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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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eine Zeit, wo ich es nicht so geduldig abge-
wartet hätte, aber ich war krank, und mein
Geist gebeugt. Des Stehens im lärmenden
Vorsaal endlich müde, schickte ich eine Karte
mit meinem Namen hinein, und setzte dazu,
ich wäre im Garten. Jch ging wirklich da-
hin und setzte mich auf die erste Bank, die
ich fand. Bald darauf kam auch der Lord
mit einem wahren Festtagsgesicht, das immer
länger ward, je näher er mir kam, und
mein Aussehen und meinen Aufzug gewahr
ward. Seine ganze Haltung schwebte zwischen
Erstaunen und Verlegenheit. Jn jeder andern
Stimmung hätte mich Se. Herrlichkeit sehr be-
lustigt, jetzt war es mir aber ganz gleichgül-
tig; es war ein schöner warmer Herbsttag, der
Sonnenschein that mir wohl, ich legte mich
bequem auf den schönen Sitz und ließ den
Lord sich wundern und nicht begreifen. Seine
Fragen beantwortete ich ihm zur höchsten Noth-
dürftigkeit; er wußte bald, wie es gegenwär-
tig mit mir stand, und mein Begehren, eini-
ge Zeit lang bey ihm auf dem Lande zu woh-

eine Zeit, wo ich es nicht ſo geduldig abge-
wartet haͤtte, aber ich war krank, und mein
Geiſt gebeugt. Des Stehens im laͤrmenden
Vorſaal endlich muͤde, ſchickte ich eine Karte
mit meinem Namen hinein, und ſetzte dazu,
ich waͤre im Garten. Jch ging wirklich da-
hin und ſetzte mich auf die erſte Bank, die
ich fand. Bald darauf kam auch der Lord
mit einem wahren Feſttagsgeſicht, das immer
laͤnger ward, je naͤher er mir kam, und
mein Ausſehen und meinen Aufzug gewahr
ward. Seine ganze Haltung ſchwebte zwiſchen
Erſtaunen und Verlegenheit. Jn jeder andern
Stimmung haͤtte mich Se. Herrlichkeit ſehr be-
luſtigt, jetzt war es mir aber ganz gleichguͤl-
tig; es war ein ſchoͤner warmer Herbſttag, der
Sonnenſchein that mir wohl, ich legte mich
bequem auf den ſchoͤnen Sitz und ließ den
Lord ſich wundern und nicht begreifen. Seine
Fragen beantwortete ich ihm zur hoͤchſten Noth-
duͤrftigkeit; er wußte bald, wie es gegenwaͤr-
tig mit mir ſtand, und mein Begehren, eini-
ge Zeit lang bey ihm auf dem Lande zu woh-

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[188/0196] eine Zeit, wo ich es nicht ſo geduldig abge- wartet haͤtte, aber ich war krank, und mein Geiſt gebeugt. Des Stehens im laͤrmenden Vorſaal endlich muͤde, ſchickte ich eine Karte mit meinem Namen hinein, und ſetzte dazu, ich waͤre im Garten. Jch ging wirklich da- hin und ſetzte mich auf die erſte Bank, die ich fand. Bald darauf kam auch der Lord mit einem wahren Feſttagsgeſicht, das immer laͤnger ward, je naͤher er mir kam, und mein Ausſehen und meinen Aufzug gewahr ward. Seine ganze Haltung ſchwebte zwiſchen Erſtaunen und Verlegenheit. Jn jeder andern Stimmung haͤtte mich Se. Herrlichkeit ſehr be- luſtigt, jetzt war es mir aber ganz gleichguͤl- tig; es war ein ſchoͤner warmer Herbſttag, der Sonnenſchein that mir wohl, ich legte mich bequem auf den ſchoͤnen Sitz und ließ den Lord ſich wundern und nicht begreifen. Seine Fragen beantwortete ich ihm zur hoͤchſten Noth- duͤrftigkeit; er wußte bald, wie es gegenwaͤr- tig mit mir ſtand, und mein Begehren, eini- ge Zeit lang bey ihm auf dem Lande zu woh-

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/196>, abgerufen am 21.11.2024.