der brüderlichsten Freundschaft an ihm und ich liebe ihn wie einen ältern Bruder. Jch fühle es wohl, was ich ihm schon jetzt verdanke, und was er uns beyden werden könnte! Aber alles unser Bitten vermag nicht, ihn zurückzuhalten. Eduard hat eine Vermuthung, die ich Jhnen einmal mündlich mittheilen werde; ich halte sie aber nicht für gegründet, und auf keinen Fall ist es so ernsthaft, als er glaubt.
Diesen Morgen war ich lang allein mit Florentin. Wir uberraschten uns beyde mit der gegenseitigen Frage: "was fehlt Ednard?" jeder von uns glaubte den andern im Ver- ständniß. Er wußte aber so wenig und ist so unruhig über diese Erscheinung, als ich selbst. Zum erstenmale habe ich ihn mit vollem Zu- trauen begegnet; ich gestand ihm meine kleine Eifersucht, und daß ich für Eduards Liebe be- sorgt bin; aber er gab mir Unrecht, er warn- te mich, nicht in die gewöhnliche Schwäche der Frauen zu verfallen und Achtung für die Freundschaft der Männer zu haben. Es wa- ren Jhre Worte, Clementine. Jch mußte voll
der bruͤderlichſten Freundſchaft an ihm und ich liebe ihn wie einen aͤltern Bruder. Jch fuͤhle es wohl, was ich ihm ſchon jetzt verdanke, und was er uns beyden werden koͤnnte! Aber alles unſer Bitten vermag nicht, ihn zuruͤckzuhalten. Eduard hat eine Vermuthung, die ich Jhnen einmal muͤndlich mittheilen werde; ich halte ſie aber nicht fuͤr gegruͤndet, und auf keinen Fall iſt es ſo ernſthaft, als er glaubt.
Dieſen Morgen war ich lang allein mit Florentin. Wir uberraſchten uns beyde mit der gegenſeitigen Frage: „was fehlt Ednard?‟ jeder von uns glaubte den andern im Ver- ſtaͤndniß. Er wußte aber ſo wenig und iſt ſo unruhig uͤber dieſe Erſcheinung, als ich ſelbſt. Zum erſtenmale habe ich ihn mit vollem Zu- trauen begegnet; ich geſtand ihm meine kleine Eiferſucht, und daß ich fuͤr Eduards Liebe be- ſorgt bin; aber er gab mir Unrecht, er warn- te mich, nicht in die gewoͤhnliche Schwaͤche der Frauen zu verfallen und Achtung fuͤr die Freundſchaft der Maͤnner zu haben. Es wa- ren Jhre Worte, Clementine. Jch mußte voll
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0290"n="282"/>
der bruͤderlichſten Freundſchaft an ihm und ich<lb/>
liebe ihn wie einen aͤltern Bruder. Jch fuͤhle<lb/>
es wohl, was ich ihm ſchon jetzt verdanke, und<lb/>
was er uns beyden werden koͤnnte! Aber alles<lb/>
unſer Bitten vermag nicht, ihn zuruͤckzuhalten.<lb/>
Eduard hat eine Vermuthung, die ich Jhnen<lb/>
einmal muͤndlich mittheilen werde; ich halte<lb/>ſie aber nicht fuͤr gegruͤndet, und auf keinen<lb/>
Fall iſt es ſo ernſthaft, als er glaubt.</p><lb/><p>Dieſen Morgen war ich lang allein mit<lb/>
Florentin. Wir uberraſchten uns beyde mit<lb/>
der gegenſeitigen Frage: „was fehlt Ednard?‟<lb/>
jeder von uns glaubte den andern im Ver-<lb/>ſtaͤndniß. Er wußte aber ſo wenig und iſt ſo<lb/>
unruhig uͤber dieſe Erſcheinung, als ich ſelbſt.<lb/>
Zum erſtenmale habe ich ihn mit vollem Zu-<lb/>
trauen begegnet; ich geſtand ihm meine kleine<lb/>
Eiferſucht, und daß ich fuͤr Eduards Liebe be-<lb/>ſorgt bin; aber er gab mir Unrecht, er warn-<lb/>
te mich, nicht in die gewoͤhnliche Schwaͤche<lb/>
der Frauen zu verfallen und Achtung fuͤr die<lb/>
Freundſchaft der Maͤnner zu haben. Es wa-<lb/>
ren Jhre Worte, Clementine. Jch mußte voll<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[282/0290]
der bruͤderlichſten Freundſchaft an ihm und ich
liebe ihn wie einen aͤltern Bruder. Jch fuͤhle
es wohl, was ich ihm ſchon jetzt verdanke, und
was er uns beyden werden koͤnnte! Aber alles
unſer Bitten vermag nicht, ihn zuruͤckzuhalten.
Eduard hat eine Vermuthung, die ich Jhnen
einmal muͤndlich mittheilen werde; ich halte
ſie aber nicht fuͤr gegruͤndet, und auf keinen
Fall iſt es ſo ernſthaft, als er glaubt.
Dieſen Morgen war ich lang allein mit
Florentin. Wir uberraſchten uns beyde mit
der gegenſeitigen Frage: „was fehlt Ednard?‟
jeder von uns glaubte den andern im Ver-
ſtaͤndniß. Er wußte aber ſo wenig und iſt ſo
unruhig uͤber dieſe Erſcheinung, als ich ſelbſt.
Zum erſtenmale habe ich ihn mit vollem Zu-
trauen begegnet; ich geſtand ihm meine kleine
Eiferſucht, und daß ich fuͤr Eduards Liebe be-
ſorgt bin; aber er gab mir Unrecht, er warn-
te mich, nicht in die gewoͤhnliche Schwaͤche
der Frauen zu verfallen und Achtung fuͤr die
Freundſchaft der Maͤnner zu haben. Es wa-
ren Jhre Worte, Clementine. Jch mußte voll
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/290>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.