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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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lächerlich erschien es thm, wenn er überlegte,
daß die gräfliche Familie vielleicht diesen
Grund als ausgemacht, und sogar als den
einzig möglichen annehmen würde. Er be-
schloß, wenigstens in der Zukunft, sich die be-
schämende Ungewißheit seiner eigenen Motive
zu ersparen. Sobald er daher im Gasthof
eingekehrt war, trug er sogleich Sorge, eine
Art von Uniform für sich zu bestellen, die
man ihm des andern Tags mit allem dazu
gehörigen zu liefern versprechen mußte.

So viel er von der großen Stadt im
Hineinreiten gesehen, hatte sie wenig Anzie-
hendes für ihn. Roher Lärm, nichtsthuende
Geschäftigkeit, prahlsüchtige Armseligkeit, lee-
re untheilnehmende Neugierde auf den ge-
räuschvollen Gassen, fiel ihm diesesmal mehr
als jemals widerlich auf. Wahrscheinlich wäre
er, ohne sich aufzuhalten, gerade zum andern
Thor wieder hinaus geritten, aber es lag ihm
daran, Eleonorens Brief an Clementinen sel-
ber zu bestellen.

Bald nach seiner Ankunft ging er hin.

laͤcherlich erſchien es thm, wenn er uͤberlegte,
daß die graͤfliche Familie vielleicht dieſen
Grund als ausgemacht, und ſogar als den
einzig moͤglichen annehmen wuͤrde. Er be-
ſchloß, wenigſtens in der Zukunft, ſich die be-
ſchaͤmende Ungewißheit ſeiner eigenen Motive
zu erſparen. Sobald er daher im Gaſthof
eingekehrt war, trug er ſogleich Sorge, eine
Art von Uniform fuͤr ſich zu beſtellen, die
man ihm des andern Tags mit allem dazu
gehoͤrigen zu liefern verſprechen mußte.

So viel er von der großen Stadt im
Hineinreiten geſehen, hatte ſie wenig Anzie-
hendes fuͤr ihn. Roher Laͤrm, nichtsthuende
Geſchaͤftigkeit, prahlſuͤchtige Armſeligkeit, lee-
re untheilnehmende Neugierde auf den ge-
raͤuſchvollen Gaſſen, fiel ihm dieſesmal mehr
als jemals widerlich auf. Wahrſcheinlich waͤre
er, ohne ſich aufzuhalten, gerade zum andern
Thor wieder hinaus geritten, aber es lag ihm
daran, Eleonorens Brief an Clementinen ſel-
ber zu beſtellen.

Bald nach ſeiner Ankunft ging er hin.

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[316/0324] laͤcherlich erſchien es thm, wenn er uͤberlegte, daß die graͤfliche Familie vielleicht dieſen Grund als ausgemacht, und ſogar als den einzig moͤglichen annehmen wuͤrde. Er be- ſchloß, wenigſtens in der Zukunft, ſich die be- ſchaͤmende Ungewißheit ſeiner eigenen Motive zu erſparen. Sobald er daher im Gaſthof eingekehrt war, trug er ſogleich Sorge, eine Art von Uniform fuͤr ſich zu beſtellen, die man ihm des andern Tags mit allem dazu gehoͤrigen zu liefern verſprechen mußte. So viel er von der großen Stadt im Hineinreiten geſehen, hatte ſie wenig Anzie- hendes fuͤr ihn. Roher Laͤrm, nichtsthuende Geſchaͤftigkeit, prahlſuͤchtige Armſeligkeit, lee- re untheilnehmende Neugierde auf den ge- raͤuſchvollen Gaſſen, fiel ihm dieſesmal mehr als jemals widerlich auf. Wahrſcheinlich waͤre er, ohne ſich aufzuhalten, gerade zum andern Thor wieder hinaus geritten, aber es lag ihm daran, Eleonorens Brief an Clementinen ſel- ber zu beſtellen. Bald nach ſeiner Ankunft ging er hin.

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/324>, abgerufen am 23.11.2024.