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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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raschen, verbannt er sich auf immer aus der
menschlichen Gesellschaft, und bildet eine um
sich her, wo aus keinem Munde je ein andres
Wort erschallt, als die beständige Erinnerung
des Todes. Eine Frau an seiner Stelle würde
eine milde Stiftung errichtet haben. -- Jch
habe nicht geglaubt, einen so beredten Kenner
der weiblichen Natur in dem Manne zu finden,
den mir Betty als einen Verächter der Frauen
geschildert hat. -- Diese Jronie ist stark! rief
Florentin lachend. Die Frauen haben freylich
im Ernst weder Glück noch Unglück meines Le-
bens bestimmt. Hat Betty mir das abgemerkt,
so werde ich auch wohl nicht Gnade gefunden
haben vor ihren Augen, das ist natürlich. Jst
es aber meine Schuld, wenn es so ist? Wären
die Frauen alle wohlthätige Engel, wie Eleonore
und Clementine, sie würden der Menschheit je-
des Leiden vergüten, das ihr dummes Vorur-
theil und selbstsüchtige Eitelkeit zufügen. --
Sie verlangen etwas unmögliches, diese großen
Mittel -- Verstehen Sie mich: es ist ja nicht
das, was geschieht, sondern der Sinn, in dem

raſchen, verbannt er ſich auf immer aus der
menſchlichen Geſellſchaft, und bildet eine um
ſich her, wo aus keinem Munde je ein andres
Wort erſchallt, als die beſtaͤndige Erinnerung
des Todes. Eine Frau an ſeiner Stelle wuͤrde
eine milde Stiftung errichtet haben. — Jch
habe nicht geglaubt, einen ſo beredten Kenner
der weiblichen Natur in dem Manne zu finden,
den mir Betty als einen Veraͤchter der Frauen
geſchildert hat. — Dieſe Jronie iſt ſtark! rief
Florentin lachend. Die Frauen haben freylich
im Ernſt weder Gluͤck noch Ungluͤck meines Le-
bens beſtimmt. Hat Betty mir das abgemerkt,
ſo werde ich auch wohl nicht Gnade gefunden
haben vor ihren Augen, das iſt natuͤrlich. Jſt
es aber meine Schuld, wenn es ſo iſt? Waͤren
die Frauen alle wohlthaͤtige Engel, wie Eleonore
und Clementine, ſie wuͤrden der Menſchheit je-
des Leiden verguͤten, das ihr dummes Vorur-
theil und ſelbſtſuͤchtige Eitelkeit zufuͤgen. —
Sie verlangen etwas unmoͤgliches, dieſe großen
Mittel — Verſtehen Sie mich: es iſt ja nicht
das, was geſchieht, ſondern der Sinn, in dem

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[343/0351] raſchen, verbannt er ſich auf immer aus der menſchlichen Geſellſchaft, und bildet eine um ſich her, wo aus keinem Munde je ein andres Wort erſchallt, als die beſtaͤndige Erinnerung des Todes. Eine Frau an ſeiner Stelle wuͤrde eine milde Stiftung errichtet haben. — Jch habe nicht geglaubt, einen ſo beredten Kenner der weiblichen Natur in dem Manne zu finden, den mir Betty als einen Veraͤchter der Frauen geſchildert hat. — Dieſe Jronie iſt ſtark! rief Florentin lachend. Die Frauen haben freylich im Ernſt weder Gluͤck noch Ungluͤck meines Le- bens beſtimmt. Hat Betty mir das abgemerkt, ſo werde ich auch wohl nicht Gnade gefunden haben vor ihren Augen, das iſt natuͤrlich. Jſt es aber meine Schuld, wenn es ſo iſt? Waͤren die Frauen alle wohlthaͤtige Engel, wie Eleonore und Clementine, ſie wuͤrden der Menſchheit je- des Leiden verguͤten, das ihr dummes Vorur- theil und ſelbſtſuͤchtige Eitelkeit zufuͤgen. — Sie verlangen etwas unmoͤgliches, dieſe großen Mittel — Verſtehen Sie mich: es iſt ja nicht das, was geſchieht, ſondern der Sinn, in dem

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/351>, abgerufen am 22.11.2024.