Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

und der tugendhaften Mißverhältnisse der ge-
bildetsten Welt! O alle Jhr Vortrefflichen,
Auserkohrnen, ihr wißt doch mit euren an-
gestrengtesten Kräften nichts anders zu thun,
als die zahllosen Plagen zu erleichtern, die
ihr euch selbst einander zufügt! Unter meiner
plumpen Hand aber zerrisse dies künstlich ge-
fügte Gebäude, dessen Thürme sich prahlend
in die Wolken heben, während sein Fuß im
Treibsande wankt. Möchte es mir nur einst
gelingen mir eine niedre, feste Hütte zu er-
bauen, die Sturm und Wogen trotzt, und
auch dem Rütteln meiner eignen muthwilligen
Hand widersteht! -- Und wo, fragte der
Doktor lächelnd, suchen Sie Boden zu die-
sem Wunderhüttchen? -- Gewiß nicht hier,
nicht von den wurmzernagten Splittern der
seinen Welt gedenke ich es mir zusammen zu
betteln -- Ruhig lieber Florentin, wer ge-
denkt sie Jhnen aufzudringen? Die feinere
Ausbildung läßt sich mit jenem geheim-
nißvollen Berg vergleichen, von dem die Dich-
ter unter dem Namen Venusberg viel wun-

und der tugendhaften Mißverhaͤltniſſe der ge-
bildetſten Welt! O alle Jhr Vortrefflichen,
Auserkohrnen, ihr wißt doch mit euren an-
geſtrengteſten Kraͤften nichts anders zu thun,
als die zahlloſen Plagen zu erleichtern, die
ihr euch ſelbſt einander zufuͤgt! Unter meiner
plumpen Hand aber zerriſſe dies kuͤnſtlich ge-
fuͤgte Gebaͤude, deſſen Thuͤrme ſich prahlend
in die Wolken heben, waͤhrend ſein Fuß im
Treibſande wankt. Moͤchte es mir nur einſt
gelingen mir eine niedre, feſte Huͤtte zu er-
bauen, die Sturm und Wogen trotzt, und
auch dem Ruͤtteln meiner eignen muthwilligen
Hand widerſteht! — Und wo, fragte der
Doktor laͤchelnd, ſuchen Sie Boden zu die-
ſem Wunderhuͤttchen? — Gewiß nicht hier,
nicht von den wurmzernagten Splittern der
ſeinen Welt gedenke ich es mir zuſammen zu
betteln — Ruhig lieber Florentin, wer ge-
denkt ſie Jhnen aufzudringen? Die feinere
Ausbildung laͤßt ſich mit jenem geheim-
nißvollen Berg vergleichen, von dem die Dich-
ter unter dem Namen Venusberg viel wun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0370" n="362"/>
und der tugendhaften Mißverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der ge-<lb/>
bildet&#x017F;ten Welt! O alle Jhr Vortrefflichen,<lb/>
Auserkohrnen, ihr wißt doch mit euren an-<lb/>
ge&#x017F;trengte&#x017F;ten Kra&#x0364;ften nichts anders zu thun,<lb/>
als die zahllo&#x017F;en Plagen zu erleichtern, die<lb/>
ihr euch &#x017F;elb&#x017F;t einander zufu&#x0364;gt! Unter meiner<lb/>
plumpen Hand aber zerri&#x017F;&#x017F;e dies ku&#x0364;n&#x017F;tlich ge-<lb/>
fu&#x0364;gte Geba&#x0364;ude, de&#x017F;&#x017F;en Thu&#x0364;rme &#x017F;ich prahlend<lb/>
in die Wolken heben, wa&#x0364;hrend &#x017F;ein Fuß im<lb/>
Treib&#x017F;ande wankt. Mo&#x0364;chte es mir nur ein&#x017F;t<lb/>
gelingen mir eine niedre, fe&#x017F;te Hu&#x0364;tte zu er-<lb/>
bauen, die Sturm und Wogen trotzt, und<lb/>
auch dem Ru&#x0364;tteln meiner eignen muthwilligen<lb/>
Hand wider&#x017F;teht! &#x2014; Und wo, fragte der<lb/>
Doktor la&#x0364;chelnd, &#x017F;uchen Sie Boden zu die-<lb/>
&#x017F;em Wunderhu&#x0364;ttchen? &#x2014; Gewiß nicht hier,<lb/>
nicht von den wurmzernagten Splittern der<lb/>
&#x017F;einen Welt gedenke ich es mir zu&#x017F;ammen zu<lb/>
betteln &#x2014; Ruhig lieber Florentin, wer ge-<lb/>
denkt &#x017F;ie Jhnen aufzudringen? Die feinere<lb/>
Ausbildung la&#x0364;ßt &#x017F;ich mit jenem geheim-<lb/>
nißvollen Berg vergleichen, von dem die Dich-<lb/>
ter unter dem Namen Venusberg viel wun-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0370] und der tugendhaften Mißverhaͤltniſſe der ge- bildetſten Welt! O alle Jhr Vortrefflichen, Auserkohrnen, ihr wißt doch mit euren an- geſtrengteſten Kraͤften nichts anders zu thun, als die zahlloſen Plagen zu erleichtern, die ihr euch ſelbſt einander zufuͤgt! Unter meiner plumpen Hand aber zerriſſe dies kuͤnſtlich ge- fuͤgte Gebaͤude, deſſen Thuͤrme ſich prahlend in die Wolken heben, waͤhrend ſein Fuß im Treibſande wankt. Moͤchte es mir nur einſt gelingen mir eine niedre, feſte Huͤtte zu er- bauen, die Sturm und Wogen trotzt, und auch dem Ruͤtteln meiner eignen muthwilligen Hand widerſteht! — Und wo, fragte der Doktor laͤchelnd, ſuchen Sie Boden zu die- ſem Wunderhuͤttchen? — Gewiß nicht hier, nicht von den wurmzernagten Splittern der ſeinen Welt gedenke ich es mir zuſammen zu betteln — Ruhig lieber Florentin, wer ge- denkt ſie Jhnen aufzudringen? Die feinere Ausbildung laͤßt ſich mit jenem geheim- nißvollen Berg vergleichen, von dem die Dich- ter unter dem Namen Venusberg viel wun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/370
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/370>, abgerufen am 26.06.2024.