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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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die von jeher in seinem Hause Statt gefunden,
und die er nicht gern ohne Grund abschaffen
würde. -- Verzeih mir, mein Bester! sagte
Eleonore, aber ich konnte mir nie weder gutes,
noch erfreuliches dabey denken, wenn ich diese
Leute an einer langen Tafel, schnur gerade ge-
reiht sitzen sah, Zwang und staunende Lange-
weile auf allen Gesichtern, die Männer an der
einen, die Frauen auf der andern Seite; zufäl-
lig Feinde sich nah, Freunde und Liebende ge-
trennt, fremd, ängstlich, unbehaglich! Von
der Dienerschaft, wo nicht gar von der herr-
schaftlichen Familie selbst bedient, fühlten sie
sich in nicht geringer Verlegenheit, so oft ihnen
etwas gereicht ward, und nahmen sich dann na-
türlich so ungeschickt und link dabey, daß die
übermüthigen Lakaien sich berechtigt glaubten,
sie hohnlachend zu verspotten. Jrgend ein Lä-
cheln, oder das Ansehn von Superiorität, das
man doch nicht unterdrücken kann, und das nur
auffallender wird, je mehr man's unterdrücken
will, macht ihnen vollends diesen ostensibeln Akt
von Herablassung zur Pein. Es kann nicht

die von jeher in ſeinem Hauſe Statt gefunden,
und die er nicht gern ohne Grund abſchaffen
wuͤrde. — Verzeih mir, mein Beſter! ſagte
Eleonore, aber ich konnte mir nie weder gutes,
noch erfreuliches dabey denken, wenn ich dieſe
Leute an einer langen Tafel, ſchnur gerade ge-
reiht ſitzen ſah, Zwang und ſtaunende Lange-
weile auf allen Geſichtern, die Maͤnner an der
einen, die Frauen auf der andern Seite; zufaͤl-
lig Feinde ſich nah, Freunde und Liebende ge-
trennt, fremd, aͤngſtlich, unbehaglich! Von
der Dienerſchaft, wo nicht gar von der herr-
ſchaftlichen Familie ſelbſt bedient, fuͤhlten ſie
ſich in nicht geringer Verlegenheit, ſo oft ihnen
etwas gereicht ward, und nahmen ſich dann na-
tuͤrlich ſo ungeſchickt und link dabey, daß die
uͤbermuͤthigen Lakaien ſich berechtigt glaubten,
ſie hohnlachend zu verſpotten. Jrgend ein Laͤ-
cheln, oder das Anſehn von Superioritaͤt, das
man doch nicht unterdruͤcken kann, und das nur
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will, macht ihnen vollends dieſen oſtenſibeln Akt
von Herablaſſung zur Pein. Es kann nicht

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[274/0282] die von jeher in ſeinem Hauſe Statt gefunden, und die er nicht gern ohne Grund abſchaffen wuͤrde. — Verzeih mir, mein Beſter! ſagte Eleonore, aber ich konnte mir nie weder gutes, noch erfreuliches dabey denken, wenn ich dieſe Leute an einer langen Tafel, ſchnur gerade ge- reiht ſitzen ſah, Zwang und ſtaunende Lange- weile auf allen Geſichtern, die Maͤnner an der einen, die Frauen auf der andern Seite; zufaͤl- lig Feinde ſich nah, Freunde und Liebende ge- trennt, fremd, aͤngſtlich, unbehaglich! Von der Dienerſchaft, wo nicht gar von der herr- ſchaftlichen Familie ſelbſt bedient, fuͤhlten ſie ſich in nicht geringer Verlegenheit, ſo oft ihnen etwas gereicht ward, und nahmen ſich dann na- tuͤrlich ſo ungeſchickt und link dabey, daß die uͤbermuͤthigen Lakaien ſich berechtigt glaubten, ſie hohnlachend zu verſpotten. Jrgend ein Laͤ- cheln, oder das Anſehn von Superioritaͤt, das man doch nicht unterdruͤcken kann, und das nur auffallender wird, je mehr man’s unterdruͤcken will, macht ihnen vollends dieſen oſtenſibeln Akt von Herablaſſung zur Pein. Es kann nicht

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/282>, abgerufen am 24.11.2024.