anna an-
ſchmiegt; es iſt ſchoͤn, und zart gefuͤhlt. Und
dieſe Anna, gewiß eine Heilige! Dieſe Ho-
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[47/0055] war nicht mehr darinn. Ein großes Gemaͤhlde zog Florentins Aufmerkſamkeit auf ſich. — „Ei- nen Augenblick noch, Eduard! Die heilige Anna, die das Kind Maria unterrichtet. — Wie finden Sie das Gemaͤhlde? — Es ſchei- nen Portraͤte zu ſeyn; in dem Kinde erkenne ich Julianen wieder. — Sie iſt es auch in der That. — Es iſt nicht uͤbel gemahlt; ganz vorzuͤglich iſt aber das Charakteriſtiſche in den Koͤpfen ſo wohl, wie in der ganzen Anordnung des Gemaͤhldes. Die horchende Aufmerkſam- keit, die Begierde nach dem Unterricht, und der Glaube in dem Kinde, wie der Hals, der Kopf, mit dem Blick zugleich, ſich vorwarts und in die Hohe richtet, der halbge- oͤffnete Mund, als fuͤrchtete ſie etwas zu verhoͤ- ren, und als wollte ſie die Lehren durch alle Sinne in ſich auffaſſen. Dabey die Hingebung, das Vergeſſen ihrer ſelbſt in der kleinen Figur, die halb liegend ſich dem Schooß der Anna an- ſchmiegt; es iſt ſchoͤn, und zart gefuͤhlt. Und dieſe Anna, gewiß eine Heilige! Dieſe Ho- heit, dieſer milde Ernſt in den verklarten Au-

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/55>, abgerufen am 14.05.2024.